Kein Blankoscheck für den neuen Präsidenten von Mali

Seite 3: Bruch mit der Vergangenheit?

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In vielen Augen, gerade in den ärmeren und mittleren sozialen Klassen, ist es eher "IBK", den man aufgrund seiner Vergangenheit wahlweise als vertrauenswürdig oder zumindest als das famose "kleinere Übel" - mit dem auch in Mali politische Entscheidungen begründet werden - betrachtet.

Der 68jährige Keïta war von 1994 bis 2000 Premierminister des Landes, damals unter dem Vorgänger von "ATT" als Präsident, also unter Alpha Oumar Konaré - dem ersten demokratisch gewählten Staatsoberhaupt nach dem Sturz der von 1968 bis 1991 herrschenden Militärdiktatur unter Moussa Traoré durch eine Jugendrevolte.

Der Name dieses ersten Präsidenten der malischen "Dritten Republik" wird jedoch auch mit einer Privatisierungswelle unter dem Druck des Internationalen Währungsfonds, zahlreichen vernichteten Arbeitsplätzen und dem Beginn der Korruption in Verbindung gebracht. "IBK" verstand es demgegenüber, einen vergleichsweise "sauberen" Eindruck im Umgang mit den öffentlichen Finanzen und einer geringen persönlichen Korrumpierbarkeit zu hinterlassen.

2002 trat er als Gegenkandidat zum damals gewählten Staatschef "ATT", aber auch - damals schon - gegen Soumalïa Cissé zur Präsidentschaftswahl an und landete hinter den beiden auf dem dritten Platz. In der Folgezeit amtierte er als Parlamentspräsident und war als solcher in die ersten fünf Jahre der "Ära ATT" verstrickt, konnte aber auf seinem Posten von der sichtbaren Korruption in den Ministerämtern relativ unberührt bleiben.

Seit 1999 war "IBK" ferner Vizepräsident der so genannten Sozialistischen Internationalen, welcher seine Partei "Sammlung des malischen Volkes" (RPM) angehört. Insbesondere in Afrikas, wo etwa auch die früheren Staatsparteien unter Ben Ali in Tunesien und Mubaraks in Ägypten der SI angegliedert waren, hat dies jedoch kaum eine inhaltliche Bedeutung.

"Vierte Republik"

Im diesjährigen Wahlkampf trat der - von dem französischen Werbeunternehmen Havas beratene - Kandidat "IBK" mit dem Versprechen an, eine "Vierte Republik" in Mali zu begründen, deren Konturen oft eher unscharf blieben. Die erste Republik war jene des sozialistisch und antikolonial inspirierten, auf "Blockfreiheit" pochenden Präsidenten Modibo Keïta von 1960 bis 1968, als zweite wird die nachfolgende Militärdiktatur mit französischer Unterstützung bezeichnet, und die dritte begann nach dem Aufstand von Ende März 1991.

Letztere hat heute in den Augen vieler Malierinnen und Malier total abgewirtschaftet. Aufgrund von Korruption, mafiösen Tendenzen und des Gefühls, durch die alte Elite gegen Warlords - mit letzteren wird in breiten Kreisen die separatistische und in den Trans-Sahara-Handel mit Drogen verstrickte Tuaregbewegung MNLA assoziiert - und Dschihadisten im Stich gelassen worden zu sein, wird ein Neuanfang allgemein erwünscht. Aus diesem Grund traf die Rhetorik des Kandidaten "IBK" auf ein relativ breites Echo.