Klimaschutz: Keine Chance ohne Wälder, Böden und Moore

Die Wiedervernässung der Moore (hier: Verbindungsweg Teufelsmoor – Verlüßmoor, Blick auf das Günnemoor im Landkreis Osterholz) spielt eine Schlüsselrolle. Foto: Tacytacy / CC0 1.0

CO2-Speicherfähigkeit der Ökosysteme spielt wichtige Rolle im Klimaschutzgesetz. Doch bislang fehlen konkrete Maßnahmen zur Umsetzung. Was besagt das neue Urteil?

Das aktuelle Klimaschutzprogramm der Bundesregierung reicht nicht aus, um das gesetzlich festgelegte Klimaziel für das Jahr 2030 zu erreichen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verurteilte die Regierung am Donnerstag dazu, das Klimaschutzprogramm 2023 um konkrete Maßnahmen zu ergänzen. Das Gericht sieht das bisherige Programm mit methodischen Mängeln behaftet. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH).

Landnutzungssektor: Die unterschätzte Klimaschutzlücke

Bemerkenswert ist, dass es neben den bekannten Klimaschutzlücken in den Bereichen Verkehr und Gebäude in den Klagen der Umweltorganisation auch um den Landnutzungssektor ging. Umso mehr, als dass sich für diesen auch mit einem geänderten Klimaschutzgesetz nichts ändern wird.

DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner kommentierte das Urteil: "Das Gericht hat heute bestätigt: Die für den Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft vorgesehenen Maßnahmen zur Emissionsminderung sind absolut unzureichend."

Anders als in den Sektoren Energie, Gebäude und Verkehr sollen im Landnutzungssektor die Emissionen nicht nur schrittweise sinken, sondern die Aufnahmekapazitäten für Kohlendioxid sollen steigen, wodurch Restemissionen aus anderen Sektoren ausgeglichen werden könnten und auf diesem Wege Klimaneutralität erreicht.

Natürliche Kohlenstoffsenken: Wälder und Moore im Fokus

Der Landnutzungssektor trägt offiziell den Namen LULUCF – das englische Akronym für Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft. So speichern Böden und Wälder Kohlenstoff und die Wiedervernässung von Mooren soll ebenfalls in großem Stil die Klimabilanz verbessern.

Ökosysteme wie intakte Wälder und Moore gelten als natürliche Kohlenstoffsenken – unterliegen aber vielfältigen Einflüssen, wie Klima und menschlicher Bewirtschaftung. Landnutzungsänderungen wie Abholzungen oder Aufforstungen, das Trockenlegen oder das Wiedervernässen von Mooren können deren Treibhausgasbilanz zum Positiven oder Negativen wenden.

Die CO2-Aufnahme von Böden und Wäldern muss steigen, damit sich die gesamte Klimabilanz der Null nähern kann – denn nicht alle Emissionen sind absolut vermeidbar. Das sieht auch der Gesetzgeber so und hat daher im Klimaschutzgesetz festgeschrieben, dass die Emissionen aus dem LULUCF-Sektor bis 2030 auf minus 25 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalente sinken sollen (das heißt die entsprechende Menge aufnehmen können), bis 2040 auf minus 35 Millionen und bis 2045 auf minus 40 Millionen. Leider sind bisher aber kaum Maßnahmen ergriffen worden, um den Sektor auf diesen Pfad zu bringen.

Bericht des Umweltbundesamts zeigt alarmierende Trends

Und nicht nur das: Die Daten des Umweltbundesamts (UBA) zeigen, dass der Trend in die falsche Richtung geht, der Sektor also mehr Treibhausgase freisetzt, als er aufnimmt. Dessen jüngster Bericht weist aus, dass im Jahr 2019 insgesamt noch knapp 7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aufgenommen wurden, während in den letzten beiden Jahren knapp 4 Millionen Tonnen freigesetzt wurden.

Dazu heißt es beim Umweltbundesamt: "Die aktuelle Emissionsentwicklung ist für den Sektor LULUCF zunehmend dramatisch. In den letzten Jahren ist der Sektor von einer abnehmenden Netto-Kohlenstoffspeicherung im Wald sowie von hohen THG-Emissionen der organischen Böden des Acker- und Grünlands geprägt."

Stürme, Dürren, Insektenbefall: Wälder im Stresstest

Die Schätzungen für das Jahr 2023 sind noch unsicher, die für das Jahr 2022 aber nicht weniger gravierend. Die Behörde verweist auf einen zunehmend besorgniserregenden Zustand der Wälder durch Stürme, Dürren und Insektenbefall. Deren Einfluss auf den Kohlenstoffspeicher Wald werden aber erst die genaueren Analysen der Waldinventur 2022 zeigen.

Nach bisherigen Schätzungen nimmt der Wald aber noch mehr Treibhausgase auf als er freisetzt. Ein Blick in andere Regionen zeigt aber, dass eine positive Bilanz auch kippen kann. So verursachten etwa die immensen Waldbrände in Kanada im vergangenen Jahr Emissionen in Höhe von 480 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten.

Verborgene Klimakiller: Entwässerte Moorböden

Besonders bedeutend für die Klimabilanz sind auch Moorböden. In deren dicken Torfschichten sind große Mengen von Kohlenstoff gespeichert, die im entwässerten Zustand allmählich als Kohlendioxid freigesetzt werden, zusätzlich wird dabei Lachgas frei. Im Jahr 2022 wurden nach Angaben des UBA aus Moorböden um die 53,4 Millionen Tonnen CO2 Äquivalente an Treibhausgasemissionen freigesetzt, mehr als die CO2-Emissionen des gesamten Industriesektors mit 41 Millionen Tonnen.

Die Moorböden, die in Deutschland zu 92 Prozent entwässert sind, sind derzeit für 7,5 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich und stehen auch im Fokus des "Aktionsprogramms natürlicher Klimaschutz" von 2023 sowie der bereits 2022 beschlossenen "Nationalen Moorschutzstrategie". Beide Papiere schlagen zwar eine Reihe von Maßnahmen vor, quantitative Zielvorgaben enthalten sie aber kaum.

Umwelthilfe fordert konkrete Maßnahmen statt Lippenbekenntnisse

In der Klage der DUH heißt es: "All diese Strategiepapiere sehen als einzige quantifizierbare Maßgabe das Ziel vor, die jährlichen Treibhausgasemissionen aus Moorböden bis zum Jahr 2030 um mindestens 5 Mio. t CO 2 äq zu senken." Angesichts der im Klimaschutzgesetz verankerten Gesamtziele für den LULUCF-Sektor ist das viel zu wenig.

Die DUH beruft sich weiter auf Berechnungen des Greifswald Moor Centrum, nach denen 50.000 Hektar Moor pro Jahr wiedervernässt werden müssten, um bis zum Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen aus den organischen Böden in Deutschland zu erreichen. Tatsächlich seien seit 1980 aber nur insgesamt 70.000 Hektar Moor wiedervernässt worden. Und aktuelle Zahlen sind scheinbar fast gar nicht zu bekommen.

So konnten nach einer jüngsten Anfrage des Portals Klimareporter an die zuständigen Behörden der Bundesländer die wenigsten angeben, für wie viele Hektar Moorfläche es aktuelle Pläne zur Wiedervernässung gibt.

Kaum effektiver Klimaschutz auf freiwilliger Basis

Neben fehlenden quantitativen Zielen wird in der Klimaklage bemängelt, dass die bisherigen Maßnahmen weitgehend auf Freiwilligkeit beruhen. Es bedürfe zum einen höherer Fördermittel und zum anderen eines Verbots klimaschädlicher Nutzungen von Moorböden. Und hier zeigen sich wiederum Widersprüche zur nationalen Umsetzung der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU.

Die Zahlungen im Rahmen der GAP böten eine Steuerungsmöglichkeit, da sie von vielen Landwirtinnen und Landwirten in Anspruch genommen würden.

EU-Vorgaben: Klimaziele könnten verschärft werden

Und auch die EU macht mit ihrer LULUCF-Verordnung Vorgaben, dass die Emissionen aus der Landnutzung nicht deren CO2-Aufnahme übersteigen dürfen. In ihrer Klageschrift ging die DUH davon aus, dass die Zielvorgaben der EU künftig verschärft würden. Angesichts jüngster Zugeständnisse an Landwirtinnen und Landwirte bleibt das abzuwarten.

Zuletzt hatte die EU Umweltstandards gelockert, die Voraussetzung für den Empfang von Agrarsubventionen sind. Unter anderem müssen weniger Flächen brach liegengelassen werden. Zwar dienen Brachflächen in erster Linie dem Naturschutz, aus den Böden entweichen aber auch weniger Treibhausgase, wenn sie nicht umgebrochen werden.

Zukunftsvision: Forscher bewerten CO2-Entnahme-Optionen

Unabhängig von den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes bewerteten Forschende unter Federführung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel soeben 14 verschiedene Optionen der CO2-Entnahme (CDR für Carbon Dioxide Removal) für Deutschland, da diese zum Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 nötig sein dürfte. Dazu zählten technische Lösungen wie die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid ebenso wie solche, die auf natürliche Ökosysteme setzen.

Für die Machbarkeit in unterschiedlichen Bereichen vergab das Forschungsteam Ampelfarben. "Zu den "grünen" CDR-Maßnahmen mit den niedrigsten technologischen Hürden gehören vor allem ökosystembasierte Maßnahmen wie Renaturierung von Seegraswiesen, Anbau von Zwischenfrüchten in der Landwirtschaft, Wiedervernässung von Mooren oder Aufforstung", heißt es in der Pressemitteilung des UFZ. Allerdings zeigten sich auch hier, wie bei allen bewerteten Maßnahmen, ökonomische Hürden.

Diese zu beseitigen, kann nur Aufgabe der Politik sein. Ein Zeichen der Einsicht könnte es sein, wenn die Bundesregierung das jüngste Klimaurteil akzeptiert. Denn noch hat sie die Möglichkeit, in Revision zu gehen.

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