Klage gegen Lobbyismus-Kritiker Rügemer zurückgezogen

Seite 2: "In den meisten Verfahren wurden die Ermittlungen eingestellt"

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Sie sind in Ihrem Leben nicht zum ersten Mal verklagt worden. Wie oft wurde vor dem Gericht dem Kläger Recht gegeben?

Werner Rügemer: Seit 1993 wurde ich mit etwa zwei Dutzend Verleumdungsklagen und Unterlassungsforderungen überzogen, vor allem durch Politiker und Banker. Beim ersten Mal, als mir an einem Samstagvormittag zuhause durch persönlichen Boten die Klage mit einer Strafdrohung von 250.000 Mark übergeben wurde, war ich total verängstigt. Mit der Zeit entwickelte ich Routine und Gelassenheit, auch mithilfe meines Anwalts.

Das Schema bei den Klägern und bei den Gerichten ist etwa wie folgt: Die Kläger wollen ihrem Milieu demonstrieren, dass sie die "Vorwürfe" nicht auf sich sitzen lassen, fordern Unterlassung oder gehen gleich vor Gericht. Einem amtierenden Politiker und Unternehmenschef, die zudem eine strafbewehrte Eidesstattliche Erklärung beifügen, glauben deutsche Gerichte in erster Instanz immer. Meist wird auch Eilbedürftigkeit angemahnt. Deshalb wird der Beklagte wie ich erstmal nicht angehört.

Viele Beklagte wie die Blätter für deutsche und internationale Politik geben in dieser Phase auf. Sie wollen keinen Ärger, freuen sich, wenn sie mit ein paar hundert Euro Anfangskosten herauskommen und löschen die fragliche Veröffentlichung oder wiederholen sie nicht.

Das hat allerdings teilweise fatale Folgen. Die ersten harten Verfahren gegen Veröffentlichungen von mir richteten sich in den 1990er Jahren gleichzeitig gegen die Kölner StadtRevue. Sie veröffentlichte meine Titelgeschichten über den "Kölner Klüngel". Kläger waren etwa der Kölner Oberbürgermeister, der Oberstadtdirektor und der Präsident des 1. FC Köln.

Als bei der Verleumdungsklage des Oberbürgermeisters, dessen zahlreiche Nebeneinkünfte ich beschrieben hatte, ein Bußgeld von 40.000 Mark drohte, kündigte die Redaktion die Zusammenarbeit mit mir: Die sei existenzbedrohend. Das änderte sich auch nicht, als das höhere Gericht das Verfahren einstellte.

Wenn man sich wehrt, steigen die Aussichten von Instanz zu Instanz, wenn auch nicht immer. Da sind die Richter verpflichtet, sich genauer in die Materie einzuarbeiten. In den meisten Verfahren wurden die Ermittlungen gegen mich eingestellt.

In einem wichtigen Fall, einer Klage der Bank Sal. Oppenheim, damals 2006 noch die größte Privatbank Europas, ergab sich in der letzten Instanz, dem Berliner Kammergericht, ein Vergleich: Von den 22 Unterlassungsforderungen blieben 10 übrig.

Entsprechend wurden die Gesamtkosten dann aufgeteilt. Allerdings ging kurz darauf die Bank pleite, sie wurde von der Deutschen Bank aufgekauft: Die stellte den Rest der ebenfalls noch anhängigen Klagen sofort ersatzlos ein.