Kalifatsterroristen "säubern" Dscharabulus
PYD wirft "einigen stattliche Institutionen" in der Türkei Unterstützung der Salafisten vor
Kurdischen Syrern zufolge verfolgt die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) in der von ihr eroberten Grenzstadt Dscharabulus eine "Säuberungspolitik". Dort ansässige Kurden wurden mit öffentlichen Kreuzigungen so verängstigt, dass viele von ihnen die Stadt verließen. Wer nach einer Weile feststellt, dass er die Gefahr grausamer Körperstrafen der Obdachlosigkeit vorzieht, dem wird von der Terrorgruppe die Rückkehr in das alte Haus oder die alte Wohnung verweigert, solange er kein sunnitischer Araber ist.
Östlich von Dscharabulus versucht IS derzeit den kurdischen Kanton Kobanê zu erobern. Dem stellvertretenden Kantonsaußenbeauftragten Idris Nassan nach gelang es den Terroristen mit im Irak erbeuteten Panzern und schweren Geschützen die drei knapp 50 Kilometer westlich des Euphrat gelegenen kurdischen Dörfer Zor Mugar, Beyadi und Ziyarete zu erobern. Nun führten sie die Angriffe auf das von den anderen beiden syrischen Kurdenkantonen isolierte Gebiet von der östlich von Kobanê gelegenen Stadt Tel Abyad aus fort und versuchten die Dörfer Evdiko und Ebu Surra zu erobern. Dabei setzten die Salafisten angeblich einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen ein, der bei einer Kontrolle vier kurdische Milizionäre zerriss.
Nassan zufolge erhält sein Kanton nach der Ausrufung der "allgemeinen Mobilmachung" Unterstützung von Kämpfern der türkisch-kurdischen Terrorgruppe PKK. Diesen werde jedoch der Grenzübertritt aus der Türkei deutlich schwerer gemacht als den IS-Terroristen, die seinem Eindruck nach nicht nur völlig unbehelligt die gegenüber von Tel Abyad und Dscharabulus gelegenen (und offiziell geschlossenen) türkischen Grenzübergänge Akçakale und Karkamis für Militärtransporte und Hilfslieferungen aus Katar nutzen können, sondern sogar mit Strom aus der Türkei versorgt werden. Gleiches gelte für den 40 Kilometer westlich von Kobanê gelegenen Grenzübergang Rai. Salih Muslim, der Mitvorsitzende der in den drei syrischen Kurdenkantonen herrschenden PYD, kritisiert ebenfalls, dass "einige stattliche Institutionen" in der Türkei mit IS "kooperieren" und bei Grenzübertritten von Kurden einerseits und Salafisten andererseits mit zweierlei Maß messen. Seine Partei wolle deshalb mit türkischen Behörden in Kontakt treten, um über die Vorgänge zu sprechen.
Auch türkische Journalisten wie Fehim Tastekin sehen in IS mittlerweile eine größere Gefahr als im kurdischen Separatismus: Fallen die syrischen Kurdenkantone in die Hand der Salafisten, dann fehlt der PKK zwar ein potenzielles Rückzugsgebiet - aber die Türkei muss auf 450 Kilometern Grenzlänge auf Terroristen achten, die das Land ihrem "Kalifat" vollständig einverleiben wollen und dabei vor keiner Grausamkeit zurückschrecken.
Das Bewusstsein dieser Gefahr sorgte auch mit dafür, dass das türkische Parlament am Donnerstag ein Gesetz verabschiedete, das die Wiedereingliederung ehemaliger PKK-Kämpfer in die Gesellschaft erleichtern und Meinungsverschiedenheiten zwischen Kurden und der Regierung in Ankara auf eine gewaltfreie Grundlage stellen soll. Im letzten Jahr hatte sich die PKK auf einen Waffenstillstand mit der türkischen Regierung geeinigt und ihre bewaffneten Einheiten teilweise in das irakische Kurdengebiet verlagert. Nun könnten viele davon in die drei syrischen Kurdenkantone ziehen, wenn man sie lässt.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.