Keiner will die Krone des King

Was soll man auch mit einem ollen Zahn, wenn man stattdessen mit einem quicklebendigen Milliardär speisen kann

Stell dir vor, jemand verkauft ein Stück von Elvis und keiner bietet mit. Das wäre echt hart. Vor allem für die Fans. Denn schließlich werden nicht alle Tage ein Zahn, ein Locke, eine goldene Schallplatte, diverse Fotos und Zertifikate - alles fein säuberlich dokumentiert und gerahmt - angeboten. Sieht aber ganz so aus, als ob der Verkäufer sitzen bleibt auf seinen Andenken an Elvis, den King of Rock'n'Roll. Andererseits bietet er seine Memorabilia bei eBay an, und da kann sich bis zur letzten Sekunde noch allerhand ereignen.

Noch bis zum 18. Juli kann man mitbieten - vorausgesetzt man verfügt über mindestens 100.000 US-Dollar und scheut sich nicht, einen Deal abzuschließen mit einem Anbieter, der über Null Bewertungen verfügt und erst seit dem 5. Juli bei eBay registriert ist. Die Auktion läuft insgesamt zehn Tage, mehr ist nicht drin, und eigentlich hatte sie bereits am 5. Juli angefangen und am 15. Juli enden sollen. Weil beim ersten Durchlauf jedoch eine Menge zweifelhafter Bieter beteiligt gewesen sein sollen, wurde die Auktion am 8. Juli neu gestartet.

Natürlich garantiert das Mindestgebot von 100.000 US-Dollar noch lange nicht, dass man bei Ausbleiben weiterer Gebote der neue Eigner wird. Denn wie bei ebay.com üblich, hat der Verkäufer eine so genannte "Reserve" festgelegt. Bleiben die Gebote unter diesem geheim gehaltenen Betrag, kommt kein Kaufvertrag zustande. Erschwert wird der Bietvorgang außerdem dadurch, dass interessierte Bieter sich vorab akkreditieren lassen müssen. Sie müssen also erst mal per EMail in Kontakt treten mit dem Anbieter und sich auf eine Liste genehmigter Bieter setzen lassen. Auch das eine Maßnahme, um Spaßbieter außen vor zu halten. Und was den Versand angeht, so ist der innerhalb der Vereinigten Staaten zwar kostenlos, gleichzeitig jedoch heißt es, der Versand erfolge nur innerhalb der Vereinigten Staaten. Internationale Bieter, die keine Mittelsmänner vor Ort haben, bleiben also außen vor.

Mal ganz abgesehen von all diesen Formalitäten, könnte es freilich noch andere Gründe geben für die Zurückhaltung der sonst nicht gerade für Zurückhaltung bekannten eBay-Community. Insbesondere gibt es da das Problem der Authentizität der Objekte. Natürlich verbürgt sich der Anbieter für die Echtheit der Gegenstände und wartet zu diesem Zweck mit einer ganzen Reihe von Zertifikaten auf. Schließlich bietet man auf ein ganzes Elvis-Set, das der Anbieter folgendermaßen anpreist:

1. Ein Teil eines Zahns sowie eine Krone aus "The Kings" Mund. Dieses seltene Stück befand sich im Besitz von Elvis' Verlobter, Linda Thomspon, bis es von Jimmy Velvet / Elvis Presley Museum, Branson, Missouri, im Jahre 1994 erworben und später verkauft wurde. 2. Eine Haarsträhne vom Kopf des verstorbenen Elvis Presley. Es befand sich ursprünglich im Besitz des berühmten Late Night Talk Hosts Joe Franklin. Elvis hat anlässlich seines berühmten GI-Haarschnitts offenbar ein paar der Haare aufbewahrt und hat diese an Mr. Franklin übergeben als Erinnerungsstück für dessen Sammlung. Das obige Haar stammt aus dieser berühmten Strähne. 3. Eine Sonderausgabe einer vergoldeten Schallplatte, die in Anerkennung des beeindruckenden Erfolgs eine Million verkaufte Schallplatten für die RCA platte "Love Me Tender". Alle Gegenstände wurden professionell und beeindruckend gerahmt und wurden unumstößlich dokumentiert von Experten. Diese Gegenstände sind echt und SEHR selten. Sie sind Teil einer Sammlung, die von einem Unternehmer aus Florida für die ‚Yellow Strawberry Memorabilia Collection' zusammengetragen wurde.

(Übersetzung: K.S.)

Diese Beschreibung klingt nicht gerade elegant - und zwar weder im Original noch in der wortwörtlichen Übersetzung, und außerdem ist sie stellenweise auch noch irreführend. So fragt sich der aufmerksame Leser, an wen Jimmy Velvet den Zahn von Elvis weiterverkauft hat. Schließlich heißt es in der Artikelbeschreibung, der Zahn sei später verkauft worden ("and later sold"). Sollte sich nämlich die Spur des Zahns nach der Übergabe an Jimmy Velvet nicht mehr eindeutig belegen lassen, so wirft das ein zweifelhaftes Licht auf die Echtheit der Kauhilfe. Außerdem fragt man sich, weshalb ein Elvis Presley Museum solch einen Leckerbissen weiterveräußert.

Nicht gerade überzeugend liest sich auch die Sache mit den Haaren vom Schopfe des King. Da wünscht man sich denn doch noch ein paar externe Expertisen. Etwas merkwürdig ist auch die Bezeichnung der "vergoldeten" (goldplated) Schallplatte als "Sonderausgabe" (special edition) sowie der umständliche Rest des Satzes. Geht es doch inhaltlich um eine "Goldene Schallplatte für ‚Love Me Tender'" Punkt. Goldene Schallplatten sind immer Sonderanfertigungen bzw. Sonderausgaben, aber egal, es ist jedem eBay-Händler selbst überlassen, wie er seine Ware betextet.

Jedenfalls war der Anbieter schwer enttäuscht, als er merkte, dass die Auktion nicht so richtig lief. Prompt gab es eine Meldung von der flauen Auktion. In der Meldung ist zu lesen, es gebe "kaum Gebote" - und tatsächlich war am Freitag gerade mal 1 Gebot verbucht, das allerdings noch unter der oben erwähnten Reserve lag und deshalb nicht wirklich zählte. Heute - Sonntag - ist dieses Gebot verschwunden. Geradezu beeindruckend sind dagegen die Besucherzahlen der Seiten - auf der Auktionsseite selbst ist unten zwar kein Zähler zu sehen, klickt man jedoch auf eines der Bilder, um sich die Großansicht zeigen zu lassen, werden am Seitenende inzwischen über 130.000 Klicks angezeigt. Insofern brachte die Meldung wenigstens jede Menge Schaulustige auf die Seite.

Sehr gut zur Meldung von der enttäuschenden Elvis-Auktion passte übrigens eine weitere Meldung zum Thema eBay von web.de. Und zwar hat das eBay Mitglied "schtinyt" nicht weniger als 250.100 US-Dollar (rund 220 500 Euro) geboten für ein Mittagessen mit Warren Buffett, dem zweitreichsten Mann der Welt. Das mehr als das Doppelte vom Mindestgebot für die Andenken an Elvis! Und das für ein Mittagessen. Womöglich mit Hamburger und Coca-Cola - schließlich ist Buffet bekannt für seinen unprätentiösen Geschmack. Aber was solls, wird sich der Bieter gesagt haben: was soll ich mit einem ollen Zahn, wenn ich mit einem leibhaftigen Milliardär an einem Tisch sitzen kann.

Außerdem kann man davon Fotos machen und zuhause oder im Büro an die Wand hängen. Auch kann man Essensreste aufbewahren und später bei eBay anbieten. Doch das Wesentliche dürfte die Anwesenheit des Magnaten sein. In seiner Präsenz speisen zu dürfen, das ist schtinyt und seinen unterlegenen Mitbewerbern eine ganze Stange Geld wert. Könnte ja sein, dass der Anlageberater ein paar Tipps verrät. Allerdings gilt Buffet, das "Orakel von Omaha" als nicht gerade auskunftsfreudig. Profitieren wird auf alle Fälle die Glide Foundation, den ihr kommt der Erlös der Wohltätigkeitsveranstaltung zugute. Sie kümmert sich vor allem um Obdachlose in San Francisco - und davon gibt es dort jede Menge.