Klimapolitischer Schwindel für Fortgeschrittene

Seite 3: Merkel als "Ökovandalin"

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Ganz im Gegensatz zur Berliner Polit-PR ist die Bundesrepublik somit tatsächlich einer der größten Klimasünder Europas; ihre Emissionsbilanz fällt verheerend aus. Allein die deutschen Braunkohlekraftwerke emittieren aktuell rund 13 Prozent der CO2-Emissionen im europäischen Stromsektor, während es 2010 nur elf Prozent waren.

Europaweit sind die Treibhausgas-Emissionen durch Kraftwerke seit 2010 um 13 Prozentpunkte zurückgegangen, während sie in der Bundesrepublik anstiegen. Inzwischen befinden sich sieben der zehn europäischen Kraftwerke mit den größten CO2-Emissionen in Deutschland, das ja bekanntlich - allen Massenprotesten zum Trotz - weiterhin auf Braunkohle setzten will.

Die linksliberale britische Zeitung The Guardian hat im September 2017 die deutsche Klimapolitik der letzten Dekade folglich als ein "Desaster" bezeichnet: Angela Merkel sei die führende "Ökovandalin" der Welt, ihre ökologische Reputation könne getrost "ignoriert" werden. Merkel habe eine "fatale Schwäche" für die deutsche Wirtschaftslobby, so die Zeitung.

Jedes Mal, wenn die Bundeskanzlerin bei einer wichtigen Entscheidung zwischen ihren ethischen Überzeugungen und politischen Vorteilen entscheiden müsse, habe sie sich "für die Vorteile entschieden". Deshalb "ersticke" Europa derzeit beispielsweise "an Dieselabgasen". Die noch vor Merkels Amtsübername auf Druck der deutschen Autohersteller getroffene Entscheidung zur Förderung des Dieselmotors sei von der Kanzlerin "durch faire und unfaire Taktiken" aufrechterhalten worden, hieß es weiter.

Der Guardian brachte auch pikante Details ans Licht, mit welchen konkreten Methoden Merkel im Oktober 2013 eine klimapolitische Wende in Europa torpedierte. Dazu habe die Bundesregierung dem irischen Premierminister gedroht, Krisenkredite zu blockieren, und sie habe Ungarn und die Niederlande mit der Drohung, Kfz-Werke zu schließen, unter Druck gesetzt.

Die deutsche Weigerung, Emissionen verbindlich zu reduzieren, habe zur Förderung sogenannter Biokraftstoffe geführt, die von Merkel "lautstark verteidigt" worden sei. Aufgrund der Nachfrage aus der EU würden nun indonesische Regenwälder massiv abgeholzt, um Platz für Palmölplantagen zu schaffen.

Die von Merkel inspirierte Biokraftstoff-Richtline der EU sei die "wichtigste Treibkraft beim größten Ökodesaster der Welt". Dabei werde durch Brandrodung weit mehr CO2 in Indonesien emittiert, als durch den Biokraftstoff in Europa eingespart werde.

Die Abkehr von jeglicher nennenswerten Klimaschutzpolitik, die schon im schwarz-roten Koalitionsvertrag de facto aus "Angst" vor den Klimaleugnern der AfD festgeschrieben wurde, wird inzwischen auch von den Gewerkschaften öffentlich propagiert. Die Vorsitzenden der IG BCE und der IG Metall sprachen sich gegen eine rasche Forcierung des Klimaschutzes aus.

Für den Chef der IG-Metall, Jörg Hofmann, seien die Klimaziele der EU ein "Fake", da sie von der deutschen Industrie nicht mehr erreicht werden können. Michael Vassiliadis, Chef der IG BCE, meinte schlicht, dass Deutschland eh nichts dazu beitragen könne, das "Zwei-Grad Ziel" bei der Begrenzung der globalen Erwärmung zu erreichen.

Tatsächlich legen diese Äußerungen der Gewerkschaftsbosse die fundamentale innerkapitalistische Sackgasse der Klimapolitik offen, da jeglicher nachhaltiger Klimaschutz angesichts des uferlosen Wachstumszwangs des Kapitals schlicht unmöglich ist.

Deutschlands Gewerkschaftler und Lohnabhängige können im Spätkapitalismus somit systemimmanent nur zwischen zwei Optionen wählen: Arbeitslosigkeit und Verelendung im Rahmen von Deindustrialisierung oder die Klimakatastrophe, die spätestens die eigenen Kinder voll treffen wird.

Tatsächlicher Klimaschutz ist aber nur jenseits des kapitalistischen Wachstumswahns möglich. Von daher betrieb Merkel in der Tat auch Klimapolitik: Es war die Kunst des - systemimmanent - Unmöglichen.