Klage gegen französische Internetprovider
Provider sollen den Zugang zum US-Nazi-Portal front14.org sperren, Entscheidung wird für den 12. Juli erwartet
Frankreich scheint eine Vorreiterrolle bei der Durchsetzung des nationalen Rechts im Internet spielen zu wollen. Nachdem Yahoo in Frankreich dazu verurteilt wurde, den Zugriff von französischen Bürgern auf Auktionsseiten mit Nazi-Andenken zu blockieren, wobei allerdings noch das juristische Nachspiel vor einem Gericht in den USA aussteht, hat eine neu gegründete Organisation mit dem symbolträchtigen Namen "J'accuse" 13 große Internetprovider und den Verband der Internetprovider AFA angeklagt, weil sie nicht den Zugang auf das amerikanische Nazi-Portal front14.org gesperrt haben.
Letzten Freitag fand die erste Anhörung statt. Der zuständige Richter ist Jean-Jacques Gomez, der bereits den Prozess gegen Yahoo geführt hat und daher möglicherweise noch einmal zu Filtermaßnahmen neigt, um das französische Recht weltweit für französische Internetbenutzer geltend zu machen. Auch die Kläger - der Präsident der hinter J'accuse stehenden Organisation Action internationale pour la justice (AIPJ) ist auch Vizepräsident bei Vizepräsident von Licra (Ligue internationale contre le racisme et l'antisémitisme) - waren bereits beim ersten Prozess beteiligt und wollen nun offenbar versuchen, mit einer anderen Zielrichtung den Erfolg zu wiederholen.
Allerdings gibt es gegenüber dem Yahoo-Prozess wichtige Unterschiede. Ging es damals um Inhalte, die Yahoo über Dienste wie Auktionen anbot, so richtet sich das Zensurbestreben dieses Mal gegen Internetprovider, die nur den Zugang zum Internet herstellen. Ein weiterer Unterschied ist, dass beim Yahoo-Prozess nach französischem Recht verbotene Gegenstände gehandelt oder Bilder gezeigt wurden, während dieses Mal ein ganzes Portal geschlossen werden soll, das sich zwar als Webhoster von Hassseiten anbietet, wobei aber nicht deutlich ist, ob alle dort gehosteten Websites und Seiten tatsächlich das Recht verletzen. Stéphane Tilti, der Rechtsanwalt von AIPJ, meint allerdings: "Es handelt sich um dieselbe Rechtsverletzung wie im Fall von Yahoo." Er fordert eine sofortige einstweilige Verfügung, da eine unmittelbare Gefahr bestehe. Die Entscheidung des Richters wird am 12. Juli erwartet.
Die Hauptverantwortlichen für die beanstandeten Inhalte auf front14.org seien zwar die Autoren, so Tilti, aber man könne auf dieser Ebene front14.org nicht belangen, weil der Besitzer der Domain nur ein Pseudonym benutzt und weil der in Alaska befindliche Provider der Domain front14.org sich geweigert hat, diese vom Netz zu nehmen.
Vorbild für die Aktion von "J'accuse" ist der Erfolg von "Kinder des Holocaust" (AKDH). Der Organisation gelang es, dass drei große Schweizer Provider für ihre Kunden den Zugang zu front14.org im Februar freiwillig sperrten, ohne dass diese Sperrung vom Gericht angeordnet wurde (Schweizer Provider sperren Zugang zu amerikanischer Website). Die französischen Provider räumen zwar ein, dass sich der Zugang zu front14.org über die IP-Adresse oder die DNS mit Filtern blockieren ließe, aber dass dies nur durch eine "allgemeine und nicht angemessene Überwachung" aller Internetbenutzer geschehen könne. Die AFA wirft der AIPJ überdies vor, die Klage nur deswegen begonnen zu haben, um Aufmerksamkeit für die junge Organisation zu erzielen. Überdies kritisiert der Providerverband, dass davon auch Renater, das französische Wissenschaftsnetz, betroffen sein müsste.
Allerdings scheint die Front, wie das französische Internetmagazin 01.net heute berichtet, schon eingebrochen zu sein. Der Provider Noos sperrt bereits seit einigen Tagen den Zugang zu front14.org. Die AFA hat den Richter bei der Anhörung aufgefordert, sich nach geltendem Recht zu richten, nach dem Internetprovider für Inhalte, die sie nur durchleiten, nicht verantwortlich sind. Nach dem gerade diskutierten "Gesetz für die Informationsgesellschaft" (LSI) könnte sich das allerdings verändern, möglicherweise auch durch die Umsetzung des Cybercrime-Abkommens des Europarats, zu dem ein Zusatzprotokoll vorgesehen sein soll, das auch rassistische Inhalte unter Strafe stellt (Cybercrime-Abkommen passiert eine der letzten Hürden). Für Tilti jedenfalls bewege sich das Recht zugunsten der Anklage.
Fast schon symbolträchtig ist, dass das Thema der nationalen und regionalen Grenzen im Internet ausgerechnet dieser Tage von Yahoo auf andere Weise aufgegriffen worden ist. Angekündigt hat das Portal, dass man mit "EdgeScape" von Akamai den Internetbenutzern regional abgestimmte Werbung bieten will. Zu 98 Prozent sei die geografische Identifizierung richtig. Im Kontext des Prozesses hatte Yahoo noch argumentiert, dass die Blockade französischer Bürger zu ungenau sei und höchstens 70 Prozent erfasse (Ein französischer Richter und das Internet).