Kalter Krieg der Geschlechter

Seite 2: Negative Folgen - für Frauen

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Erstens werden Frauen permanent mit der Nachricht berieselt, dass sie Opfer sexueller Straftaten werden können. Dabei leben wir nicht nur in einer sehr sicheren Gesellschaft, sondern machen Sexualstraftaten nur einen relativ geringen Anteil aller Verbrechen aus. Eine Angstkultur trägt auch nicht gerade dazu bei, dass Menschen das Sexuelle als etwas Positives erfahren können. Schon heute leiden genügend Frauen und Männer darunter, auf sexuellem Gebiet "nicht loslassen" zu können.

Die Forderungen von Studierendenvertretungen an amerikanischen Colleges, beispielsweise Kurse über griechische Mythologie mit Warnhinweisen zu versehen, dass darin sexuelle Gewalt behandelt wird, das Material aus dem Unterricht zu entfernen oder Studierenden die Möglichkeit einer Freistellung von den Kursen zu geben, spiegeln eine solche Angstkultur wider.

Dabei wird im Land der unbegrenzten Möglichkeiten so gut wie jede andere Form der Gewaltdarstellung toleriert, während bereits Brustwarzen von Frauen die Zensur auf den Plan rufen. Über die Dominanz amerikanischer sozialer Medien werden diese moralischen Standards zunehmend in andere Kulturen exportiert.

Ob man Opfern und möglichen Opfern sexueller Straftaten aber damit einen Gefallen tut, sämtliches Material, das an diese Taten erinnern könnte, aus der Öffentlichkeit zu entfernen, ist fraglich. Angststörungen sind heute schon mit einer Jahresprävalenz von 14-18% die häufigsten psychischen Störungen überhaupt; vor allem Frauen sind davon betroffen.3

Übertriebene Vermeidung hat wohl gegenteiligen Effekt

Aus der Behandlung von Angst- und Panikstörungen weiß man nämlich, dass die Vermeidung der Angstauslöser die Beschwerden häufig eher verstärkt als verringert. Darauf basiert zum Beispiel die verhaltenstherapeutische Konfrontationstherapie: Die Betroffenen lernen dann in einer sicheren Umgebung den selbstbewussten Umgang mit den angstauslösenden Reizen - und bauen so idealerweise die Angst ab. Außerdem muss man sich fragen, ob die Kultur des Verbietens nicht ausgerechnet einen Paternalismus - oder besser: Parentalismus - voraussetzt, wie ihn Feministen doch überwinden wollten.

Auch die beiden Psychologieprofessoren Jonathan Haidt und Nick Haslam kritisierten im Guardian den Trend an Universitäten, Studierende mit Samthandschuhen anzufassen. Durch die "Opferkultur" auf Campussen helfe man ausgerechnet denjenigen nicht, die im späteren Leben von Diskriminierung betroffen sein würden. Dafür sei nämlich die Entwicklung von Widerstandskraft wichtig und dies erfordere ein Maß an Konfrontation.