Kalte Dusche statt Einheitsfront
Bei ihrer ersten Nahostreise seit den Spannungen um das iranische Nuklearprogramm und den Hamas-Sieg in Palästina fing sich US-Außenministerin Condoleezza Rice in Ägypten am Dienstag Absagen ein.
Die viertägige Reise der amerikanischen Außenministerin war von Washington aus vor allem mit Blick auf Ägypten mit einigen Hoffnungen verknüpft. Da das Land am Nil, nach Israel der zweitgrößte Empfänger von US-Auslands- und Militärhilfe, politisch über erheblichen Einfluss in der arabischen Welt verfügt und als diplomatisches Bindeglied zwischen Israel und den arabischen Staaten sowie als Mittler und Trendsetter Washingtons in der Region gilt, wurde dem Zusammentreffen von Rice mit den Eliten von Kairo größte Aufmerksamkeit zuteil.
Doch das Dilemma, in dem sich die US-Regierung in Sachen Hamas sowie Iran befindet, mochten ihre Gesprächspartner nicht auflösen. Auf einer bisweilen stürmischen Pressekonferenz mit ihrem Kollegen Ahmed Aboul Gheit, in der diplomatische Spitzen ausgetauscht wurden, wurde deutlich, dass Ägypten kein Interesses daran hat, die beiden Hauptanliegen der USA aktiv zu unterstützen. Ägypten - und damit wahrscheinlich auch der Rest der arabischen Welt - plädiert gegen den Willen Israels und der USA für die weitere internationale Finanzierung der Palestinian National Authority und wendet sich dagegen, nur das iranische Nuklearprogramm als dringende Angelegenheit dem UN-Sicherheitsrat zu übergeben.
Die palästinensische Regierung müsse trotz des Hamas-Sieges bei den Parlamentswahlen auf unbestimmte Zeit finanziell unterstützt werden, sagte Gheit, Hamas solle Zeit eingeräumt werden, "ihre eigenen Ideen zu entwickeln". Ebenso sei es nur eine Frage der Zeit, bis die palästinensischen Islamisten erkennen würden, dass Israel anerkannt und ein Friedensprozess in Gang gesetzt werden müsse.
In Punkto Iran wiederholte Gheit die seit Jahren gültige diplomatische Doktrin Kairos und der Arabischen Liga, dass die Forderung nach Atomwaffenfreiheit für alle regionalen Staaten zu gelten habe - ein klare Breitseite gegen die einzige regionale Atommacht Israel. Rice hatte zu dieser Forderung nur zu sagen, die Hoffnung auf einen "so friedlichen Nahen Osten, damit niemand" Atomwaffen brauche, werde von allen geteilt.
Als jüngste Eskalationsmaßnahme, die vordergründig Hamas treffen soll, tatsächlich aber die Armut und das Chaos in der Westbank und im Gazastreifen verschärfen wird und möglicherweise auch soll, hatte das Kabinett in Jerusalem am Sonntag beschlossen, die palästinensischen Steuer- und Zolleinkünfte einzubehalten. Die rund 55 Millionen Dollar monatlich, die Israel bislang zugunsten der Palästinenser einsammelte und an sie weitergab, machen etwa ein Drittel des palästinensischen Haushalts aus. Das Gesamtbudget beläuft sich auf 1,9 Milliarden Dollar. In einem Artikel rechnete die israelische Journalistin Amira Hass, die auch für die linksliberale Zeitung "Haaretz" aus Ramallah berichtet, im Detail vor, dass es sich dabei um Diebstahl handelt. Auch Ex-Präsident Jimmy Carter warnte vor einer Unterschätzung der Folgen dieser Politik, die Israel im eigenen Interesse wieder rückgängig machen und der die USA nicht folgen sollten..
Die Isolierung der Palästinenser sei gefährlich, da sie damit zwangsläufig auf der Suche nach den dringend benötigten Finanzquellen - nicht zuletzt, um ein Minimum an Mitteln für die Verwaltung und die Bezahlung der Angestellten in den Behörden zur Verfügung zu haben - in die Arme des Iran getrieben würden, hieß es auch im linksliberalen Bostoner Christian Science Monitor. Tatsächlich schwadronieren iranische und palästinensische Hardliner schon seit Längerem von einer Achse Iran-Palästina und liefern damit weiteren Zündstoff in einer Region, für die vor dem Kollaps der - zwar zögerlichen, aber doch initiierten - Friedensgespräche Mitte der 90er Jahre kaum jemand mehr den Begriff "Pulverfass" übrig hatte.
Die US-Doktrin von den "Schurkenstaaten" scheint derzeit ebenso schwer zu erschüttern zu sein wie die berüchtigte Terrorliste des US-Außenministeriums - auch wenn Condoleezza Rice während der kommenden Tage in Kairo, Riad und Dubai mit pragmatischen Haltungen konfrontiert werden wird.
Ob Uri Avnery, der unverbesserliche israelische Optimist und Friedensaktivist recht behählt? Schön wäre es:
Gradually, the tone will change. Both sides, and the Americans, too, will climb down from the tall tree. Hamas will state that it is ready for negotiations and find some religious basis for this. The Israeli government (probably headed by Ehud Olmert) will bow to reality and American pressure. Europe will forget its ridiculous slogans. In the end, everybody will agree that a peace, in which Hamas is a partner, is better than a peace with Fatah alone. Let's pray that not too much blood is spilled before that point is reached.
Uri Avnery