Keine Fingerabdrücke und DNA-Spuren von Amri im Tat-LKW

Seite 2: Weitere Seltsamkeiten bei Portemonnaie und Handys

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Zurück zum 20. Dezember 2016: Um exakt 16:45 Uhr fanden die Ermittler Amris Portemonnaie in der LKW-Kabine. Eigentlich muss man sagen: Sie fanden ein Portemonnaie. Und in dem Portemonnaie entdeckten sie eine Duldungsbescheinigung, die auf einen tunesischen Asylbewerber namens "Al Masri" ausgestellt war - das war Amri und einer seiner Aliasnamen. Dadurch wurde auch das Portemonnaie zu dessen Eigentum. Die Duldungsbescheinigung steckte vor den Geldscheinen. Die Spurensicherer fotografierten sie und schickten das Foto ans LKA. Ab diesem Zeitpunkt soll offiziell festgestanden haben, dass Amri der Attentäter gewesen sein soll. Das Original wurde von zwei LKA-Leuten abgeholt.

Von Amri wurden zwei Handys gefunden. Das eine, ein rotes Klapphandy der Marke Samsung, lag auf dem Boden und war mit Glasstaub bedeckt. Ein Indiz, dass es zur Zeit des Unfalls schon im LKW gewesen sein muss. Beim angeblichen Amri-Portemonnaie ist von Glasstaub allerdings nicht die Rede. Das zweite Handy Marke HTC, mit dem der Attentäter auf der Fahrt zum Breitscheidplatz mit seinem Mentor des Islamischen Staates (IS) kommuniziert haben soll, fand sich vorne außen im Kühlergrill des LKW festgeklemmt. Er habe zunächst gedacht, so Bordasch, es handle sich um das Handy eines Besuchers des Weihnachtsmarktes, das mit gerissen wurde, wie viele andere Dinge, Girlanden, Holzteile, Zinnbecher. Aber wenn es dem Attentäter-Fahrer gehörte, wie soll es dann dorthin geraten sein? Das kann er sich bis heute nicht vorstellen. Er hat keinerlei logische Erklärung dafür.

Im Armaturenfach lagen ebenfalls ein Portemonnaie und ein Handy, die dem polnischen Fahrer gehörten. Vor allem der Fund des Handys überrascht, denn laut Bundesanwaltschaft soll Urbans Mobiltelefon in Schöneberg auf der Straße gefunden worden sein. Der Täter habe es dort aus dem Fenster geworfen, heißt es offiziell. Hatte Urban zwei Telefone?

Im Fahrerhaus soll dann noch ein Zettel gelegen haben, auf dem handschriftlich "Hardenbergstraße" stand. Zielort der tödlichen LKW-Fahrt in Berlin. Dieser Zettel soll allerdings erst nach Beendigung der Spurensicherung am 22. Dezember entdeckt worden sein, wie aus einer kritischen Nachfrage des BKA hervor geht. Er wisse nicht, wo der Zettel herkam, sagte Chefermittler Bordasch den Abgeordneten, er habe bei seiner Arbeit keinen Zettel gesehen. Interessant ist nun, dass er das als seinen eigenen Fehler ansieht, er müsse das Asservat schlicht übersehen haben. Das wiederum ist so etwas wie ein Glaubwürdigkeitsbeweis für die unbestechliche Arbeit des Kriminalisten. Denn der Zettel könnte auch für eine mögliche Manipulation stehen, Amri als Täter zu fixieren, an der Bordasch dann gerade nicht beteiligt gewesen wäre.

Die Tatortermittler kopierten alle Ergebnisse ihrer Arbeit auf eine DVD und übersandten sie an die Abteilung Staatsschutz des LKA Berlin. Im März 2017 meldeten sich BAO City oder LKA wieder bei der Mordkommission: Das Beweismaterial sei verloren gegangen. Bordasch hatte seine Ergebnisse noch, brannte die DVD mit den Daten ein zweites Mal und übermittelte sie erneut zusammen mit der Bemerkung: "Das LKA 5 muss ein Bermudadreieck sein." Hinterher soll sich dort die verloren gegangene DVD wieder in irgendeinem Rechner gefunden haben.

Man muss bei diesem Vorgang unwillkürlich an die Manipulationen der Amri-Akte denken, die im Januar 2017 von mehreren Beamten der Staatsschutzabteilung des LKA vorgenommen wurden und die der Sonderermittler Bruno Jost, ex-Bundesanwalt, aufgedeckt hat. Sie hatten ihre Erkenntnisse über Amris Drogenkriminalität abgeschwächt und Komplizen herausgenommen.

Wer saß am Lenkrad des LKWs, mit dem elf Menschen getötet und viele schwer verletzt wurden? Wenn es Amri war, warum finden sich seine Fingerabdrücke außen an der LKW-Tür, aber nirgendwo drinnen? Wenn er, wie es die Bundesanwaltschaft darstellt, seine persönlichen Gegenstände - Handys, Portemonnaie - im LKW absichtlich zurückgelassen habe, weil er sich damit als Täter bekannte, warum finden sich dann nicht auch seine Fingerabdrücke auf dem Lenkrad? Haben sich überhaupt welche gefunden und wenn ja, zu wem gehören sie?

Insgesamt ein Befund, der zu Reaktionen führen müsste. Wenn nicht auf Seiten der Polizei, dann auf Seiten der Politik.

Dass es sich bei der LKW-Fahrt nicht um einen Unfall handelte, sondern um einen Anschlag, war der Polizei schnell klar. Fast genauso schnell ging sie davon aus, dass der oder die Täter im islamistisch-dschihadistischen Milieu zu suchen sind. Gegen 23 Uhr wurde die sogenannte "Maßnahme 300" ausgelöst, mit der unter anderem Verbleibkontrollen bei Wohnungen und Moscheen durchzuführen waren. Und bereits um 7 Uhr am Morgen des 20. Dezember, lange bevor Mordermittler Thomas Bordasch Amris Utensilien im und am LKW fand, wurde der im internen Polizeiauskunftssystem (Polas) zur Festnahme ausgeschrieben.