Klimapolitischer Schwindel für Fortgeschrittene

Seite 2: Deutsche Dieseltreue

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Darf es ein bisschen mehr sein? Dies scheint somit die Devise Merkelscher Politik zu sein, wenn es um die Wünsche der Autolobby geht. Und genau mit diesem sturen Festhalten an der Kuschellinie gegenüber den Autobauern untergräbt der Staat seine eigene systemimmanente Funktion als "ideeller Gesamtkapitalist", wie sie schon von Marx definiert wurde.

Der kapitalistische Staat ist nicht einfach nur ein plumper politischer "Erfüllungsgehilfe" mächtiger Kapitalfraktionen oder Seilschaften von Kapitalfunktionären. Der nationale Staatsapparat muss vor allem das Funktionieren des kapitalistischen Gesamtsystems zur Maxime seiner Politik zu machen, die ja im bornierten betriebswirtschaftlichen Kalkül der Marktsubjekte nicht berücksichtigt werden kann. Der Staat bildet somit einen notwendigen Pol kapitalistischer Vergesellschaftung, der als Korrektiv den destabilisierenden Tendenzen marktvermittelter Kapitalverwertung entgegenwirkt.

Hierbei geht es nicht einfach nur um repressive Funktionen oder die sozialdemokratische Sistierung von Opposition, sondern gerade um die Bekämpfung kapitalistischer Partikularinteressen, wenn diese das Gesamtsystem gefährden. Der Staatsapparat agiert dabei gewissermaßen "strategisch" und volkswirtschaftlich, während selbst die mächtigsten Kapitalgruppen letztendlich ihre Handlungen nur an der betriebswirtschaftlichen Maxime der Mehrwertmaximierung ausrichten.

Und genau daran ist der deutsche Staat in den vergangenen Jahren spektakulär gescheitert. Die deutsche Autolobby, die selbstverständlich kein betriebswirtschaftliches Interesse an kostenintensiven Umwälzungen hat, war einfach zu erfolgreich. Notwendige strategische Weichenstellungen - wie der kostspielige Wechsel zum Elektromotor - wurden aufgegeben zugunsten eines kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Renditedenkens, das vom Staatsapparat der "Deutschland AG" schlicht übernommen wurde.

Nirgends wird dies offensichtlicher als bei der absurden langjährigen deutschen Dieseltreue - die nun im Gefolge des Dieselskandals Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe verursachen wird. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang nur noch, wie diese Kosten sozialisiert werden.

Zugleich sind neue Konkurrenten wie der Elektrofahrzeughersteller Tesla inzwischen auf der technologischen Überholspur. Die kurzfristig "zu erfolgreiche" Lobbypolitik der Autokonzerne ließ diese technologisch in Rückschritt geraten.

Steigender CO2-Ausstoß deutscher Autos

Dieser archaische Zug der deutschen Autoindustrie wird gerade bei dem Treibhausgas-Ausstoß evident: Im April 2018 veröffentlichte Zahlen des Center of Automotive Management (CAM) für das erste Quartal 2018 belegen einerseits den Anstieg der Neuzulassungen von Elektroautos und Plug-In-Hybriden, die um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zulegten - auf 17.500 Fahrzeuge.

Zugleich stieg aber der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid durch PKWs in der Bundesrepublik aber an. Die CO2-Emissionen stiegen laut der Studie "um 0,8 Prozent auf jetzt 128,7 Gramm pro Kilometer".

Zum einen liege das an einem sehr niedrigen Anteil von Elektroautos in der Bundesrepublik, der nur zwei Prozent betrage. In Norwegen liege dieser beispielsweise bereits bei 48 Prozent. Überdies falle die deutsche Wachstumsrate beim Ausbau der Elektromobilität gegenüber anderen Wirtschaftsräumen zurück: In China seien im selben Zeitraum, im 1. Quartal 2018, knapp 142 000 Elektroautos abgesetzt worden, was einer Steigerung von 154 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal entspreche.

Schließlich habe der große deutsche Dieselskandal zu einem Anstieg der Neuzulassungen von Benzinern geführt, die zwar weniger Feinstaub, aber dafür weit mehr CO2 ausstoßen. Im vergangenen März sank der Diesel-Marktanteil im Jahresvergleich um rund ein Viertel auf nur noch 31,3 Prozent.

Dabei spiegelt das klimapolitische Elend der deutschen Autoindustrie nur die gesamtgesellschaftliche Entwicklung wider. Eine Trendwende bei dem viel zu hohen Ressourcenverbrauch der Bundesrepublik gibt es bislang schlicht nicht - der CO2-Ausstoß ist in Deutschland seit 2009 nicht mehr gesunken.

Ökologisch verheerend ist vor allem der deutsche Energiemix bei der Stromerzeugung. Laut dem US-Wirtschaftsblatt Forbes sei der Anstieg des Anteils der erneuerbaren Energien in der Bundesrepublik weitgehend durch den Ausbau der Kohleverstromung negiert worden.

Ökologisch nachhaltige Energiegewinnung aus Wind, Sonne und Wasser stelle inzwischen 30 Prozent des Energiemix der Bundesrepublik dar, doch zugleich sei die Stromverfeuerung von Braunkohle stark angestiegen. Kohle generiere, auch vor dem Hintergrund des Atomausstiegs, inzwischen ebenfalls 30 Prozent des Stroms in Deutschland.

Deswegen seien die CO2-Emissionen pro Kopf der Bevölkerung der Bundesrepublik 2013 und 2015 leicht angestiegen, während sie "in den meisten entwickelten Ländern aufgrund von Effizienzgewinnen abgesenkt" werden konnten. Die Politik der "Energiewende" habe folglich kaum Erfolge bei der Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen vorzuweisen, was angesichts des dramatischen Ausbaus der regenerativen Energien "verwirrend" sei.

Dabei habe die Bundesregierung umgerechnet 800 Milliarden US-Dollar an Subventionen in den erneuerbaren Energiesektor fließen lassen. Dies Ergebnis der Energiewende stehe im Gegensatz zu der deutlichen Absenkung der CO2-Emissionen pro Kopf der Bevölkerung in Frankreich oder den USA in der vergangenen Dekade.

Im Klartext: Die kostspielige deutsche "Energiewende" ist spektakulär gescheitert.