Kenia in Sachsen?

Der sächsische Landtag in Dresden. Foto: DCB, Wikimedia Commons. Lizenz: CC BY-SA 3.0

AfD gewann neun Mandate mehr als zugelassen wurden

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Bei der Landtagswahl in Sachsen sackte die regierende CDU zwar von 39,4 auf 32,1 Prozent ab, erzielte damit aber ein besseres Ergebnis als ihr die letzten Umfragen vorhersagten. Zweitstärkste Partei wurde mit 27,5 Prozent die AfD, die ihre 9,8 Prozent von 2014 damit fast verdreifachen konnte.

Allerdings strich ihr der sächsische Landeswahlausschuss wegen Formfehlern 31 ihrer 61 Listenkandidaten, weshalb es möglich ist, dass sie nicht alle Sitze, die ihr dem Zweitstimmenergebnis nach zustehen würden, besetzen kann. Ursprünglich wollte die sächsische Landeswahlleiterin Caroline Schreck sogar nur 18 ihrer Listenkandidaten genehmigen, was der sächsische Verfassungsgerichtshof am 16. August als rechtswidrig verwarf. Ob die 30 Listenkandidaten für diesen Stimmenanteil ausreichen, hängt davon ab, wie viele Direktmandate die AfD in Sachsen gewinnt.

Kurz vor Mitternacht sah es so aus, dass die AfD mit Carsten Hütter im Wahlkreis Meißen 1, Mario Beger im Wahlkreis Meißen 2, Thomas Kirste im Wahlkreis Meißen 3, Mario Kumpf im Wahlkreis Görlitz 3, Dr. Rolf Weigand im Wahlkreis Mittelsachsen 2, Lars Kuppi im Wahlkreis Mittelsachsen 4, Frank Peschel im Wahlkreis Bautzen 1, Timo Schreyer im Wahlkreis Bautzen 3, Doreen Schwietzer im Wahlkreis Bautzen 4, Gudrun Petzold im Wahlkreis Nordsachsen 3, Dietmar Frank Schaufel im Wahlkreis Vogtland 1, Thomas Thumm im Wahlkreis Erzgebirge 3, Jan-Oliver Aldo Zwerg im Wahlkreis Sächsische Schweiz / Osterzgebirge 3 und Ivo Teichmann im Wahlkreis Sächsische Schweiz / Osterzgebirge 4 Chancen hat, ihre über die 30 Listenkandidaten hinausgehenden Mandate mit Direktmandatgewinnern zu besetzen.

Debakel für Linkspartei und SPD

Die Linkspartei schnitt mit 10,4 Prozent nicht nur 8,5 Punkte schlechter ab als 2014, sondern auch etwa fünf Punkte schlechter als in den letzten Umfragen. Möglicherweise haben ihr nicht nur landespolitische Positionen, sondern auch die Berliner Mietrechtsexperimente der dortigen Stadtentwicklungssenatorin Karin Lompscher geschadet, die bundesweit viel Negativaufmerksamkeit in Sozialen Medien erregten.

Auch die Grünen stehen mit 8,6 Prozent schlechter da als anhand der letzten Umfrageergebnisse erwartet, auch wenn sie damit im Vergleich zu ihrem Ergebnis von 2014 um 2,9 Punkte zulegen konnten. Noch weniger Wähler als für sie stimmten für die SPD, die mit einem Verlust von 4,7 Punkten und Stimmenanteil von SPD 7,7 Prozent nun die kleinste im Dresdener Landtag vertretene Partei sind. Für die Sozialdemokraten ist dieses nur mehr 2,7 Punkte oberhalb der Sperrhürde liegende Ergebnis das schlechteste, das sie in der Nachkriegszeit bei einer Landtagswahl einfuhren.

Umfragen hatten eigentlich darauf hingedeutet, dass die Rolle der kleinsten Partei im Dresdner Landtag der FDP zufallen könnte - aber die Liberalen scheiterten mit viereinhalb Prozent erneut an der Sperrhürde. Diese Hürde schafften auch die Freien Wählern nicht, obwohl sie von 1,6 auf 3,3 Prozent verdoppelten.

Rechtliche Unsicherheiten

Diese Stimmenanteile würden der CDU Anspruch auf 45, der AfD auf 38, der Linkspartei auf 14, den Grünen auf 12 und der SPD auf zehn Mandate gewähren. Weil der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer Koalitionen mit der AfD und der Linkspartei ausschloss, gilt eine Erweiterung der bisherigen schwarz-roten Koalition in Dresden um die Grünen als wahrscheinlichste Regierungsoption. Deren Bundesvorsitzwender Robert Habeck erklärte gestern Abend seine grundsätzliche Bereitschaft zu so einer Zusammenarbeit. Wie lange so eine nach den Nationalfarben des afrikanischen Landes benannte "Kenia-Koalition" dauern wird, könnte auch davon abhängen, ob die Landtagswahl wiederholt werden muss.

Der sächsische AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban hat nämlich für den Fall, dass der prozentuale Stimmenanteil seiner Partei nicht mit Listenkandidaten und Direktmandatsgewinnern gedeckt werden kann, entsprechende gerichtliche Schritte angekündigt. "Ein nicht abgebildeter Wählerwille im Parlament", so Urban im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), sei aus der Sicht seiner Partei "auf alle Fälle ein zwingender Grund für Neuwahlen".

Strafanzeigen

Anlässlich der Kürzung ihrer Liste hatte die AfD bereits letzte Woche Strafanzeigen gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, gegen Innenstaatssekretär Günther Schneider und gegen die sächsische Landeswahlleiterin Caroline Schreck wegen des Verdachts auf Rechtsbeugung gestellt. Den sächsischen Innenminister Roland Wöller hatte sie wegen § 357 des Strafgesetzbuchs angezeigt, der Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat. Ob und welche Folgen diese Strafanzeigen haben werden, ist noch offen.

Ganz aussichtslos sind sie jedoch nicht, da die zur Begründung der Kürzung herangezogene Kandidatenwahl auf mehr als einer Veranstaltung gar nicht ausdrücklich im Wahlrecht steht. In der Anzeige wird die Staatsanwaltschaft außerdem dazu aufgefordert, zu prüfen, ob Schreck "als Kreiswahlleiterin in Bautzen und als stellvertretende Landeswahlleiterin […] eine völlig andere Rechtsauffassung anwandte".

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