Katar, der Regenbogen und die Profis
Seite 2: Profis gehen voran
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Gewinner der EM 2021 waren ganz eindeutig die Spieler und Trainer, die den UEFA-Slogan "Respect!" tatsächlich lebten. Im Gegensatz zu den UEFA-Funktionären. Auch und gerade untereinander. Dies begann mit dem lebensgefährlichen Zusammenbruch von Christian Eriksen - ein weiteres Thema, bei dem der europäische Verband eine traurige Rolle spielte.
In der Vergangenheit galt: Politik hat im Fußball nichts zu suchen! Nein, nicht ganz: Politische Äußerungen blieben den Funktionären vorbehalten, die auch Politiker sein durften. Die Spieler sollten ihre Klappe halten, sich auf das Fußballspielen konzentrieren. Die britische Tory-Politikerin Natalie Elphicke sieht dies noch immer so. In einer WhatsApp-Nachricht schrieb die Unterhausabgeordnete, Marcus Rashford hätte sich lieber auf den Fußball konzentrieren sollen, anstatt sich für kostenlose Schulmahlzeiten für finanziell schwache Familien einzusetzen.
Elphicke hatte nicht verwunden, dass der 23-jährige Stürmer von Manchester United die Regierung in dieser Frage vor sich hergetrieben hatte - erfolgreich. Zuvor hatte sich Rashford bereits für Obdachlose engagiert.
Ein DFB-Boss durfte einst die Militärdiktatur in Argentinien loben, aber "seine" Spieler hatten sich von Amnesty International fernzuhalten. Der FAZ-Herausgeber Joachim Fest porträtierte den DFB-Vorsitzenden Hermann Neuberger als "ambitiösen Provinzkönig, dessen Gängelungsgelüste den Spielern noch vorschreibt, welche Socken und Pullover sie außerhalb des Spielfelds zu tragen haben." Und Neuberger ließ wissen: "Spieler sind zu ersetzen, Funktionäre nicht." Sein Idealbild vom Profi war das eines unmündigen Leibeigenen von Vereins- und Verbandsfunktionären, der gefälligst zu spuren hatte.
Moderne Zeiten
Diese Zeiten sind vorbei. Wir werden zu Zeugen einer äußerst spannende Entwicklung, die das Potenzial hat, die im internationalen Fußball herrschenden Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. In England sind junge Spieler für die Regierung von Boris Johnson eine größere Herausforderung als die Labour-Opposition. Für Johnson ist die englische Nationalmannschaft ein Alptraum. In ihrer Kritik am Premierminister und seiner Innenministerin Priti Patel, die sich zunächst mit Rücksicht auf ihre Brexit-Wählerschaft weigerten, den Rassismus gegen schwarze Spieler zu verurteilen, nahm sie kein Blatt vorm Mund und versetzte damit die Regierungspartei in helle Aufregung.
England hatte das Finale gegen Italien im Elfmeterschießen verloren. Drei schwarze Akteure hatten nicht getroffen - zur Freude der Rassisten. Johnson und Patel verurteilten den Rassismus, der nun über Fehlschützen schwappte - doch hierfür war es nun zu spät. Der schwarze Nationalspieler Tyrone Mings bezichtigte Patel der Heuchelei: "Man kann nicht zu Beginn des Turniers das Feuer schüren, in dem man unsere Anti-Rassismus-Botschaft als ‚Symbolpolitik‘ bezeichnet und dann vorgeben, angeekelt zu sein, wenn genau das passiert, gegen das wir uns einsetzen."
Klügeren Konservativen dämmert mittlerweile, dass sie in der Auseinandersetzung mit den Männern (und Frauen) in kurzen Hosen den Kürzeren ziehen könnten. Alles, was sich die Regierung von diesem Turnier erhofft hat, ist nicht eingetreten. Es wurde nicht nur von den Italienern durchkreuzt, sondern auch von der eigenen Mannschaft, die sich nicht politisch vereinnahmen ließ, sondern Widerspruch äußerte.
Das Spiel der Spieler
Die Spieler äußern sich heute eigenständig und auch außerhalb der offiziellen Kampagnen ihrer Verbände. Es bedarf keines grünen Lichtes von oben. Sie organisieren ihre eigenen Kampagnen. Erleichtert wird dies durch die Existenz von Social Media.
Was die WM 2022 in Katar anbelangt, so äußerte sich diese Entwicklung erstmals im Frühjahr 2021, als einige Nationalmannschaften - namentlich die norwegische und die deutsche - den Auftakt der WM-Qualifikation zum Anlass nahmen, die Einhaltung der Menschenrechte anzumahnen. Katar wurde zwar nicht explizit genannt, aber der Zusammenhang war klar. Bei der EM wurde nun für Diversität und gegen Rassismus demonstriert.
Bei der WM 2018 präsentierter sich die deutsche Nationalelf hilflos und verdruckst, als ihre Mitspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan rassistisch angegangen wurden. Bei der EM 2021 war ihre Performance besser. Kapitän Manuel Neuer trug eine regenbogenfarbene Binde. Des Weiteren beteiligte sich die Mannschaft am Kniefall-Protest gegen Rassismus.
Bereits 1965 wurde die internationale Spielervertretung Fédération Internationale des Associations de Footballeurs Professionnels (kurz FIFPro) gegründet, auf Initiative der englischen, schottischen, französischen, italienischen und niederländischen Spielerverbände. In den Fokus der Öffentlichkeit ist die FIOFPro aber erst in den letzten Jahren geraten. Heute gehören ihr mehr als 50.000 Profis und 65 nationale Spielergewerkschaften an. Ursprünglich in erster Linie ein Zusammenschluss der nationalen Spielerbände, vernetzen sich heute Profis aus unterschiedlichen Ländern und Ligen selber.
Im Global Player Council der FIFPro sitzen u.a. Kevin, Trapp, Neven Subotic, Italiens Kapitän Giorgio Chiellini und Vincent Kompany. Zehn der 20 Council-Mitglieder, also die Hälfte, sind Spielerinnen. Menschenrechte, Diversität und Rassismus stehen weit oben auf der Agenda der FIFPro, die sich nun verstärkt auch der Situation der Arbeitsmigrant:innen in Katar widmen will.
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