Kalter Krieg der Geschlechter
Seite 3: Negative Folgen - für Männer
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Zweitens wird Gewalt gegen Männer schon bei Kindern ausgeklammert. In mehreren Städten richten sich Anlaufstellen für Opfer von Misshandlungen ausschließlich an Mädchen. Das Opfer-sind-Frauen-Denken setzt schon in den ersten Lebensjahren ein. Die betroffenen Jungen müssen das Problem dann irgendwie selbst lösen.
Ein gutes Beispiel hierfür ist ein offener Brief des Lehrers Lucas Schoppe an das Kinderhilfswerk Plan. Dieses thematisierte in einer groß angelegten Werbekampagne ausschließlich Gewalt gegen Mädchen.
Schoppe wirft die berechtigte Frage auf, warum sich die Kampagne nicht gegen Gewalt gegen Kinder richte. Vielleicht weiß das Kinderhilfswerk aus Erfahrung, dass Reklame mit Jungen weniger Spenden liefert. Damit wird das Opfer-sind-Frauen-Denken aber nicht nur bestätigt, sondern auch verstetigt. Die möglichen Leidtragenden dieses Denkens sind (nicht nur) männliche Kinder.
Das größte Problem wird sich allerdings erst in der Zukunft manifestieren. Gerade unter der Annahme, dass Sprache unser Denken und Wahrnehmen prägt, wie es die linguistische Genderforschung ein ums andere Mal bestätigt4, ist der gegenwärtige Diskurs hochgefährlich. Aus dem Opfer-sind-Frauen- und dem Täter-sind-Männer-Denken wird durch die permanente Assoziation von "Opfer" mit "Frau" und "Täter" mit "Mann" irgendwann ein Frauen-sind-Opfer- und Männer-sind-Täter-Denken. (Man lese den letzten Satz noch einmal, um sich des Unterschieds bewusst zu werden.)
Obwohl, wie wir vorher gesehen haben, die meisten Opfer schwerer Gewaltverbrechen Männer sind und obwohl mit Abstand die meisten Männer keine Verbrechen begehen, werden wir dann in einer Welt leben, in der Frauen permanent Angst haben, Opfer zu werden, und Männer befürchten müssen, unschuldig als Täter angesehen zu werden.
Kalter Krieg der Geschlechter
Das wäre ein Kalter Krieg der Geschlechter. Frauen würden dann hinter potenziell jedem Rückschlag im Leben, sei es eine schlechte Note oder eine Ablehnung bei einer Stellenbewerbung, Unterdrückung durch strukturelle Gewalt sehen können. Umgekehrt würden Männer potenziell für alles verantwortlich gemacht, was in der Welt schief geht. Eine naheliegende Folgerung wäre eine Einschränkung ihrer Freiheit.
Zwar nicht aus feministischer Sicht, doch mit Blick auf die mögliche Gefahr für die Gesellschaft, hat Adrian Raine, Professor für Kriminologie und Psychiatrie an der University of Pennsylvania, in seinem Buch "Als Mörder geboren" (dt. 2015) den Vorschlag gemacht, alle Männer - und ausschließlich Männer - im Alter von 18 Jahren genetisch, neurowissenschaftlich und psychologisch auf Risikomerkmale zu untersuchen.
Diejenigen, die dabei durchfallen, sollen in eine Sicherungsverfahrung, bis Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Unbedenklichkeitserklärung abgeben. Dabei würde in Kauf genommen, dass auch Menschen weggeschlossen werden, die nie eine Straftat begangen hätten. Pech für die Männer. Der Professor will ihnen immerhin bessere Bedingungen zubilligen, als sie Insassen amerikanischer Gefängnisse heute haben - etwa regelmäßige Anrufe in die Außenwelt, bei entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen.
Opfer-Täter-Stereotypen in Posterkampagne
Der Kriminologe und Psychiater verortet sein Beispiel zwanzig Jahre in der Zukunft. Dann sei die Wissenschaft so weit. In Nordamerika finden sich aber schon heute Anzeichen des Geschlechterkampfs. So diskutiert die Professorin für Englische Literatur an der University of Ottawa, Janice Fiamengo, eine Kampagne gegen sexuelle Straftaten.
Unter der Überschrift "Don't Be That Guy" fertigte eine Opferschutzvereinigung in Edmonton, der Landeshauptstadt des Bundesstaats Alberta in Kanada, in Zusammenarbeit mit der Polizei eine Reihe von Aufklärungspostern an. Die Poster basieren - mit einer Ausnahme über zwei Schwule - jeweils auf dem Stereotyp "Opfer sind Frauen" und "Täter sind Männer".
So wird der männliche Adressat ("That Guy") darüber informiert, dass, nur weil eine Frau betrunken ist, sie nicht automatisch Sex haben wolle; oder weil sie nicht nein sage, würde sie nicht automatisch ja sagen; oder dass es kein Sex sei, wenn sie das nicht wolle. Die Darstellungen assoziieren nicht nur allgemein Männer mit sexuellen Straftaten, sondern nehmen Frauen generell aus der Verantwortung. Damit gehen sie wesentlich weiter als die "Nein heißt nein"-Kampagne.
Reaktion von Männern wird kriminalisiert
Fiamengo, die sich in einem Videoblog kritisch mit feministischen Standpunkten auseinandersetzt und darum auch schon von Aktivistinnen und Aktivisten am Reden gehindert wurde, erwähnt eine Gegenkampagne der Gruppierung Men's Rights Edmonton. Diese fertigte Varianten der ursprünglichen Poster mit dem Slogan "Don't Be That Girl" an. Auf einem sieht man eine Frau, die in einer Bar einen Cocktail trinkt. Darunter steht der Text: "Bloß weil du einen One Night Stand bereust, heißt das nicht, dass du nicht zugestimmt hast."
Diese Anspielung auf falsche Beschuldigungen bei Vergewaltigungen zog viel Kritik von Politikern, Polizisten und Journalisten auf sich. Ein Kandidat für das Bürgermeisteramt nannte die Poster moralisch unvertretbar, verwerflich und verächtlich. Viele andere sahen darin eine Bestätigung einer "Rape Culture", also einer Kultur, in der Vergewaltigungen allgegenwärtig und normal sind.