Ken Loach darf nicht für Jeremy Corbyn stimmen
Die britische Labour Party fürchtet bei der Urwahl ihres neuen Vorsitzenden U-Boote
Nach ihrer verheerenden Niederlage bei der Unterhauswahl im Mai legte der britische Labour-Parteivorsitzende Ed Milliband sein Amt nieder. Den neuen Vorsitzenden, der derzeit in einer Urwahl ermittelt wird, will die Partei am 12. September bekannt geben.
Bis zum Fristablauf am Freitag haben sich 610.753 Personen für diese Urwahl eingetragen. 299.755 gehören der Labour Party an. Weitere 189.703 sind Mitglieder von Gewerkschaften. Der Rest erklärte sich für eine Gebühr in Höhe von drei Pfund mit den Grundzielen der Partei einverstanden, um mitwählen zu dürfen. Es könnte allerdings sein, dass sich der Anteil der Wähler aus den beiden letzten Gruppen noch deutlich verringert: Labour-Funktionäre gehen nämlich davon aus,dass sich für die Urwahl auch Gegner der Partei angemeldet haben, um für einen Kandidaten zu stimmen, der ihrer Ansicht nach in der Gesamtbevölkerung die geringsten Wahlchancen hat.
Bislang schloss die Partei eine vierstellige Zahl von Wahlwilligen aus: Darunter den Tory-Abgeordneten Tim Loughton, einen ehemaligen Abgeordneten der Liberaldemokraten und zahlreiche Grüne, die ihr Vorhaben auf Facebook offen diskutierten. Der prominenteste Ausgeschlossene ist der Filmemacher Ken Loach, der mit Werken wie Bread and Roses, Looking for Eric und Angels' Share auch hierzulande bekannt wurde. Er trat aus der Labour Party aus, weil er mit der Politik der Parteiführung nicht einverstanden war, ist aber Mitglied einer parteinahen Gewerkschaft. Nach eigenen Angaben hätte er auch als Angehöriger dieser Gruppe eine Loyalitätserklärung unterzeichnen müssen, die ihm zu weit ging.
Sowohl Loughton als auch Loach hätten für Jeremy Corbyn gestimmt - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Der Vegetarier, vor dem der ehemalige Premierminister Tony Blair warnt, er werde Labour in den Untergang treiben, führt derzeit die Umfragen klar an. Ein Teil seiner Wähler glaubt, dass er mit seiner während des Irakkrieges bewiesenen Gegnerschaft zu Interventionsabenteuern, seiner Weigerung, einen EU-Austritt auszuschließen, wenn sich Brüssel nicht reformiert, und seiner Kritik an der "Austeritätspolitik" Labour wählbarer macht.
Der andere Teil von Corbyns Urwählern erwartet genau das Gegenteil und hofft, dass Corbyns ideologische Kompromisslosigkeit (die sich unter anderem darin zeigte, dass er sich scheiden ließ, weil er seinen Sohn auf eine schlechtere Schule schicken wollte) und sein 491-Chamberlainismus (den er unter anderem im Umgang mit den Terrororganisationen IRA, Hisbollah und Hamas an den Tag legte) viele Unterhauswähler abschreckt.
Allerdings könnte auch der Kandidat, der in den Umfragen an zweiter Stelle steht, vielen Wählern den Eindruck vermitteln, dass sie mit David Cameron oder Boris Johnson besser bedient sind: Andy Burnham, der beste Verbindungen zur Pharmaindustrie pflegt und vom umstrittenen Blair-Vordenker Lord Mandelson unterstützt wird, war unter Gordon Brown Minister für Kultur, Medien und Sport und erregte in diesem Amt unter anderem mit seinem Einsatz für die Verlängerung von Leistungsschutzrechten und mit der Äußerung Aufsehen, die britische Regierung müsse "Partner" der Musikindustrie sein. Seine damals verkündete Absicht, die Kontrolle des Internets so auszuweiten, dass sie der Fernsehaufsicht entspricht, konnte er wegen der Abwahl der Labour-Regierung 2010 nicht mehr umsetzen.
Auf Platz drei der Umfragen steht die ehemalige Gordon-Brown-Ministerin Yvette Cooper, die mit ihrer mehrfachen Mutterschaft für sich wirbt. Die vierte Bewerberin, Liz Kendall, unterscheidet sich von ihr weniger politisch als dadurch, dass sie keine Kinder hat.
Die Urwahl wird mit einem Alternative-Vote-Präferenzsystem durchgeführt: Dabei können die Wähler ihren Präferenzen für die Kandidaten mittels einer Reihenfolge Ausdruck verleihen. Beim Auszählen werden die Stimmzettel zu Stapeln aufgetürmt. Pro Kandidat gibt es einen Stapel. Auf ihn kommen jeweils nur diejenigen Stimmzettel, auf denen er als einziger Kandidat markiert oder an die erste Stelle gesetzt ist.
Dann werden die Stapel der Größe nach geordnet und die Stimmzettel gezählt. Liegt in diesem System ein Kandidat mit mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmzettel an erster Stelle, oder wurde er dort als einziger markiert, dann gilt er als gewählt. Ist dies nicht der Fall, dann wird der niedrigste Stapel aufgelöst und die auf diesen Zetteln an zweiter Stelle genannten Kandidaten werden dem jeweiligen Haufen zugeteilt. Hat dann immer noch kein Kandidat eine absolute Mehrheit, wird mit dem zweitniedrigsten Stapel genauso verfahren. Und so weiter.
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