Kein Blankoscheck für den neuen Präsidenten von Mali

Seite 2: Geringe Sympathien für Cissé

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Viele Haushalte in der malischen Hauptstadt bekunden ihre Sympathien diesbezüglich ohnehin offen, indem sie Plakate ihres Favoriten in den Eingangsbereich kleben. Ähnlich halten es viele Taxifahrer, die Aufkleber auf dem Armaturenbrett oder dem Rückfenster befestigten. Relativ schwer war es allerdings, in den ärmeren Stadtteilen von Bamako wie Niamakoro auf Sympathiebekundungen für Präsidentschaftskandidat Soumalïa Cissé zu treffen: In den zehn Tagen vor der Stichwahl war ein Aufkleber für "IBK" in etwa jedem dritten benutzten Taxi zu finden, solche seines Gegenkandidaten fehlten jedoch in unserer Stichprobe.

Die Motorrollerfahrten sind ergiebiger: Am Tage des Tages treffen wir am Donnerstag Abend im Stadtteil Daoudabougou jedenfalls auf einen Sympathisanten von Soumalïa Cissé. Ein pensionierter Drogenpolizist bewohnt einen typischen Innenhof mit Nutztieren, wie sie in Bamako üblich sind. Polizisten sind in dem westafrikanischen Land eher relativ arm und gelten in breiten Kreisen als "Söhne des Volkes".

Die Drogenfahndung ist ihrerseits kein unbedeutender Zweig: Mali gilt zwar kaum als Konsumentenland für Drogen, aber als wichtiges Durchgangsland für Kokain auf seiner Route von Südamerika über die westafrikanischen Küstenstaaten Guinea oder Guinea-Bissau in Richtung Mittelmeerraum.

Dass die alten oligarchischen Eliten, die bis 2012 unbestritten das Land führten, aus wirtschaftlichem Gewinninteresse heraus in diese mafiösen Handelsnetzwerke verstrickt waren, trug mit zur dann eingetretenen Staatskatastrophe ein: Da Warlords aus den Reihen der Tuareg, die phasenweise mit den Dschihadisten kooperierten, ebenfalls eine wichtige Rolle im transnationalen Drogen-Transithandel spielen, hielt Altpräsident "ATT" (Amadou Toumani Touré, 2002 bis 2012) jahrelang seine schützende Hand über sie.

Gegenüber drängender werdenden Nachfragen aus Frankreich oder dem Nachbarland Algerien, was er gegen die Dschihadisten zu tun gedenke, antwortete er stets, es gebe kein Problem und er habe "alles unter Kontrolle". Dies ist einer der Gründe dafür, warum viele Malier sich von der alten Staatsmacht verraten fühlen und mit der Oligarchie politisch abrechnen möchten. Darüber ist sich "unser" Drogenpolizist auf Rente mit den meisten seiner Landsleute weitgehend einig.

Sitz der linken malischen Partei SADI. Foto: Bernard Schmid

Bei ihm hängen Plakate von Soumalïa Cissé. Es ist das erste Mal, dass ich auf eine solche Meinungsbekundung treffe, in den bislang besuchten Haushalten waren - sofern die politische Neigung demonstrativ bekundet wurde - eher "IBK"-Plakate zu sehen. Der Cissé-Wähler fühlt sich vom "wirtschaftlichen Sachverstand" seines Präsidentschaftsfavoriten anzogen: Er könne das Land zu mehr Wohlstand führen, meint er, und werde Korruption und népotisme (Vetternwirtschaft) bekämpfen. In seinen Augen spricht die Vergangenheit des 63jährigen als Wirtschaftsminister in den neunziger Jahren und als Kommissionspräsident der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) von 2004 bis 2011 für seine Fähigkeiten.

Eine deutliche Mehrheit der Menschen, die ich in Bamako traf, sieht dies anders. In ihren Augen belegen die bislang von Soumalïa Cissé ausgeübten Funktionen, und seine persönliche Bilanz dabei, im Gegenteil eher seine Zugehörigkeit zur alten Oligarchie. In ihren Augen betrieb er nicht nur eine Politik vorwiegend für die Reichen, sondern war er durch seine Nähe zu Ex-Präsident "ATT" - der ihn auf seinen letzten Posten hob - auch in die Genese der Staatskrise von 2012 verwickelt. Im Südwesten von Mali weist Cissé unterdessen, aufgrund politischer Allianzen, einige regionale Hochburgen etwa in den Regionen von Kayes und Ségou auf.