Kann EU-Kritik nur rechts sein?
In der Folge des AfD-Parteitags am Wochenende haben sich alle wieder an der Rechtspartei abgearbeitet. Davon profitiert der starke Staat. Warum Linke nun ihr Profil schärfen müssen.
Der Europaparteitag der AfD am Wochenende in Magdeburg war für die Rechtsaußenpartei ein Erfolg. Dass lag nicht etwa an Inhalt und Regie. Tatsächlich fand mit der Wahl der Rechtsaußen-Kandidaten eher eine politische Verengung auf den rechten Rand statt. Zudem war die Atmosphäre des Parteitags längst nicht so gelöst, wie es die Strategen der AfD nach außen vermitteln.
Mögen auch mit dem Erfolg des rechten Flügels die innerparteilichen Kämpfe um Positionen keine so große Rolle mehr spielen, so gibt es doch weiterhin Kämpfe um lukrative Posten. Deshalb dauerte die Kandidatenkür auch so lange – und man hat am letzten Wochenende gerade mal 15 Plätze gewählt.
Es sollte nicht vergessen werden, dass in den letzten Jahrzehnten sämtliche Rechtsaußenparteien wie NPD, DVU oder Republikaner nicht in erster Linie an inhaltlichem Streit zugrunde gegangen sind – und auch nicht an staatlichen Eingriffen, wie es rechte Verschwörungsideologen gerne behaupten. Der Begriff "Intrigantenstadl" trifft es eher: Die Parteien zerstritten sich an Querelen über Personalien und im Kampf um lukrative Posten.
Solche Mechanismen spielen schon jetzt in einer gefühlten Aufschwungphase bei der AfD eine Rolle, wie das quälende Wahlprozedere am Wochenende zeigte. Wenn die gefühlte oder reale Abschwungphase kommt, also die prognostizierten Umfragewerte zurückgehen, werden die Konflikte wachsen, denn dann sind schließlich weniger lukrative Posten zu verteilen.
Machtzuwachs für Verfassungsschutz und starken Staat
Doch über die vielleicht gar nicht so glorreichen Perspektiven der AfD wird nach dem Magdeburger Europaparteitag kaum geredet. Vielmehr wird die Erzählung der AfD weiter verbreitet, dass sie jetzt endgültig zur Volkspartei geworden ist. Dass sorgt bei den vielen Gegnern der AfD verständlicherweise für Besorgnis.
Aber statt sich zunächst zu vergegenwärtigen, dass Umfragewerte noch längst keine Wahlergebnisse sind und dass noch immer auch im Osten eine große Mehrheit der Bevölkerung die AfD nicht wählt, wird teilweise der Eindruck erweckt, wir würden uns heute mindestens im Jahr 1930 befinden, also höchstens drei Jahre vor einer ultrarechten Regierung.
Dann wird schon mal Zuflucht zum starken Staat gesucht, der das angeblich verhindern soll. Das zeigte sich auch in der Deutschlandfunk-Sendung "Kontrovers", wo der SPD-Politiker Wolfgang Thierse, der Grünen-Politiker Sebastian Striegel und der konservative Vorsitzende der CDU-Grundwertekommission, Andreas Rödder über den Umgang mit der AfD diskutierten.
Ein Streitpunkt war dabei die Rolle des Verfassungsschutzes und seines Präsidenten, der den Magdeburger AfD-Parteitag sofort ausgiebig kommentiert hatte: Dort seien Verschwörungstheorien verbreitet worden; und der Ablauf des Parteitags habe einmal mehr gezeigt, dass die AfD eine gesichert rechtsextreme Partei ist. Doch es ist ein Unterschied, ob solche Positionierungen von den parteipolitischen oder zivilgesellschaftlichen Gegnern der AfD geäußert werden, oder ob sie von einem repressiven Staatsorgan wie dem Inlandsgeheimdienst kommen.
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In der Deutschlandfunk-Sendung war es der Konservative Andreas Rödder, der problematisierte, dass der Verfassungsschutz hier politisch Stellung bezieht und damit eine Oppositionspartei ins Visier nimmt. Es war Rödder. der darauf hinwies, dass hier der Verfassungsschutz eindeutig seine Kompetenzen überschreite. Es wäre natürlich interessant gewesen, zu erfahren, ob Rödder dieses Urteil auch wiederholen würde, wenn der Verfassungsschutz Teile der Klimabewegung als extremistisch und kriminell brandmarkt.
Aber diese Frage stellte weder Wolfgang Thierse noch Sebastian Striegel. Beide verteidigten vielmehr das Agieren des Verfassungsschutzes. Hat Striegel schon vergessen, dass seine Partei einst aus guten Gründen die Abschaffung des Verfassungsschutzes forderte – und dies noch einmal bekräftigte, nachdem klar wurde, wie der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) unter fürsorglicher Belagerung des Verfassungsschutzes über Jahre hinweg in ganz Deutschland hatte morden können.
Doch es gab schon vorher genügend Gründe, diesen demokratiefeindlichen Inlandsgeheimdienst abzuschaffen. Wenn dann die gefühlten Erfolge der AfD mit dazu beitragen, dass Liberale und gar Linke keine Einwände mehr gegen den Verfassungsschutz haben, ist das kein Antifaschismus, sondern ein Sieg für den starken Staat.
Den aber fordert auch die AfD und will ihn natürlich gegen all ihre Gegner in Stellung bringen. Man braucht nur beobachten, wie die AfD, da wo sie Macht hat, gegen antifaschistische Initiativen in den Kommunen vorgeht, um zu sehen, dass die AfD – wie alle Rechtsparteien – eine Partei des starken Staates und der Repression ist. Wenn Linke und Linksliberale aus Angst vor den Rechten nun selbst das Agieren des Verfassungsschutzes verteidigen und sogar noch mehr Kompetenzen fordern, ist das keine Stärkung der Demokratie, sondern des starken Staates.
Ist EU-Kritik verfassungsfeindlich?
Das zeigen auch die Reaktionen nach dem Europaparteitag der AfD. Da wurde gleich jede grundsätzliche Kritik an der EU als verfassungsfeindlich bezeichnet. Das kann auch Linke betreffen, die sich noch daran erinnern können, dass Kritik an der EU zu ihren Kerngeschäft gehört. Noch vor weniger als 20 Jahren gab es viele Veranstaltungen, auf denen eine linke EU-Kritik diskutiert wurde, die nichts von ihrer Dringlichkeit eingebüßt hat.
Vor allem wurde darauf hingewiesen, dass die EU ein Instrument eines wieder erstarkten Deutschland des Kapitals und der Konzerne ist. Diese Deutsch-EU zeigte 2015 mit der Durchsetzung eines Spardiktats gegen das demokratische Votum der griechischen Bevölkerung ihr undemokratisches Gesicht.
Mit ihrer Abschottungspolitik gegenüber Flüchtenden und Armutsmigranten im Mittelmeer setzt die EU schon längst um, was die AfD auf ihrem Parteitag martialisch als Festung Europa fordert. Eine linke Antwort auf die EU-Praxis und ihre rechten Kritiker darf aber keine Verteidigung des Status Quo sein, sondern die Vernetzung der widerständigen Bewegungen in Europa – nicht nur im EU-Raum. Wo bleiben die europaweiten Kämpfe gegen Lohndumping, gegen Natur- und Klimazerstörung, für die Rechte von Geflüchteten und Migranten?
Das wäre eine linke Antwort auf die rechte EU-Kritik und würde auch die Aufmerksamkeit von der AfD weg auf linke Alternativen lenken. Der Vorschlag des Linken-Parteivorstands zur Nominierung der Seenotretterin und Klima-Aktivistin Carola Rackete als Spitzenkandidatin zur EU-Wahl war ein guter Ansatz für eine solche eigenständige Formierung – und hat auch für einige Tage medial Aufmerksamkeit erregt.
Sie wurde von den Rechten sofort zum Feindbild erklärt – und auch das sozialkonservative "Was tun"-Netzwerk bei der Linken macht gegen sie mobil. Allerdings müsste die gesellschaftliche Linke auch bereit sein, wieder Konflikte zu führen – nicht nur mit den Rechten, sondern auch mit den Staatsapparaten. Schließlich gehört zur historischen Wahrheit auch, dass Faschisten nie gegen, sondern nur in Kooperation mit den Staatsapparaten an die Macht gekommen sind.
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