Klimafeind am Himmel?

Nachts und im Winter heizen Kondensstreifen dem Klima am meisten ein

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Ebenso wie Schäfchenwolken und Fön-Zigarren sind auch Kondensstreifen ein vertrautes Bild am Himmel. Doch die hübschen weißen Linien am Himmel sind nicht ganz so harmlos, wie sie aussehen. Dass sie mit ihrem Schadstoffgehalt nicht nur die Umwelt belasten, sondern durch ihre wolkenähnlichen Eigenschaften auch das Klima beeinflussen, wird schon eine ganze Weile diskutiert.

Erstmals 2002 präsentierten Forscher der University of Wisconsin auf einem Kongress der Amerikanischen Meteorologischen Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Flugverbot nach dem 11. September 2001 Belege für einen solchen Zusammenhang. Jetzt haben Klimaforscher der Universität Reading in Großbritannien festgestellt, dass Nachtflüge und Flüge im Winter die gravierendsten Auswirkungen besitzen. In der aktuellen Ausgabe von Nature (Vol 441 vom 15. Juni) stellen sie ihre Ergebnisse vor (doi:10.1038/nature/04877).

Streifen aus Eiskristallen

Kondensstreifen sind die typischen weißen, schmalen Eiswolkenstreifen, die sich als Folge der Flugzeugabgase bilden können. In Flughöhen, in denen eine hohe Luftfeuchtigkeit und eine Temperatur von mindestens minus 40 Grad vorherrschen, gefriert der ausgestoßene Wasserdampf an den Abgaspartikeln zu winzigen Eiskristallen. Je feuchter die umgebende Luft, umso breiter die Wolkenlinien.

Abgasstrahl und Kondensstreifen eines Düsenflugzeugs. (Bild: DLR-Institut für Physik der Atmosphäre)

Auf unser Klima üben Kondensstreifen gleichzeitig zwei einander entgegengesetzte Wirkungen aus: Da die Streifen immer einen kleinen Teil des Himmels bedecken, reduzieren sie durch Reflexion an ihrer Oberseite tagsüber die Sonneneinstrahlung. Andererseits fangen sie die von der Erdoberfläche abgegebene Infrarotstrahlung ein und tragen so zur Erwärmung der Atmosphäre bei. Insgesamt ist dabei der wärmende Effekt größer als der kühlende.

Klimaforscher des Departments für Meteorologie der Universität Reading in Großbritannien unter Leitung von Piers Forster haben die Kondensstreifen im Hinblick auf deren tages- und jahreszeitliche Auswirkungen untersucht. Für ihre Studie nahmen sich die Meteorologen den Luftraum über Herstmonceux vor, einer Stadt in Südostengland, am Eingang des viel beflogenen Nordatlantischen Flugkorridors. Sie konzentrierten sich dabei auf so genannte persistente Kondensstreifen – Kondensstreifen, die sich nicht sofort auflösen, sondern mindestens ein bis zwei Stunde bestehen.

Um die Auswirkungen der Kondensstreifen in einem Modell zu berechnen, brauchten wir zunächst Informationen darüber, wann die Flugzeuge fliegen und in welchen Höhen. Diese Informationen haben wir dem AERO2k-Datensatz entnommen. Anschließend kombinierten wir diese mit Radiosonden-Daten, d. h. mit Informationen aus routinemäßig durchgeführten Messungen des Vertikalprofils der Atmosphäre. Dabei waren für uns insbesondere Lufttemperatur und -feuchtigkeit interessant, weil zur Kondensstreifenbildung bestimmte atmosphärische Bedingungen herrschen müssen. Aus diesen beiden Datensätzen erzeugten wir dann einen weiteren Datensatz, der Auskunft darüber gab, wann sich Kondensstreifen bildeten. Diese Daten haben wir wiederum in ein Computermodell gesteckt, ein Strahlungstransfermodell, das simuliert, wie die Strahlung mit der Atmosphäre, mit den Wolken und den Kondensstreifen wechselwirkt. Daraus zogen wir dann unsere Rückschlüsse, über den Effekt der Kondensstreifen.

Nicola Stuber, Erstautorin der Studie, im Gespräch mit Telepolis

Das Ergebnis: Obwohl Flüge zur Winterzeit, zwischen Dezember und Februar, nur einen Anteil von 22 Prozent ausmachen, verursachen sie die Hälfte der durch den Flugverkehr getriebenen Klimaerwärmung. Ähnlich sah es bei den Nachtflügen aus: Flüge zwischen sechs Uhr abends und sechs Uhr morgens machten nur ein Viertel aller Flüge aus, trotzdem steuerten sie einen Anteil von 60 bis 80 Prozent zur Erwärmung bei.

Nachtflugverbote helfen

Die Auswirkungen von Kondensstreifen auf den Treibhauseffekt sind mit einem Anteil von 2 Prozent an der globalen Schadenbilanz zwar vergleichsweise gering. Trotzdem wollen die Forscher mit der vorliegenden Studie – gerade in Anbetracht des rasant zunehmenden Luftverkehrs – den Fluggesellschaften Möglichkeiten aufzuzeigen, ihre Flugpläne so zu gestalten, dass negative Einflüsse auf das Klima so gering wie möglich gehalten werden. Schon Nachtflugverbote helfen, wie das Beispiel Herstmonceux zeigt: Dort profitieren die Einwohner vom Nachtflugverbot doppelt – durch weniger Lärm und weniger klimaschädliche Kondensstreifen.