Kann man Ausreisevorbereitungen ins Kalifat tatsächlich mit dem Kauf eines Hammers vergleichen?
Die neuen Pläne von Justizminister Maas gehen an die Grenze dessen, was das Grundgesetz erlaubt - aber nicht darüber hinaus
Am Mittwoch verabschiedete das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur "Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten". Er ist kein reines Produkt des Gestaltungswillens der Bundesregierung, sondern setzt die am 24. September 2014 verabschiedete UN-Sicherheitsrats-Resolution Nummer 2178 um, die die Mitgliedsstaaten in Punkt 5a verpflichtet, sicherzustellen, dass Personen, die "in einen anderen Staat reisen, oder zu reisen versuchen, […] um terroristische Handlungen zu begehen, zu planen, vorzubereiten oder sich daran zu beteiligen oder Terroristen auszubilden oder sich zu Terroristen ausbilden zu lassen […] strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden können".
Der Entwurf will dieser internationalen Verpflichtung gerecht werden, indem er an den Terrorismusparagrafen 89a des deutschen Strafgesetzbuchs (StGB) einen Absatz 2a anfügt. In diesem Absatz 2a wird die Strafandrohung für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat auf Personen ausgedehnt, die es "unternehmen, zum Zwecke der Begehung einer [solchen] aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem [terroristische] Unterweisungen von Personen erfolgen".
Heribert Prantl kritisierte das in der Süddeutschen Zeitung etwas reflexhaft als Bestrafung eines "an sich neutralen Vorgangs", den er mit dem Kauf eines Hammers in einem Baumarkt verglich. Wie er selbst die UN-Resolution umgesetzt hätte, sagt er nicht.
Sicherlich: Der Nachweis von Verstößen gegen die neue Vorschrift wird von den Behörden nicht leicht zu erbringen sein. Und die Rechtswissenschaft wird Mühe haben, Kriterien zu entwickeln, die verhindern, dass grundgesetzwidrig gegen Personen wie Jürgen Todenhöfer ermittelt wird, die in solche Gebiete reisen, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass dort der Massenmord an Hunderten Millionen Menschen geplant wird. Aber es wird wahrscheinlich auch Fälle von Salafisten geben, die dumm genug sind, ihre Absichten in Social-Media-Netzwerken kundzutun und die dann schon beim Kauf eines Flugtickets oder einer Busfahrkarte davon abgehalten werden können, in Syrien lebende Menschen anzuzünden und ihnen vier Minuten lang beim Verbrennen zuzusehen.
Die nach Verabschiedung des Entwurfs angedrohten zehn Jahre Haft könnten sich allerdings kontraproduktiv auswirken, wenn die Täter in regulären Gefängnissen Gelegenheit bekommen, Rekruten für den Dschihad zu werben. Neuere Erkenntnisse aus Frankreich und England zeigen, dass diese Gefahr nicht nur eine Fantasie aus US-Fernsehserien, sondern ganz real ist. Ob man hier mit traditionellen sozialpädagogischen Methoden weiterkommt, ist fraglich.
Der zweite Bereich, in dem der Gesetzentwurf das deutsche Strafrecht ändert, ist das "Bereitstellen oder Sammeln" von Geld für terroristische Straftaten, das Nummer 5b der UN-Resolution anspricht. Das soll ein neuer Paragraf 89c unter Strafe stellen. Der ist recht lang und kompliziert geraten, weil er sehr detailliert regelt, um welche Straftaten es dabei konkret geht. Neben Mord, Geiselnahme und Erpressung sind dies unter anderem Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und gegen den Paragrafen 330a (Schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften). Dass solche Terrorfinanzierung auch bestraft werden kann, wenn sie im Ausland verübt wird, ist angesichts der Verflechtungen des internationalen Dschihadismus ausgesprochen sinnvoll.
Die Erläuterungen zum Entwurf deuten darauf hin, dass das Bundesjustizministerium unter Heiko Maas etwas sorgfältiger arbeitet als unter Brigitte Zypries. Vielleicht sind es aber auch nur Änderungen seiner direkten Vorgängerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die unter ihm weiterwirken. In jedem Fall hat man sich im Ministerium zum Beispiel Gedanken dazu gemacht, dass "allein neutrale Reisevorbereitungen wie der Erwerb von Reiseutensilien" im Regelfall "nicht für die Anordnung von Maßnahmen nach den §§ 100a [Überwachung und Aufzeichnung von Telekommunikation], 100c [akustische Wohnraumüberwachung] und 111 StPO [Kontrollstellen auf Straßen und Plätzen]" ausreichen werden.
Insofern wirken Äußerung des Bundesjustizministers zum Augenmaß in seinem aktuellen Entwurf durchaus weniger phrasenhaft als die seiner Vor-Vorgängerin Zypries. Ob Maas es tatsächlich ernster meint als sie, wenn er sagt, die "Antwort auf den Terror [dürfe] niemals dazu führen, dass wir unsere Grundrechte und unseren Rechtsstaat nachhaltig beschneiden", weil das genau das wäre, was die Terroristen wollen, das wird sich möglicherweise dann zeigen, wenn die EU-Kommission eine neue Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vorlegt. Deren Umsetzung als Speicherung der Kommunikationsdaten aller Bürger (und nicht nur derjenigen von Terrorverdächtigen) würde nämlich - anders als der nun vorgelegte Gesetzentwurf - wenig gegen Terror helfen, aber dafür Bürgerrechte unverhältnismäßig einschränken.
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