Klima-Effekte von Solaranlagen, Startfähigkeit von Windparks und maximaler Meeresspiegelanstieg

Drei Fragen aus dem Forum. Eine Telepolis-Kolumne

Können Windparks nach einem Blackout von alleine wieder anfahren?

"An der Gefahr eines verheerenden Blackouts kann auch ein weiterer, massenhafter Zubau unseres Landes mit Windrädern nichts ändern – ganz im Gegenteil. Ohne Fremdstrom sind sie funktionsunfähig. Windräder sind nicht schwarzstartfähig. Sie benötigen zum Anfahren und zum Betrieb selbst elektrischen Strom, den sie bei Normalbetrieb aus dem Niederspannungs-Verteilnetz entnehmen", schreibt ein User auf den Artikel "Viel Geld für LNG, wenig Ambition bei Wind- und Solarenergie"

Schwarzstartfähig, das bedeutet, dass eine Stromerzeugungsanlage aus eigener Kraft wieder gestartet werden kann. Windkraftanlagen wie auch die meisten thermischen Kraftwerke benötigen eine Starthilfe, wie Telepolis-Autor Christoph Jehle beschreibt.

Um Turbinen, Pumpen und Brennstoffförderanlagen anzufahren, brauchen Kohle- und Atomkraftwerke zunächst Strom, bevor sie selbst Strom erzeugen können. (Und selbst wenn sie einmal laufen, verbrauchen sie im Betrieb immer noch einen Teil des erzeugten Stroms.)

Für Atomkraftwerke sind längerfristige Stromausfälle besonders fatal, wie die Havarie von Fukushima lehrt: Denn diese müssen auch bei einer Notabschaltung weiter gekühlt werden. Dafür sind sie auch mit Notstromaggregaten ausgestattet, die aber in Fukushima aufgrund des Tsunamis ebenfalls ausfielen, sodass es schließlich zu Kernschmelzen kam. Aber das nur als kleiner Exkurs zur Stromabhängigkeit aller Kraftwerke.

Bei einem Blackout kann das Netz mit Wasserkraftwerken oder Pumpspeicherkraftwerken wieder angefahren werden. Die meisten Gaskraftwerke können ebenfalls einen Schwarzstart hinlegen, müssen dafür aber mit einem Batteriespeicher oder einem Dieselaggregat ausgestattet sein. Auch geothermische Kraftwerke, von denen es aber nicht allzu viele gibt, können auf diese Weise angefahren werden.

Prinzipiell ist es auch möglich, PV- oder Windkraftanlagen mithilfe von Stromspeichern wieder anzufahren, wozu es verschiedene Forschungs- und Pilotprojekte gibt, beispielsweise an der Universität Bremen das Projekt "Netzwiederaufbau mit Windenergie und Wasserstoff – wind2grid". Für die nötige Energie könnten dann Wasserstoffspeicher sorgen.

Laut Projektträger Jülich gilt:

Weiterhin sind auch Windparks, die über eine selbstgeführte Hochspannungsgleichstromübertragung an das Netz angeschlossen sind, schwarzstartfähig. Durch diese Erzeugungsanlagen ist es möglich, nach einem flächendeckenden Versorgungsausfall das Netz wieder aufzubauen und so den Start nicht schwarzstartfähiger Kraftwerke zu unterstützen. Es ist Aufgabe der Übertragungsnetzbetreiber für genügend schwarzstartfähige Kraftwerke im Netz zu sorgen, um den Versorgungswiederaufbau sicherzustellen.

Haben Solaranlagen Auswirkungen auf das Klima?

"Die Wissenschaft ist sich ja einig, dass kleinste Veränderungen des Kohlendioxidanteils in der Atmosphäre irreversible Klimaveränderungen auslösen. Wie haben dann Energieentnahme aus Luftbewegungen durch Windräder oder die Änderung des Abstrahlverhaltens der Oberfläche durch Solarpaneele keine Auswirkungen auf das Klima? Oder gleicht die CO2 Einsparung das alles wieder aus? Und wenn ja, wie?"

Das fragt ein User im Kommentar zum Artikel "‘Dual Use‘ in der Energiewende: Hühner, Schafe, Rinder unter Solarpaneelen von Susanne Aigner.

Mit den mikroklimatischen Effekten von Windparks haben wir uns an dieser Stelle schon mehrfach beschäftigt. Lokal kann sich der Wind auf der windabgewandten Seite der Windräder abschwächen, außerdem können sich lokal bodennahe Luftschichten durch Verwirbelungseffekte stärker aufwärmen. Makroklimatisch haben die Windräder keine Auswirkungen und tragen schon gar nicht zur globalen Erwärmung bei, weswegen auch nichts durch eine CO2-Einsparung ausgeglichen werden muss.

Werfen wir zusätzlich einen Blick auf mögliche klimatische Effekte großer Solarparks. Hier finden sich sowohl wissenschaftliche Studien, die einen Wärmeinseleffekt von größeren PV-Anlagen ausgemacht haben wollen, als auch solche, die das Gegenteil behaupten, nämlich dass große PV-Freiflächenanlagen zu einer mikroklimatischen Kühlung beitragen. Wie kann das sein?

Eine wichtige Rolle spielt, wie die Landschaft aussah, bevor die Solarmodule aufgestellt wurden. Einfach gesagt: Entscheidend ist, ob die Fläche vorher hell oder dunkel war, denn dies bestimmt die Albedo, also welcher Anteil der Sonneneinstrahlung reflektiert und welcher absorbiert wird.

Da die Solarzellen nur einen Teil der Einstrahlung in Strom umwandeln können, erwärmen sie sich und geben die Wärme wieder an die Umgebung ab. Vergleicht man dies nun mit einem hellen Wüstenboden, dann hätte dieser eine größere Albedo, würde also mehr Sonnenstrahlen reflektieren.

Freiflächenanlagen könnten aber auch dazu beitragen, dass auf den darunterliegenden Flächen mehr wächst, weil sie der Vegetation Schatten spenden. Ein Mehr an Vegetation wiederum könnte einen mikroklimatisch kühlenden Effekt haben, wie Forschende der Universität Lancaster feststellten.

Ein weiteres Forschungsteam stellte kühlende Effekte von Freiflächen-PV in ariden Ökosystemen fest. Zu prüfen wäre, ob dieser Effekt die Ökosysteme in wünschenswerter oder eher ungünstiger Art und Weise beeinflusst, das müsste jeweils abhängig vom Standort betrachtet werden, so die Forschenden.

Makroklimatische Effekte könnten entstehen, wenn ein großer Teil der Sahara mit PV-Modulen bedeckt würden, ähnlich den Überlegungen, die Sahara großflächig zu begrünen. Allerdings kommen Wissenschaftler:innen in ihren Modellen zu sehr widersprüchlichen Ergebnissen: Während ein Forschungsteam mit mehr Regen in der Sahelzone rechnet, sieht ein anderes globale Zirkulationsmuster beeinträchtigt – mit stärkerer Trockenheit im Amazonas und höheren Temperaturen in der Arktis.

Allerdings wurde hier die Annahme zugrunde gelegt, dass 20 Prozent der Sahara von Solarmodulen bedeckt wären – allerdings wäre diese Ausdehnung nicht einmal nötig, um den Weltenergiebedarf zu decken.

Im heutigen Ausbauzustand der PV lässt sich wohl sagen, dass die mikroklimatischen Effekte marginal sind und makroklimatische nicht zu befürchten sind. Und mehr Wärmeinseln entstehen durch die fortschreitende Flächenversiegelung für neue Siedlungen und Verkehrsflächen. 54 Hektar werden nach Angaben des Umweltbundesamts jeden Tag an neuen Siedlungs- und Verkehrsflächen ausgewiesen.

Meeresspiegelanstieg um sieben Meter?

In Bezug auf den Artikel "Sechsmal mehr Eisverlust: Dieser Meeresspiegelanstieg ist realistisch" von Telepolis-Autor Nick Reimer fragt ein User, wie die "ungeheure Zahl" von sieben Metern Meeresspiegelanstieg beim Abtauen des grönländischen Eisschildes zustandekäme.

Wie schon in der darauffolgenden Forendiskussion geklärt wurde, handelt es sich beim grönländischen Eisschild um einen auf dem Festland aufsitzenden Gletscher. Während ein Abschmelzen des arktischen Meereises die Höhe des Meeresspiegels nicht beeinflusst, bedeuten von der Insel Grönland ins Meer abfließende Gletscher tatsächlich ein größeres Wasservolumen im Ozean.

Nach Berechnungen von Glaziolog:innen hat der Eisschild eine Ausdehnung von 1,7 Millionen Quadratkilometern und eine maximale Dicke von 3420 Metern. Das gesamte Eisvolumen wird auf 2,6 Millionen Kubikkilometer geschätzt. Würde es komplett abschmelzen, lässt sich aus dem Eisvolumen ein Meeresspiegelanstieg um etwa sieben Meter berechnen.

Dazu muss noch ergänzt werden: Das Inlandeis in Grönland bildet den zweitgrößten auf Land aufliegenden Eisschild der Welt. Der größte Eisschild bedeckt den antarktischen Kontinent. Das Eis auf dem antarktischen Festland hat eine Ausdehnung von 12,3 Millionen Quadratkilometern und ein geschätztes Volumen von 26,5 Millionen Kubikkilometern. Rein rechnerisch liegt hier das Potenzial eines Meeresspiegelanstiegs von 58 Metern, wenn die Antarktis komplett eisfrei würde.

Wissenschaftler:innen differenzieren zwischen dem west- und dem ostantarktischen Eisschild, wobei der westliche Teil inzwischen als wesentlich instabiler gilt, ihre Stabilität werden so wie die des grönländischen Eisschildes als wichtige Kipppunkte im Klimasystem gesehen. Wem die genannten Zahlen ungeheuerlich erscheinen: Laut Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung stieg der globale Meeresspiegel bei der Erwärmung vom Ende der letzten Eiszeit ins Holozän um 120 Meter.

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