Kein Blankoscheck für den neuen Präsidenten von Mali
- Kein Blankoscheck für den neuen Präsidenten von Mali
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Über Stock und Stein durch Bamako: Besuch in einem Land, das durch Dschihadisten in die Schlagzeilen geriet
Dass es so reibungslos laufen wird, hatten viele nicht vermutet. Anderthalb Jahre nach der Implosion des westafrikanischen Staates Mali, dessen Nordhälfte ab Anfang 2012 durch Dschihadisten besetzt wurde, und ein halbes Jahr nach der französischen Intervention ist die Präsidentschaftswahl in Mali gelaufen. Und zwar erstaunlich gut und mit hoher Stimmbeteiligung.
Am Donnerstag früh erklärte das Verfassungsgericht Malis den 68jährigen Ibrahim Boubacar Keïta - allgemein unter dem Kürzel "IBK" bekannt - zum Sieger. Er setzte sich in der Stichwahl mit 77,61 Prozent der abgegebenen Stimmen klar gegen seinen Herausforderer, den 63jährigen Soumaïlia Cissé (22,39 %) durch. Im ersten Wahlgang am 28. Juli waren fünfundzwanzig weitere KandidatInnen, unter ihnen eine Frau, ausgeschieden.
Rekordbeteiligung
Die mit Abstand wichtigste Zahl aber war jene, die die Wahlbeteiligung anzeigt. Zuerst wurde sie für den ersten Wahlgang mit 53,5 Prozent angegeben, später im amtlichen Endergebnis dann mit 49 Prozent. Da anscheinend alle Wahlbüros pünktlich um 18 Uhr schlossen, konnten im ersten Wahlgang mancherorts einige Stimmwillige gar nicht mehr wählen, da sie wegen des großen Andrangs zu lange warten mussten. Im zweiten Wahlgang lag sie, unter anderem aufgrund tropischer Regenfälle am vergangenen Sonntag, und da viele das Rennen bereits gelaufen glaubten, leicht darunter und wird mit 45,7 Prozent angegeben. Sei es wie es sei: Es handelt sich um einen Rekordwert in dem Land.
Bei der letzten Präsidentschaftswahl Malis im Jahr 2007 gingen nur 26 Prozent der Stimmberechtigten hin. Und damals war die Praxis des Stimmenkaufs relativ verbreitet. Letzterer funktioniert etwa so, dass fertig ausgefüllte Stimmzettel vorab verteilt werden und ihre Verwendung dadurch kontrolliert wird, dass man den Mitmachwilligen ihre unbenutzten leeren Stimmzettel aus dem Wahlbüro - die sie dort die Tasche stecken mussten - draußen vor der Tür abnimmt.
Damals, vor sechs Jahren, erwartete niemand in Mali sich etwas vom Ausgang der Präsidentschaftswahl: Eine durch und durch korrupte Elite, eine oligarchische Führungsschicht, teilte sich die Pfründe der Macht. Deswegen kam es auch so wenig darauf an, dass manche sich auf die Praxis des Stimmenkaufs und -verkaufs einlassen wollten.
Allem Anschein nach ist diese Phase der allgemeinen politischen Gleichgültigkeit und Resignation vorüber. Die Besetzung einer riesigen Nordhälfte des Landes durch Dschihadisten und mit ihnen verbündete Tuareg-Separatisten seit Anfang 2012, die darauf folgende Staatskrise und dann die Intervention zu Anfang dieses Jahres habe viele Einwohner aufgerüttelt und den Wunsch nach einem politischen Neubeginn ausgelöst. Zahlreich waren die Malierinnen und Malier, die an diesen beiden Sonntagen vor ihre Tür gingen, um in einer der als Wahllokal dienenden öffentlichen Schulen abzustimmen.
Bamako heißt Minibusfahren
Aber vor allem Motorrollerverkehr. Wie in vielen Ländern der so genannten Dritten Welt sind VW-Busse, die als Sammeltaxis dienen, das wichtigste öffentliche Verkehrsmittel. Konkurrenz manchen ihnen die zahlreichen knallgelben Taxis, vor allem aber eine Armee von Motorrollern. Aufgrund einer chinesischen Exportoffensive sanken im Lauf des vergangenen Jahrzehnts die Preise für die Fahrzeuge. Gefahren wird mit oder ohne wehender Kopfbedeckung, mit oder ohne Kind im Tragetuch auf dem Rücken oder vorne auf dem Lenker. In 97 Prozent aller Fälle ohne Sturzhelme. Dennoch sind Unfälle allem Anschein nach selten.
Wegen des zweieinhalbtägigen Fests zum Ausgang des Ramadan heizen auch meine Gastgeber und ich zwei Tage lang durch die Viertel von Bamako. An diesem Tag geht es ihnen darum, möglichst viele Familien- und Freundesbesuche zu absolvieren: Am Festtag zum Ausgang der Fastenzeit muss man sich treffen, sei es auch nur kurz, und um Verzeihung für alle bösen Taten aus dem vergangenen Jahr bitten.
Gruppen von Kindern beiderlei Geschlechts sind unterwegs und sagen Verse dazu auf, allerdings eher mit dem Hintergedanken an das dafür lockende Kleingeld. Und so geht es über Stock und Stein - welche man auf dem Motorroller ordentlich spürt, wenn es über die rotstaubigen Stadtteilpisten geht -, quer durch Bamako. Ab und zu wird dabei auch über Politik gesprochen.