Khamenei: Die Atomvereinbarung ist noch nicht fix
"Besser kein Deal als ein schlechter" - Irans oberster Führer fordert die schnellstmögliche Aufhebung der Sanktionen. EU erneuert Sanktionen
Nicht nur die Republikaner in den USA fordern diesen Schritt: Auch in Iran gibt es Politiker, die verlangen, dass ein Abkommen mit den 5+1 über das Atomprogramm vom Parlament ratifiziert wird. Das Misstrauen gegen "Tricks" ist nicht nur im Westen wach. Der oberste Führer Irans kann zur Einschätzung einiges in die Waage werfen. Am Donnerstag kommentierte Ayatollah Khamenei die Lausanner Vereinbarung zum ersten Mal ausführlicher und öffentlich. Und auch er gab sich misstrauisch, zugleich sprach er den iranischen Verhandlungsführern vollstes Vertrauen aus.
Zunächst erklärte er, dass er zu den Abmachungen von Lausanne gar keine Position einnehmen könne, ebensowenig wie er dazu gratulieren könne, weil sie nicht bindend sind, weil noch nichts Gültiges vereinbart wurde. Es komme auf die anstehenden Verhandlungen an, um Details kümmere ers sich nicht, das sei Sache der iranischen Verhandler, in die er vollstes Vertrauen habe. Er hätte ihnen nur "rote Linien" mitgeteilt.
Khamenei steuerte auf die beiden heiklen, in Lausanne vage formulierten Punkte zu, die Sanktionen und die Überprüfungen. Er betonte die Forderung, dass die Sanktionen mit Abschluss einer fixierten Vereinbarung aufgehoben werden. Seinem Verständnis nach soll dies alle Sanktionen betreffen. Welchen Sinn hätte eine Vereinbarung sonst für einen Iran, fragt er. Was die IAEA-Überprüfungen bzw. Kontrollen betrifft, stellte er eine Grenze auf, die Israel nicht akzeptieren wird und damit sämtliche Parteien unter den 5+1, die mit Israel eng verbunden sind, Kopfzerbrechen bzw. sehr lange Verhandlungen kosten wird.
Widersprüche zum fact sheet
Im Westen konzentrierten sich die Reaktionen auf den ersten, wichtigen Schritt, der in Lausanne gemacht worden war, darauf, dass es der bestmögliche Deal ist, dass die Vereinbarung ein diplomatischer Erfolg ist, besser als die andere Option, die Fortsetzung eines Konfrontationskurs, bei dem dauernd mit der militärischen Option gereizt wird. In diesem Rahmen wurde der Verhandlungserfolg herausgestrichen, der hatte sich bei der öffentlichen Präsentation im Westen an den israelischen Maßgaben zu bewähren. Und in Gesprächen, die Obama an Lausanne anschließend mit Saudi-Arabiens Führung und den anderen Golfstaaten führte, soweit dies über die Öffentlichkeit vermittelt wurde, an Vorgaben, die Irans Rolle im Nahen Osten beschränkt.
Zu diesem Zweck betonte die US-Regierung in ihrer public diplomacy, dass man mit den iranischen Verhandlungspartnern einschneidende Begrenzungen des Nuklearprogramms abgerungen habe, dass Fordo wie auch die Anlage in Arak umgebaut werden müsse, dass nur eine kleine Zahl von Zentrifugen in Betrieb bleiben dürfte, dass das angereicherte Material auf eine kleine Menge reduziert werden würde, dass die Sanktionen nur peu à peu, schrittweise bei Erfülllung der Vorgaben unter größter Überwachung aufgehoben würden und anders mehr. Als Nachweis dafür verwies man auf das fact sheet, quasi das Protokoll der Vereinbarungen.
Iranische Politiker wandten sich sehr rasch gegen diese Darstellung der Verhandlungsergebnisse, wie sei der fact sheet wiedergibt. Sie stellten anderes heraus, insbesondere, was die Sanktionen, die Überwachung, die Weiterführung der Anreicherung un die Forschung betrifft. Hier öffnete sich eine kleine Schere in der Wahrnehmung. Da aber schon kurz nach der Lausanner Erklärung via Medien vermittelt wurde, dass es nun ganz darauf ankäme, wie die Eckpunkte an die jeweiligen Öffentlichkeiten - und politischen Zirkel - in den USA und im Westen "verkauft" werden, wurde hier einiger Spielraum für perspektivische Unterschiede geöffnet.
Khamenei: "Sie betrügen immer"
Khamenei griff die Unterschiede in der Darstellung der Lausanner Verhandlungen ebenfalls auf. Um darin bekannte Motive wieder zu entdecken: dass auf westliche Verhandlungspartner kein Verlass sei, dass sie tricksen. Er stellte klar, spiegelbildlich zu Netanjahu: besser kein Deal als ein schlechter.
Das könnte man unter übliche Rhetorik einordnen. Worauf es ankommt, sind die abschließenden Verhandlungen, für die man übrigens erkennen läßt, dass die angesetzte Frist 30. Juni nach hinten verschoben werden kann. Wenn man sich allerdings ansieht, wie das Thema der Aufhebungen der Sanktionen im Westen gesehen wird, so bauen sich da schon größere Hindernisse für ein Einverständnis auf.
EU erneuert Sanktionen
Man muss sich dazu nur vor Augen halten, wie prinzipiell die EU Sanktionen gegen Iran aktuell erneuert hat, was in Iran aufgefallen ist, obwohl diese Sanktionen vor Gericht angezweifelt wurden.
Es geht bei den Sanktionen, die eine Bank betreffen und Reedereien, nicht um direkt mit Nuklearaktivitäten verknüpfte Aktivitäten, wie etwa Lieferungen technischen Materials, sondern um "Öl-und Gasprojekte". Was als Motiv dahinter stehen könnte, die Sabktionen gerade jetzt zu erneuern, ist möglicherweise die Angst vor teuren Geldstrafen aus den USA. Auf jeden Fall zeigt dies an, wie kompliziert oder schwerfällig die Aufhebung der Sanktionen verlaufen wird.
Das wird mit geschürten Erwartungen von iranischer Seite kollidieren. Nimmt man die Entwicklungen im aktuellen Krisenzentrum Jemen hinzu - auch dafür hatte Khamenei Worte übrig, die sich, auf Saudi-Arabien gemünzt, sinngemäß über die Unerfahrenheit von Halbstarken mokieren, zudem warf er dem Königreich vo,r Genozid im Jemen zu begehen -, so könnten sich die Irritationen, die nun in der Nachbearbeitung der Lausanner Erklärung entstanden sind, auswachsen. Mit einer Eigendynamik, wie sie gegenwärtig für die Entwicklungen im Nahen Osten nicht untypisch wäre.
Saudi-Arabien hat den Atom-Deal mit Iran nur mit Vorbehalten akzeptiert. Sollte es seine Meinung ändern, wären die zwei wichtigsten Verbündeten der USA im Nahen Osten gegen eine Vereinbarung mit Iran. Die Spannungen zwischen Iran und Saudi-Arabien machen die Abschluss-Verhandlungen nicht leichter.