Kalifat im Zweifrontenkrieg

Kurden starten Offensive in Sindschar - syrische Armee bricht Belagerung von Flughafen bei Aleppo

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Irakisch-kurdische Peschmerga haben am Donnerstag von drei Seiten aus eine Offensive zur Befreiung der Stadt Sindschar aus den Händen der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) begonnen. Mit verstärkter Luftunterstützung durch die von den USA angeführte Anti-IS-Koalition gelang es etwa 7.500 kurdischen Kämpfern gestern angeblich, mehrere Dörfer in der Umgebung der Stadt einzunehmen.

Nachdem der IS das Jesidenzentrum im letzten Jahr einnahm, floh der Großteil der Einwohner oder wurde getötet oder verschleppt. Jesiden sprechen die Kurdensprache Kurmandschi, hängen aber einer nichtislamischen Religion an, weshalb die Dschihadisten sie ausrotten wollen. Etwa 5.000 männliche Jesiden sollen bei der Einnahme der Stadt und ihrer Umgebung durch den IS im letzten Jahr massakriert worden sein. Weitere 5.000, die fliehen konnten, kämpfen jetzt in den Reihen der überwiegend sunnitisch-kurdischen Peschmerga.

Derzeit sollen sich in der weitgehend zerstörten ehemaligen 40.000-Einwohner-Ortschaft etwa 600 IS-Kämpfer aufhalten, von denen die Peschmerga dem US-Fernsehsender CNN zufolge erwarten, dass sie bis zum Tod kämpfen. Deshalb (und wegen ebenfalls erwarteter Tretminen und Sprengfallen) rechnen Beobachter damit, dass der Häuser- und Straßenkampf sehr langwierig und verlustreich werden könnte.

Provinz Aleppo. Grau: Islamischer Staat (IS). Apricot: Syrische Regierung. Gelbgrün: Kurden (YPG). Hellgrün: Al-Nusra-Front und andere syrische Rebellen. Karte: Haghal Jagul. Lizenz: CC0 1.0.

An der Westgrenze des Terrorkalifats ist es der syrischen Armee währenddessen nach gut zwei Monate andauernden Angriffen gelungen, die bereits seit 2013 währende Belagerung des Militärflughafens Kwairis in der Nähe von Aleppo zu durchbrechen. Der syrischen Nachrichtenagentur SANA zufolge kam dabei nicht nur eine dreistellige Zahl von IS-Terroristen ums Leben - es sollen auch mehrere Fahrzeuge sowie Waffen- und Munitionslager zerstört worden sein, ohne dass die Dschihadisten sie vorher leer räumen konnten.

Dass in der Nähe von Kwairis schwere Kämpfe stattfanden, wurde inzwischen von der in London ansässigen oppositionellen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigt. Ihr zufolge kamen dabei aber lediglich 60 IS-Terroristen ums Leben. Auf der Gegenseite sollen neben 20 syrischen Soldaten auch 13 Iraner und acht Mitglieder der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah gefallen sein.

Sindschar. Grau: Islamischer Staat (IS). Gelbgrün: Kurden (YPG und Peschmerga). Apricot: Syrische Regierung. Karte: Haghal Jagul. Lizenz: CC0 1.0.

Bei seinem Vormarsch wird das syrische Militär auch von russischen Flugzeugen und Hubschraubern unterstützt, deren Einsatzschwerpunkte die Provinzen Idlib, Hama, Homs und Aleppo waren. Der direkte Kampfeinsatz von Bodentruppen wurde bislang von russischer Seite nicht bestätigt. Der kremlkritische Blogger Ruslan Lewijew hat jedoch Fotos und Social-Media-Spuren gesammelt, aus denen er schließt, dass russische Soldaten in Syrien auch am Boden aktiv mitkämpfen.

Vom angeblichen Speznas-Elitesoldat Ilja G. soll es nicht nur Spuren aus der Hafenstadt Latakia, sondern auch aus den Kampfgebieten Homs und Aleppo geben. Dort soll er in Zivilkleidung, aber mit einer Waffe fotografiert worden sein. Der aus der Link auf www.heise.de/tp/artikel/29/29444/1.html stammende Ajas S. soll der 74. Schützendivision angehören und im Oktober ein Foto gepostet haben, in dem er in Zivilkleidung, aber mit einem Maschinengewehr bewaffnet, auf einem Hausdach kniet. Die Geotags des Fotos deuten angeblich darauf hin, dass es in dem in der Provinz Hama gelegenen Dorf Ain al-Kurum aufgenommen wurde.

Auch wenn das durchaus möglich wäre: Beweise, dass russische Bodentruppen bereits in Syrien kämpfen, sind diese Fotos nicht. Ebenso wie Amerikaner auf Seiten der kurdischen YPG und der Peschmerga kämpfen, kann es russische Abenteurer, Söldner oder Gewissenskämpfer nach Syrien gezogen haben, um sich dort auf der einen oder anderen Seite am Bürgerkrieg zu beteiligen. Gegen einen größeren regulären Bodeneinsatz russischer Truppen sprach bisher, dass man die dort stationierten Soldaten nur dreistellig schätzte, während nach Ansicht von Militärexperten ein sinnvolles direktes Eingreifen am Boden mindestens Brigadestärke erfordern würde.

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