Klimaschutz: Bürgerrat weiter als Volksparteien

Tornado in Tschechien. Lužice, am 25. Juni 2021. Bild: Tadeáš Bednarz/CC BY-SA 4.0

Energie- und Klimawochenschau: Von Tornados, drohenden Hungersnöten und Klimazielen ohne Maßnahmen

Am 24. Juni hat ein Tornado sieben tschechische Ortschaften mit zerstörerischer Wucht getroffen, sechs Menschen starben, rund 200 wurden verletzt. Ein Teil der beschädigten Häuser sollen nun wegen akuter Einsturzgefahr sofort abgerissen werden. Die Wucht des Sturms kam für die Menschen völlig unerwartet.

Obwohl auch über Mitteleuropa immer wieder kleinere Tornados entstehen, war dieser besonders heftig. Doch die an Gewitterfronten auftretenden Wirbelstürme könnten in Zukunft häufiger werden und an Intensität gewinnen - bei immer höheren Temperaturen nimmt schlichtweg die Menge der Energie zu, die die Stürme antreibt.

Eine Katastrophe ganz anderen Ausmaßes erleben derzeit die Menschen auf Madagaskar. Der Süden der Insel ist von der schlimmsten Dürre in vier Jahrzehnten betroffen und 14.000 Menschen stehen kurz vor dem Hungertod, so die Einschätzung des Welternährungsprogramms (WFP), bis Oktober könnte sich die Zahl auf 28.000 verdoppeln.

Insgesamt leben in der betroffenen Region über eine Million Menschen, insgesamt sind Hunderttausende vom Hungertod bedroht. 16,5 Prozent der Kinder leiden an akuter Unterernährung. "Die Ursache ist kein Krieg oder Konflikt, sondern der Klimawandel. Diese Weltregion hat nichts zum Klimawandel beigetragen, aber nun zahlt sie den höchsten Preis", erklärt WFP-Direktor David Beasley.

Auch im südamerikanischen Paraná-Becken herrscht zurzeit schwere Dürre, was die Trinkwasserversorgung, Energiewirtschaft und den Schiffsverkehr im Einzugsgebiet in Argentinien und Brasilien beeinträchtigt. Im brasilianischen Einzugsgebiet wurde der Wasser- und Dürrenotstand ausgerufen.

Mehr Hungersnöte durch den Klimawandel

Der Klimawandel fordert Menschenleben und macht Regionen zunehmend unbewohnbar - schon heute. Ein düsteres Bild davon, was in den nächsten Jahrzehnten auf die Menschheit zukommt, zeichnet Medienberichten zufolge der noch unveröffentlichte 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC. Wie die Tagesschau berichtete, würden bei einer Erderwärmung um zwei Grad 420 Millionen Menschen zusätzlich dem Risiko von Hitzewellen ausgesetzt.

Bis zum Jahr 2050 hätten acht bis 80 Millionen Menschen zusätzlich ein Risiko, Hunger zu erleiden. Dabei ist bei der derzeitigen Klimapolitik eher mit einem globalen Temperaturanstieg von drei Grad zu rechnen. Die Folgen der Erderwärmung würden in den kommenden Jahrzehnten immer schneller zunehmen. Die abgestimmte Fassung des Berichts soll allerdings erst im Februar 2022 veröffentlicht werden.

Für einen ambitionierteren Klimaschutz ist es nicht nötig, auf den nächsten Bericht des IPCC zu warten. Deutschland tut nach wie vor nicht genug, um seinen Beitrag zur Einhaltung des Abkommens von Paris zu leisten, daran kann auch das "Sofortprogramm Klimaschutz" nichts ändern, über das an dieser Stelle berichtet wurde (Klima-Sofortprogramm: "Überteuert, zahnlos, ungerecht").

Acht Milliarden Euro will die Bundesregierung demnach ab 2022 zusätzlich für Klimaschutzmaßnahmen bereitstellen, allerdings muss dies mit dem Bundeshaushalt 2022 erst beschlossen werden. In der vergangenen Woche wurde ebenfalls die Novelle des Klimaschutzgesetzes beschlossen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung zu Nachbesserungen verurteilt hatte.

Das CO2-Minderungsziel für 2030 wurde auf 65 Prozent angehoben, für 2040 auf 88 Prozent, wobei für jedes Jahr konkrete Minderungsschritte festgelegt sind. Klimaziele allein machen allerdings noch keinen Klimaschutz. Auch das alte Klimaziel für das Jahr 2020 hätte Deutschland ohne die Covid-19-Pandemie wohl kaum erreicht. Und auch jetzt fehlen konkrete Maßnahmen zum Erreichen der jährlichen Ziele.

Bloße Ziele machen noch keinen Klimaschutz. Wir brauchen noch in dieser Legislatur konkrete Schritte, die eine sichere Zielerreichung glaubwürdig machen. Statt des nun beschlossenen Pakets aus Förderprogrammen und Anreizen muss die gesamte Breite umweltpolitischer Instrumente genutzt werden. Dazu gehören Investitionen für die Transformation zu grünen Technologien, eine angemessene Bepreisung von CO2 ebenso wie klare Leitplanken über das Ordnungsrecht.

Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR)

Bürgerempfehlungen an die Politik

Konkret und kleinteilig hat sich in den vergangenen zwei Monaten der Bürgerrat Klima mit der Frage auseinandergesetzt, wie Deutschland die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens einhalten kann. Am 23. Juni hat der Rat von 160 zufällig ausgewählten Bürger:innen seine Empfehlungen für die Politik vorgelegt, deren Lektüre sich für alle Parteien lohnen würde.

Der auf eine zivilgesellschaftliche Initiative zurückgehende Bürgerrat unter Schirmherrschaft des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler zeigt nämlich, dass die Bürger:innen in Sachen Klimaschutz durchaus weiter sind als die sogenannten Volksparteien, die immer wieder behaupten, ihren Wähler:innen nicht zu viel zumuten zu können.

Allerdings machen die Leitsätze des Bürgerrats auch deutlich, dass Klimaschutz sozial und global gerecht gestaltet werden muss. Dazu zählt auch, dass große Unternehmen verpflichtet werden sollen, im Sinne des Klimaschutzes und des Gemeinwohls zu handeln. "Klimaschutz ist ein Menschenrecht und muss ins Grundgesetz aufgenommen werden", heißt es in den Leitsätzen und jedes neue Gesetz muss sich an den Klimazielen messen lassen. In Sachen Generationengerechtigkeit schlägt der Bürgerrat vor, das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken.

Einen CO2-Preis erachteten die Bürger:innen als verbindliches Instrument im Klimaschutz, solange auch hier für sozialen Ausgleich gesorgt würde, etwa über eine Pro-Kopf-Pauschale, über die ein Teil der Einnahmen wieder ausgeschüttet würde.

Es folgen konkrete Empfehlungen in den Bereichen Energieversorgung, Verkehr, Gebäude und Wärme sowie Ernährung. Bemerkenswert sind hier vielleicht die Empfehlungen für einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg, den Wegfall von Mindestabständen für Windenergieanlagen, eine massive Bevorzugung von Schiene und Radverkehr vor dem Straßenbau, ein Zulassungsende für Verbrenner bis spätestens 2030 und für eine Umverteilung von Subventionen in der Landwirtschaft von heutigen Flächenprämien hin zu Subventionen je nach Umweltleistung und Subventionen.

Auch Tierbestände sollten reduziert, Nahrungsmittelüberproduktion eingedämmt und Ernährungsaufklärung im Sinne eines weitgehenden Verzichts auf Fleisch- und Milchprodukte geleistet werden. Nebenbei wird auch die Straffreiheit für Lebensmittelrettung gefordert - bislang kommt es immer wieder dazu, dass Menschen fürs "Containern" verurteilt werden.

Der Bürgerrat Klima war kein offiziell von der Regierung eingesetztes Gremium, sondern ging auf eine Initiative von Scientists for Future zurück. Die 160 ausgelosten Bürger*innen trafen sich in 12 digitalen Sitzungen und wurden dabei von Wissenschaftler:innen beraten.

Die ausführlichen Empfehlungen zeigen vor allem, dass die Menschen durchaus bereit sind, sich intensiv mit dem Thema Klimaschutz zu beschäftigen und an konkreten Lösungsstrategien zu arbeiten.