Cybercrime-Abkommen passiert eine der letzten Hürden
Der strafrechtliche Lenkungsausschuss des Europarats verabschiedet den Vertragsentwurf und nimmt auch extremistische Äußerungen in den Straftatsbestand auf
Das "Europäische Komitee zur Verbrechensproblematik" (CDPC) des Europarats hat den umstrittenen Entwurf für eine Konvention gegen Cybercrime am Donnerstagabend in seiner endgültigen Form angenommen. Mit dem Segen des Lenkungsausschusses, der die Gestaltung des ersten internationalen Vertrags zur Bekämpfung der Computer- und Netzkriminalität selbst vor vier Jahren angeregt und ein "Expertenkomitee Verbrechen im Cyberspace" (PC-CY) mit seiner Ausarbeitung beauftragt hatte, muss das umfassende und fast 30 Mal überarbeitete Vertragswerk nun im Frühherbst nur noch das Ministerkomitee des Staatenbundes passieren.
Da das von Regierungsvertretern der Mitgliedsstaaten besetzte CDPC eng mit der Ministerrunde zusammenarbeitet, stehen dem Konstrukt kaum noch Hindernisse im Wege. Die Konvention dürfte somit schon bald als erste internationale Vereinbarung der fast 50 potenziellen Unterzeichnerstaaten in die Geschichte eingehen, die eine stattliche Reihe computerbezogener Verbrechen strafbar macht und die Jagd auf Cybergangster durch internationale Rechtshilfevereinbarungen vereinfachen soll.
Behandelt werden in dem Dokument (27. Version) hauptsächlich Verstöße gegen das Urheberrecht, der Austausch von Kinderpornografie sowie die sogenannte Hackerkriminalität. Im letzten Moment haben sich die Regierungsrepräsentanten des CDPC zudem noch während ihrer jüngsten Verhandlungsrunde darauf geeinigt, auch die Verbreitung rassistischer und fremdenfeindlicher Äußerungen in den breiten Straftatenkatalog aufzunehmen (Soll illegales Hosting ein Verbrechen werden?).
Dazu haben die Komitee-Mitglieder ein Zusatzprotokoll erstellt, das Ende des Monats zusammen mit der definitiven Abschlussversion des Abkommens veröffentlicht werden soll. Einzelne Delegationen – allen voran die der Vereinigten Staaten, die wie Kanada, Japan und Südafrika mit dem Europarat locker assoziiert und seit längerem an der Ausarbeitung des Entwurfs beteiligt sind – hatten bis zum Schluss Widerspruch gegen eine derartige "Beschneidung der Meinungsfreiheit" eingelegt.
Cybercrime-Bekämpfung versus Menschenrechte
Bei Datenschützern, Bürgerrechtsorganisationen, Wirtschaftsverbänden sowie Parlamentariern ist die Konvention insgesamt höchst umstritten. Kritik hat vor allem die weite Reihe an Vorkehrungen zur Ermächtigung der Strafverfolger ausgelöst, mit denen die den Vertrag unterzeichnenden Länder das Abhören von Netzkommunikation in Echtzeit, die Vorratsspeicherung der mitgeschnittenen Verbindungsdaten sowie die Beschlagnahmung von Computern verdächtiger Nutzer ermöglichen sollen (Fette Bugs im Cybercrime-Abkommen).
Gegner sehen in dieser Ausweitung der polizeilichen Befugnisse einen klaren Verstoß gegen bestehende Datenschutzbestimmungen innerhalb der Europäischen Kommission und befürchten eine Aushebelung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Sie bemängeln, dass der sonst so um die Humanität besorgte Europarat ausdrücklich auch Staaten zur Unterzeichnung des Cybercrime-Abkommens aufgefordert hat, die Menschenrechte klein schreiben. Auch diese Länder könnten durch das neue Vertragswerk in den Genuss einer vereinfachten Rechtshilfe kommen.
Insgesamt sind seit April 2000, als der Europarat zum ersten Mal einen Entwurf für die Konvention veröffentlichte (Der Europarat bläst zur Attacke auf Cyberkriminelle), die Stimmen ständig lauter geworden, die das rechtsstaatlich gebotene Gleichgewicht zwischen Eingriffsbefugnissen der Behörden und den Bürgerrechten durch die Bestimmungen des Staatenbundes aus dem Lot geraten sehen. Die Designer des Vertrags sind den Einwänden während des vergangenen Halbjahres trotzdem nur mit Schönheitskorrekturen an den Entwürfen begegnet (Nur kosmetische Korrekturen beim Cybercrime-Abkommen). Im Mai fühlten sich die Vertragsautoren allerdings genötigt, die Früchte ihrer jahrelangen Arbeit in einem fast hundert Seiten umfassenden Pamphlet zu verteidigen (Europarat verteidigt das Cybercrime-Abkommen).
Während der jüngsten Sitzung des CDPC lobte der stellvertretende Generalsekretär des Europarats, Hans Christian Krüger, nun die Arbeit des strafrechtlichen Lenkungsausschusses und pries die Konvention gegen die digitale Kriminalität als "eines der wichtigsten rechtlichen Instrumente", das der Staatenbund ausgearbeitet habe. Über den tatsächlichen Erfolg des Dokuments müssen nun die Minister der Mitgliedsländer entscheiden.
Öffentliche Anhörung im Bundestag
Hier zu Lande soll den Planern des Europarats eine öffentliche Anhörung in letzter Minute Sand ins Getriebe blasen, die am 5. Juli im Unterausschuss Neue Medien des Bundestags stattfindet. Als Sachverständige geladen sind dabei neben Repräsentanten des Bundeskriminalamts sowie der Bundesanwaltschaft auch Vertreter des Chaos Computer Clubs (CCC), des Industrie- und Handelstags sowie der Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Helmut Bäumler.
Der Ausschussleiter, Jörg Tauss, hatte dem Bundesjustizministerium allerdings im Frühjahr schon einmal eine Reihe von Änderungswünschen zur Konvention mit auf den Weg zu den Verhandlungen nach Straßburg gegeben. Sie waren damals allerdings im Berliner Briefverkehr "verloren gegangen" (Ein großer Schritt in Richtung europäischer Überwachungsstaat). Vielleicht kann der öffentliche Druck nun mehr ausrichten und die pauschale Behandlung der gesamten Netzbürgerschaft als kriminelles Milieu verhindern.