Kajak-Blockade auf Nord-Ostsee-Kanal und Polizeicamp auf Akw-Gelände
Turbulente Klima-Aktionstage gegen LNG-Terminal in Brunsbüttel: Wenn Strahlenschutz für Staatsdiener zur Nebensache wird
Durch eine Blockadeaktion mit Kajaks hat das Aktionsbündnis "Ende Gelände" am Samstagnachmittag den Schiffsverkehr auf dem Nord-Ostsee-Kanal zum Erliegen gebracht. Anlass war der Protest gegen ein geplantes LNG-Terminal in Brunsbüttel, das demnächst als Umschlagplatz für Fracking-Gas aus den USA dienen soll. Der Kanal musste kurzfristig gesperrt werden, weil sich 15 Personen in 13 Paddelbooten auf dem Wasser befanden. Die Staatsanwaltschaft ermittle wegen des Anfangsverdachts einer Nötigung, erklärte die für den Einsatz zuständige Polizeidirektion Itzehoe. Gegen 18.30 Uhr sei die Sperrung wieder aufgehoben worden. Die 15 Beteiligten der Wasserblockade wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen.
Ein Klimacamp in Brunsbüttel
Insgesamt waren ab Donnerstag rund 2000 überwiegend junge Menschen zu einem Klimacamp in Brunsbüttel angereist, um mit Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen den Bau des LNG-Terminals zu protestieren. Ein Teil von ihnen blockierte auch die Schienenanbindung des ChemCoast-Parks. "Wenn wir in 20 Jahren gefragt werden, was wir gegen die Klimakrise getan haben, soll unsere Antwort nicht sein: Da stand 'Betreten verboten!'", erklärte das Bündnis an diesem Sonntag zur Begründung. "Wenn mit Fracking-Gas dreckige Industrie befeuert werden soll, stellen wir uns in den Weg. Sauberes Gas ist eine dreckige Lüge!"
Zwei Polizeicamps in Brokdorf
Laut Polizeisprecher Christian Kartheus sind im Zusammenhang mit den Protesten "mehrere hundert" Beamte im Einsatz, darunter sowohl Einheiten aus Schleswig-Holstein als auch aus "anderen Bundesländern" sowie der Bundespolizei. Untergebracht sind die Beamten in zwei Camps - teils in der Eissporthalle in Brokdorf, teils auf dem Gelände des dortigen Atomkraftwerks. Dies bestätigte Kartheus am Sonntag gegenüber Telepolis, nachdem der parlamentarische Beobachter Lorenz Gösta Beutin (Die Linke) via Twitter darauf hingewiesen hatte, dass Beamte aus Nordrhein-Westfalen "kurioserweise auf dem Gelände des Akw" untergebracht seien. "Wie sieht es eigentlich mit Strahlung da aus", wollte der Bundestagsabgeordnete wissen.
Fracking-Gas gilt als ähnlich klimaschädlich wie Kohleverstromung. Das räumt auch die Bundesregierung ein. Darüber hinaus kritisieren Umweltverbände die Fördermethode des "Hydraulic Fracturing" - kurz Fracking - weil dabei ein Gemisch aus Wasser, Sand und teils giftigen Chemikalien unter Hochdruck in tiefliegende Gesteinsschichten gepumpt wird, um Risse zu erzeugen und Öl oder Gas herauszupressen. LNG steht für Liquefied Natural Gas, also flüssiges Erdgas.
"LNG ist die größte Klimalüge unserer Zeit. Die Emissionen von Gas sind ähnlich wie die von Kohle und schlimmer, wenn es Frackinggas ist. Gas besteht ja zum großen Teil aus Methan, was ein viel schlimmeres Treibhausgas ist als CO2.Auf eine Periode von 20 Jahren gerechnet, ist der Einfluss von Methan auf die Erderhitzung 87-mal schlimmer als der von CO2", erklärte der Biologe und Aktivist Esteban Servat, der auch an den "Ende Gelände"-Protesten teilnimmt, Ende Juni in einem Interview mit der taz. Fracking sei verantwortlich für die Hälfte aller globalen Methanemissionen der letzten zehn Jahre verantwortlich.
Zwar baut sich Methan in der Atmosphäre schneller ab - mit Blick auf die "Kipppunkte" im Klimasystem nützt das aber möglicherweise nichts mehr.
Sollten die Aktiven von "Ende Gelände" demnächst vor Gericht stehen, könnte die Verteidigung sich auf Artikel 20 a des Grundgesetzes berufen, in dem steht: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."