Kein Linksruck in Spanien, alles zurück auf Start
Die Umfragen und sogar die Hochrechnungen lagen völlig falsch, die rechte PP gewinnt, kann aber wegen der Verluste der neoliberalen Ciudadanos nicht regieren
Die Umfragen, sogar die Hochrechnungen auf Basis von Daten aus den Wahlbüros, haben sich als komplett falsch erwiesen. Die Auszählung der Stimmen bei den Wahlen in Spanien hat ein Ergebnis gezeigt, das den Hochrechnungen und Umfragen vollständig entgegensteht. Es gibt keinen Linksruck, in beiden großen Lagern hat sich seit den Wahlen im vergangenen Dezember kaum etwas verändert.
Für die rechte Volkspartei (PP) hat sich das Aussitzen gelohnt. Sie konnte gegenüber Dezember Sitze hinzugewinnen, doch das ging vor allem auf Kosten der rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger/Cs), die deutliche Verluste hinnehmen mussten. Sie sollen acht Sitze verloren haben. Nur in Katalonien und im Baskenland wurde die PP nicht stärkste Kraft.
Die Sozialdemokraten (PSOE) dürften ebenfalls fünf Sitze verloren haben, womit sie der große Wahlverlierer sind. Alles spricht nach Auszählung von 97% der Stimmen dafür, dass das Linksbündnis Unidos Podemos (Gemeinsam können wir es/UP) keines seiner Wahlziele erreicht hat, womit auch diese Koalition ein Wahlverlierer ist. Denn vom Siegeskurs, den die Umfragen vorhergesagt hatten, ist nichts mehr übrig (Spanisches Linksbündnis auf Siegeskurs). UP-Mitglieder wie die Kandidatin wie Sol Sánchez ("Das Land braucht einen wirklichen Wandel") oder die Europaparlamentarierin Tania Gonzalez hatten im Gespräch mit Telepolis sogar auf einen Wahlsieg gehofft.
Doch die prognostizierten klaren Zugewinne blieben aus. Podemos (Wir können es) und die Vereinte Linke (IU), die nun gemeinsam in Unidos Podemos (Gemeinsam können wir es) angetreten sind, kommen vermutlich mit 71 Sitzen genau auf die Zahl, die sie schon im Dezember geholt haben, als sie noch getrennt angetreten sind. UP kann demnach die PSOE nicht wie erwartet als zweitstärkste Kraft ablösen. Das gelingt weder in Stimmen noch in Sitzen.
Das bedeutet, dass der Plasma-Präsident Mariano Rajoy noch nicht definitiv am Ende ist, wonach es eigentlich schon seit einem halben Jahr aussah. Rajoy ist nicht nur Wahlsieger, sondern seine Partei hat trotz immer neuer Skandale als einzige Partei hinzugewinnen können. Dabei spielte das ungerechte Wahlgesetz natürlich genauso eine große Rolle wie die Tatsache, dass die Wahlbeteiligung deutlich geringer war. Sie lag mit knapp 69% fast 5 Punkte unter der vor sechs Monaten. Das spielt historisch in Spanien stets der PP in die Hände.
Das Problem von Rajoy ist aber weiter, dass er auch mit den neoliberalen Ciudadanos erneut nicht regieren kann. Und sogar die haben vor den Wahlen erneut klargemacht, dass sie Rajoy nicht unterstützen werden. Sie fordern eine Erneuerung in der Partei, die bis zur Halskrause in Korruptionsskandalen steckt.
Im Dezember war die PP um fast 16 Prozentpunkte abgestürzt und hatte die absolute Sitzmehrheit im Parlament verloren. Diesen Absturz konnte sie nun zu einem kleinen Teil wieder gutmachen. Damit hat sich die Lage von Rajoy etwas verbessert, der nach den Wahlen im vergangenen Dezember nicht einmal das Angebot des Königs angenommen hatte, der ihn mit der Regierungsbildung beauftragen wollte. Im Dezember wollte keine Partei die Korruptionspartei von Rajoy unterstützen. Das hat sich eigentlich nicht verändert.
Für den PSOE-Chef Pedro Sánchez bietet sich trotz der Verluste erneut die Chance, mit Unterstützung der Linkskoalition und anderen Linksparteien Regierungschef zu werden. Er ist noch einmal hinter das bisher historisch schlechteste Ergebnis seiner Partei im Dezember zurückfallen. Er könnte erneut die Flucht nach vorne versuchen, auch um seine Karriere zu retten, obwohl er der größte Verlierer dieser Wahlen ist. Er hätte die Möglichkeit, sich gegen den Wählerwillen statt in die Arme der Cs zu werfen, sogar in die der noch rechteren PP werfen, um mit ihr eine große Koalition zu bilden. Eine progressive Regierung des Wandels wäre das sicher nicht. Eine große Koalition mit der PP, mit oder ohne Cs, wäre eine Selbstmordstrategie, die Sánchez im Wahlkampf zudem ausgeschlossen hat.
Eigentlich spräche viel dafür, um einen dritten Wahlgang zu vermeiden, dass es zu einer Linksregierung zwischen UP und PSOE kommt, unter Unterstützung von linken Regionalparteien. Klar ist, dass es sich weder für die PSOE noch für die Cs ausgezahlt, mit ihrem Pakt zu versuchen, gemeinsam an die Regierung zu kommen. Vielen Cs-Wählern hat nicht gepasst, dass die Ciudanos mit den Sozialisten regieren wollten. Sie sind wieder zur PP zurückgewandert. Viele Wähler der Sozialdemokraten waren entsetzt, dass die PSOE Wahlversprechen in dem Pakt mit den rechten Cs über Bord geworfen hat. Viele von ihnen sind deshalb nicht zur Wahl gegangen, weil sie das Linksbündnis offenbar nicht wählen wollten.