Keine Chance für "Gen-Milch"
Greenpeace verliert Prozess gegen Müller-Milch und eröffnet eine neue Runde
Das Kölner Landgericht hat Mittwoch eine einstweilige Verfügung im Fall Theo Müller GmbH gegen Greenpeace erlassen. Danach ist es Greenpeace zunächst untersagt, den Begriff "Gen-Milch" in Zusammenhang mit Müller zu nennen. Greenpeace will gegen das Urteil Berufung einlegen und setzt auch auf eine jüngst öffentlich gemachte Studie, wonach erstmals gentechnische Verunreinigungen in Milchproben gefunden wurden. Wissenschaftler zweifeln die Ergebnisse dieser Einzeluntersuchung allerdings an.
Wie berichtet ("Alles Gen-Milch, ... oder was?"), startete Greenpeace vor einigen Wochen eine interaktive Satire-Kampagne gegen Müller-Milch, nachdem sich der Konzern - im Gegensatz zu vielen anderen Lebensmittelherstellern - nicht auf einen Verzicht bei der Verfütterung von gentechnisch veränderten Pflanzen festlegen wollte. Das Unternehmen reagierte prompt mit einem "Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung". Ganze fünfzig Seiten umfasste der Antrag vom 26. Mai und zielte auf ein Verbot "geschäftschädigender Äußerungen" ab. Die Angelegenheit sollte so rasch wie möglich über die Bühne gehen, heißt es doch wörtlich in dem Antrag von Müllermilch:
Namens und in Vollmacht der Antragstellerin beantragen wir, im Wege der einstweiligen Verfügung - der besonderen Eilbedürftigkeit wegen ohne mündliche Verhandlung - wie folgt zu erkennen: I) Dem Antragsgegner wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis EUR 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft, (...) verboten, wörtlich oder sinngemäß 1. im Hinblick auf die Produkte der Antragstellerin (insbesondere der Marken Müller, Weihenstephan, Sachsenmild, Nestlè und Loose) den Begriff "Gen-Milch" zu verwenden (...).
Ganz so flott, wie es Müllermilch wünschte, ging es dann doch nicht. Ein erster Gerichtstermin brachte kein Ergebnis. Diesen Mittwoch entschied nun das Landgericht Köln zugunsten des Konzerns. Greenpeace darf künftig nicht mehr den Begriff "Gen-Milch" in Zusammenhang mit Müller verwenden. "Das Gericht gab Müllermilch teilweise Recht", bestätigt Christoph Then von Greenpeace gegenüber Telepolis. Man werde allerdings in Berufung gehen. Generell will man sich den Mund nicht verbieten lassen. Die Gentechnik-Expertin Ulrike Brendel gibt sich in einer Aussendung kämpferisch:
Solange im Futtertrog der Müller Milchkühe Gen-Pflanzen landen, wird Greenpeace die Verbraucher darüber auch informieren. Greenpeace geht es um die Sache, nicht um Formulierungen oder Slogans. Müllermilch sollte daher lieber auf die Qualität seiner Produkte setzen, statt auf Gerichtsurteile
Doch Gentech in Milch?
Greenpeace setzt insbesondere auf einen Untersuchungsbericht des Forschungszentrums für Milch und Lebensmittel in Weihenstephan/Bayern, der Anfang dieser Woche von Greenpeace vorgelegt wurde. Die Untersuchung wurde bereits 2000 von der Milchwirtschaft in Auftrag gegeben, war aber bislang öffentlich nicht bekannt. "In den analysierten Milchproben eines Landwirtes konnte die Erbsubstanz von gentechnisch verändertem Roundup Ready Soja und genmanipuliertem bt176 Mais nachgewiesen werden", so Greenpeace. Bisher wurde angenommen, dass Gen-Pflanzen bei der Verdauung abgebaut werden und nicht in Fleisch oder Milch gelangen. Deshalb besteht nach der neuen EU-Verordnung für gentechnisch veränderte Lebensmittel keine Kennzeichnungspflicht für tierische Produkte. Im Untersuchungsbericht der bayrischen Forscher heißt es aber wörtlich:
Zudem wurden positive Signale für die Anwesenheit von Bt-Maisfragmenten erhalten. Diese Datenlage würde auf die Anwesenheit von geringen Mengen von Bt-Mais-genfragmenten in der Trinkmilch hinweisen. Der Eintrag von Bt-Mais-Material in die angelieferte Milch muss dabei nicht unbedingt endogen (d.h. durch das Tier selbst) geschehen sein. So sind vielfältige Futter-Einträge in die Tankmilch wahrscheinlich und selbst unter hygienisch einwandfreien Bedingungen fas unvermeidlich. Stäube bzw. Aerosole aus benachbarten Fütterungsbereichen genügen bei der Nachweisempfindlichkeit der PCR-Analyse aus. Die sehr geringe Menge der nachgewiesenen Bt-Mais-DNA hat nach unserer bisherigen Erkenntnis nur analytische aber keinerlei biologische Relevanz.
Greenpeace fordert umgehend weitere Untersuchungen und wirft dem Institut vor, diese brisanten Ergebnisse der Öffentlichkeit vorenthalten zu haben. "Die Wissenschaftler haben anscheinend Angst vor den eigenen Ergebnissen. Was die Forschung bisher für unmöglich hielt, muss nun anders bewertet werden." Das Forschungszentrum Weihenstephan widerspricht Greenpeace allerdings in einer Stellungnahme:
Milchproben, die uns vor mehr als drei Jahren von der Hessischen Landesvereinigung für Milch und Milcherzeugnisse zugesendet wurden, gaben überraschenderweise Hinweise auf Spuren transgener DNA-Fragmente. Diese Proben waren nicht Bestandteil einer wissenschaftlichen Studie, sondern wurden von dem privaten Auftraggeber an uns gesendet, daher bestanden keine genauen Informationen zum Ablauf und zur Qualität der Probennahme. Diese Untersuchungsberichte sind nicht für gutachterliche Zwecke erstellt worden und als "Gutachten" nicht verwendbar. Um die Vorgänge im Rind wissenschaftlich aufzuklären, wurden von uns die unten genannten Untersuchungen (Einspanier et al. 2001, 2004) durchgeführt. Alle bisherigen wissenschaftlichen Studien ergaben keinerlei Hinweise auf den Übergang transgener DNA aus Bt-Mais in Milch.
Das sieht nun wieder Greenpeace anderes und spricht sogar von einem "schweren Irrtum", welcher der Technischen Universität München-Weihenstephan bei den Bemühungen, die vorliegenden Untersuchungsergebnisse zu Gen-Fragmenten in der Milch zu entkräften, unterlaufen sei. So würde auf eine Publikation der Universität von Professor Dr. Ralf Einspanier aus dem Jahre 2001 verwiesen. "Auf den ersten Blick erscheint das plausibel: Die von Greenpeace veröffentlichten Daten stammen aus dem Dezember 2000. Doch eine genauere Prüfung ergibt ein ganz anderes Bild: Die Publikation von Einspanier wurde bereits im Februar/März 2000 bei der wissenschaftlichen Zeitschrift eingereicht." Sie könne also unmöglich als eine Reaktion auf die Untersuchungsergebnisse aus dem Dezember 2000 angesehen werden. Schlussendlich hält Greenpeace fest:
Fakt ist: Man hätte im Dezember 2000 unbedingt auf dem Hof des Landwirtes nachuntersuchen müssen. Dort wurde seit Jahren Gen-Pflanzen ganz massiv verfüttert. Es ist durchaus möglich, dass bei derartig langen Zeiträumen unter Praxisbedingungen tatsächlich Gen-Rückstände gefunden werden können, auch wenn dies in den üblichen Untersuchungen , die nur über ein bis zwei Monaten laufen, nicht der Fall ist. Tatsächlich wurden laut Einspanier die Kühe, bei denen keine Gen-Abschnitte in der Milch gefunden wurden, nur über vier Wochen mit Gen-Pflanzen gefüttert. Bei einer anderen Publikation, die ebenfalls angeführt wird, um die von Greenpeace veröffentlichten Daten zu widerlegen, und die 2003 in England durchgeführt wurde, bekamen die Kühe das Gen-Futter nur über zwei Monate.
Weitere Runden in Sachen "Gen-Food" scheinen vorprogrammiert. Die Hauptforderung von Greenpeace dabei ist eine Kennzeichnungspflicht von Milch, Fleisch und Eiern, bei deren Produktion Gen-Pflanzen als Futtermittel eingesetzt wurden. Das würde die Mehrheit der EU-Bevölkerung sicher begrüßen, zumal Gen-Food - zumindest noch - auf breite Ablehnung stößt.