Kein Wendland im Osten

Am Mittwoch startet der lang erwartete Castortransport Ost

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Knapp 350 Umweltschützer protestierten am vergangenen Sonntag im brandenburgischen Städtchen Rheinsberg gegen einen Transport von 4 Castor-Behältern mit radioaktivem Müll, der am Mittwoch aus dem 1990 stillgelegten AKW Rheinsberg ins Zwischenlager Nord (ZLN) im mecklenburgischen Lubmin fahren soll.

Für die regionalen AKW-GegnerInnen war die Demonstration ein Erfolg. Denn anders als in Gorleben drängt ein Großteil der Rheinsberger Bevölkerung ungeduldig darauf, dass der seit mehreren Jahren verschobene Castor-Transport Ost endlich stattfindet. Sie wollen die atomaren Altlasten so schnell wie möglich aus der Stadt haben. "Wenn man gegen Kernkraft ist, dann muss man auch für den Abbau sein, und nun gibt es von den Atomkraftgegnern auch dagegen wieder Proteste", wundert sich Rheinsberg Bürgermeister Manfred Richter (SPD), der sogar mit der alten Anti-AKW-Parole: "Der AKW-Standort soll wieder zur grünen Wiese werden" für den Transport wirbt.

Ähnlich argumentiert der Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern Wolfgang Methling (PDS): "Der Transport ist die logische Konsequenz aus dem vor 11 Jahren erfolgten Ausstieg Ostdeutschlands aus der Kernenergie", erklärte er Ende April auf einer Pressekonferenz. Seine Partei übt sich in dem Spagat, den Castortransport Ost zu billigen, ohne dass das Anti-AKW-Image, das sich die PDS mit ihrer Gegnerschaft gegen die Castortransporte nach Gorleben zu geben versucht, allzu stark angekratzt wird. "Die Atomtransporte im Westen dienen dem Weiterbetrieb der Atomanlagen, während die Kraftwerksanlagen in Rheinsberg rückgebaut werden.. Insofern ist Rheinsberg ein Sonderfall", meint die PDS-Bundestagsabgeordnete Dagmar Enkelmann. Soviel Dialektik ist auch parteiintern umstritten. Mitglieder der PDS-Fraktionen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wollen sich an den Protesten gegen den Castor-Transport beteiligen.

Heftige Kritik an der Position der PDS-Gremien üben regionalen Umweltaktivisten: "Es ist problematisch, an irgendeiner Stelle anzufangen, 'gute' von 'schlechten' Transporten zu unterscheiden. Beim Gorleben-Castor hat die Bundesregierung das verzweifelt versucht, aber damit stößt sie bei der Anti-Atom-Bewegung auf taube Ohren", meint die Vorsitzende der Greifswalder Bürgerinitiative Kernenergie Anke Wagner. Für die Haltung der Bevölkerung hat Wagner allerdings Verständnis: "Mit Aktionen gegen den Transport wollen wir nicht gegen die Rheinsberger Bevölkerung protestieren, sondern zeigen, dass das Problem tiefer geht. Solange AKWs irgendwo laufen, sind sie eine Gefahr auch für die, die nicht direkt nebenan leben." Die BIs plädieren für eine weitere Lagerung des Atommülls im AKW Rheinsberg.

Man habe sich zwei Jahre auf die Castortransporte vorbereitet und werde am Tag X mit phantasievollen Aktionen zur Stelle sein, erklärten AKW-Gegner aus der Region. Sie weisen darauf hin, dass bei einem reibungslosen Transport auch Atommüll aus anderen Regionen in das ZLN transportiert werden könnte. Die Lagerkapazitäten dafür sind schon längst vorhanden.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm hat angekündigt, jegliche Proteste während der Castortransporte rigoros zu unterbinden. 6300 Polizeibeamte werden im Einsatz sein. Schon im Vorfeld stieß die massive Präsenz Uniformierter vor Ort auf Unmut: "Wir halten die seit Wochen andauernde polizeiliche Präsenz im Rheinsberger Raum für schlicht übertrieben", erklärte der "Kirchliche Umweltkreis Menz" Ende April. Besondere Sorgen macht die Sicherheitskräfte, dass sich auswärtige AKW-Gegner an den Protesten beteiligen könnten (siehe www.X1000malquer.de). Schließlich ist Berlin nur knapp 80 km von Rheinsberg entfernt.