Kanzler ist, wenn man trotzdem lacht

Bild (Ausschnitt eines Fotos vom März 2022): Finnische Regierung; Flickr. Lizenz: CC BY 2.0

Knapp anderthalb Jahre nach #Laschetlacht beschenkt der "Cum-Ex-Kanzler" sein Volk mit einer Neuauflage Sozialkabarett. Aber natürlich wird Olaf Scholz deshalb nicht vom Kanzler zum Gecancelten. Eine Glosse.

Wer lacht, ist im Vorteil. Lachen lässt die Last vergessen und spendet Trost in tristen Zeiten. Dumm nur, dass einem gerade dann am wenigsten zum Lachen zu Mute ist, wenn man knietief in der – sagen wir hier mal: Krise – steckt. Aber der Humor ist schon selbst auch eine komische Kreatur, oder? Oder glauben Sie nicht, dass wir erst einmal herzhaft lachen werden, wenn uns die neuen Gas- und Stromrechnungen ins Haus flattern?

Klar, je absurder desto lächerlich. Das wusste schon der alte Komiker aus Königsberg:

Es muß in allem, was ein lebhaftes, erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein (woran also der Verstand an sich kein Wohlgefallen finden kann).

Immanuel Kant

Der Widersinnigkeiten hätten wir ja mehr als genug. Sanktionen, von denen niemand weiß, ob sie wirken, Pazifisten als Kriegsverbrecher, Meinungsfreiheit bei medizinischen Fehleinschätzungen. Mit der Masse an Material müssten wir eigentlich befürchten, dass uns das Lachen gar nicht mehr vergeht.

Gut, dass bei den meisten nach der Reaktion auf die Realsatire wieder der Realitätssinn einsetzt und wir uns nicht gemeinsam in die Geschlossene lachen. In unseren wilden 2020ern ist lachen nämlich nicht nur gesund, sondern auch gefährlich.

Wenn Lachen Wahlen entscheidet

Wer weiß das besser als der ehemalige Kanzlerkandidat aus der Karnevalshochburg? Armin Laschet (CDU) hatte sich am 17. Juli 2021 bekanntlich im zerstörten Ahrtal blicken lassen und sich standesgemäß-symbolisch betroffen gegeben.

Fast noch tragischer als die nach dem Abebben des öffentlichen Interesses vernachlässigte und weiterhin andauernde katastrophale Situation der Ahrtal-Bewohner muss Laschet im Nachhinein sein Auftritt bei der berüchtigten Pressekonferenz vorgekommen sein. Der "Wendepunkt des Wahlkampfs", wie der Bayrische Rundfunk drei Monate danach titelte.

Gelacht hatte Laschet damals übrigens über – und sollten Sie anfällig für Humor im oben angeführten kantschen (Wider-)Sinne sein, müssten Sie jetzt eigentlich aus allen Nähten platzen – das nicht standesgemäße Verhalten des Landrats des Rhein-Erft-Kreises, Frank Rock. Der hatte Steinmeier nämlich nicht als Bundespräsidenten, sondern nur mit seinem bürgerlichen Nachnamen angesprochen. Und entgegnete auf Laschets Rüge dann: Er habe ja nicht gewusst, dass der "auch so klein ist wie du".

Mäßig lustig, dafür aber umso ärgerlicher. Dabei hatte Laschet mit dem Scholz-O-Maten doch wahrlich keinen unbezwingbaren Gegner in der Disziplin der öffentlichen Empathiebekundung. Danach war es das mit Laschet. Aserbaidschan- und Maskenaffäre hätte die Union mit Gegenkampagnen vielleicht noch wegstecken können, aber das fehlende Virtue Signalling schickte den ganzen Verein dann vollends auf die Bretter.

Es wäre aber nicht das Jahr 2022 und Deutschland nicht unter den Spitzenreitern im internationalen Wettbewerb der Widersinnigkeiten, wenn ein deplatziertes Lachen im einen Fall Wahlen entscheidet und im anderen lediglich für Lacher sorgt. Aber lassen Sie uns dafür nochmal tief in die Kicherkiste greifen.

Shitstorm-Flaute bei Scholz

Kennen Sie den? Kommt ein Kanzler zum Bürgerdialog und wird auf die hohen Energiepreise angesprochen, die gerade die Existenzen von Bäckern und anderen Betrieben gefährden. Und dann so:

Neulich kam jemand zu mir und sagte: "Herr Scholz, ich habe meinen Elektro-Ofen gerade auf einen Gas-Ofen umgestellt" [lacht]. Und da wusste ich gar nicht, wie traurig ich gucken sollte."

Tusch. Brüller, oder?

Nein? Ja okay, der Reaktion des Publikums nach zu urteilen fand das auch nur genau eine Person im Raum lustig, und zwar der "Herr Scholz". Aber so ein Bürgerdialog ist ja auch zum Lachen da, und deshalb wollen wir jetzt auch gar nicht zu ernst damit umgehen.

Spaßbremsen würden jedenfalls sagen: Hier kichert der mächtigste Amtsträger Deutschlands über die schiere Dramatik der Existenznöte seiner Bevölkerung. Schön blöd auch, wenn die glaubt, Gas sei nachhaltig und klimafreundlich (der EU und der SPD zum Beispiel).

Aber gut, vielleicht war das Lachen des Kanzlers eben ein Lachen im Kantschen Sinn, eine Reaktion auf die Absurdität der Situation. Das werden zumindest die Unterwerfungspazifisten unter uns sagen – so nennt man ja heute die Leute, die Konflikte möglichst diplomatisch bereinigen wollen.

Andererseits muss man ja nicht erst mit Wirecard und dem Cum-Ex-Steuerbetrug wedeln, um Belege dafür zu finden, dass die Belange der Bevölkerung oft nicht ihren Weg in die oberen Etagen finden. Vielleicht wird das auch schon deutlich, wenn die Betroffenen zum Beispiel gar nicht wissen, was eigentlich so ein Liter von diesem "Sprit" kostet – oder wie dieser Gasmarkt eigentlich funktioniert, aber darum geht es ja hier nicht.

Olaf Scholz dürfte man jedenfalls mit einem Gehalt von rund 30.000 Euro im Monat ruhigen Gewissens – wie es seinerzeit Friedrich Merz in einer legendären Geste der Selbstabsolution getan hat – zur "gehobenen Mittelschicht" zählen. Vielleicht leidet unter dieser Distanz zum Bäcker (der im Bürgerdialog das fragende Gegenüber war) dann doch ein bisschen die (wenn auch nur rudimentär vorhandene) Empathie. Wegen steigender Energiepreise muss unter den Top-Verdienern jedenfalls niemand seinen Hut nehmen.

Es sei denn, es bricht ein Shitstorm von der Größenordnung Laschet über sie herein. Aber mit einer veröffentlichten Meinung, die ihre Lieblinge so sehr in Schutz nimmt und ihre Feinde so unbarmherzig ans Messer liefert, können Scholz and Friends über ein solches Szenario wohl nur – lachen.