Klimawandel: Bis zu 2,3 Millionen Hitzetote in Europas Städten befürchtet
![Ein heißer Tag in Athen kann die Gesundheit älterer Menschen an ihre Grenzen bringen.](https://heise.cloudimg.io/width/700/q75.png-lossy-75.webp-lossy-75.foil1/_www-heise-de_/imgs/18/4/7/8/9/6/8/0/shutterstock_2191333699-32c5bea80c67a794.jpeg)
(Bild: Alexandros Michailidis / Shutterstock.com)
Forscher warnen: Ohne Klimaschutz und Anpassung drohen bis 2099 in Europa Millionen zusätzliche Todesfälle durch Hitzewellen. Besonders Städte sind gefährdet.
Der Klimawandel ist schon heute deutlich zu spüren, besonders in den Sommermonaten, wenn sich Wohnungen und ganze Städte aufheizen. In den nächsten Jahrzehnten könnten sich extreme Temperaturen noch deutlicher bemerkbar machen und zu einem ernsten Gesundheitsrisiko für viele Menschen werden.
Eine aktuelle Studie, die im Fachmagazin Nature Medicine veröffentlicht wurde, macht die Bedrohung deutlich. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten demnach zusätzlich 2,3 Millionen Menschen an den Folgen extremer Temperaturen sterben.
Daten aus 854 Städten in 30 Ländern analysiert
Für ihre Prognose analysierten die Wissenschaftler umfangreiche Temperatur- und Mortalitätsdaten aus 854 städtischen Gebieten in 30 europäischen Ländern. Mithilfe von Computermodellen simulierten sie die möglichen temperaturbedingten Todesfälle zwischen 2015 und 2099 unter verschiedenen Erwärmungsszenarien.
Dabei berücksichtigten sie auch den Effekt von Anpassungsstrategien, mit denen sich Menschen vor zunehmender Hitze schützen können – etwa durch mehr Grünflächen und Schatten in den Städten oder den Einbau von Klimaanlagen in Wohnungen und Häusern.
Hitzetote übersteigen Kältetote in allen Szenarien
Die Ergebnisse sind besorgniserregend: Selbst im optimistischsten Szenario mit ambitioniertem Klimaschutz wird die Zahl der hitzebedingten Todesfälle die Zahl der kältebedingten Todesfälle übersteigen. Insgesamt könnte die Zahl der temperaturbedingten Todesfälle um fast 50 Prozent steigen, so die Prognose der Forscher.
"Wir bräuchten eine massive Anpassung, um den Temperaturanstieg auszugleichen", betont Pierre Masselot, Statistiker und Umweltepidemiologe an der London School of Hygiene & Tropical Medicine, der an der Studie mitgearbeitet hat. Ein Risiko, das sich seiner Einschätzung nach nur schwer erreichen lässt.
Wärmeinseleffekt verstärkt Hitze in Städten
Besonders gefährdet sind demnach die Mittelmeerregionen, allen voran Ostspanien, Südfrankreich, Italien und Malta. Dort macht sich der sogenannte Wärmeinseleffekt besonders stark bemerkbar: Städte heizen sich schneller auf als ihr Umland.
Der Grund: In Städten gibt es viele versiegelte Flächen wie Straßen und Gebäude aus Beton und Asphalt. Diese Materialien absorbieren tagsüber die Sonnenwärme und geben sie nachts nur langsam wieder ab. Zudem fehlt es oft an kühlender Vegetation. Auch die Abwärme von Verkehr, Industrie und Klimaanlagen trägt zur Erwärmung bei. Hohe Gebäude behindern zudem die Luftzirkulation.
In großen Ballungsräumen können die Temperaturen dadurch bis zu zehn Grad Celsius höher sein als im Umland. Selbst in kleineren Städten beträgt der Unterschied oft noch vier Grad. Gerade in heißen Sommermonaten kann diese zusätzliche Aufheizung die menschliche Gesundheit massiv beeinträchtigen.
Ältere Menschen besonders gefährdet
Laut Studie sind hauptsächlich Menschen über 65 Jahre einem erhöhten Risiko ausgesetzt. In den vergangenen Jahren erlebte Europa schon mehrere Hitzewellen, die mit einer Zunahme der Todesfälle in Zusammenhang gebracht wurden. Dennoch, so die Forscher, sterben heute in Europa etwa zehnmal mehr Menschen an Kälte als an Hitze. Doch das wird sich mit steigenden Temperaturen ändern: Während die Zahl der kältebedingten Todesfälle sinken dürfte, wird die Zahl der Hitzetoten stark zunehmen, so die Prognose.
Um gegenzusteuern, müssten die Länder laut den Forschern das hitzebedingte Sterberisiko um 90 Prozent senken – selbst bei einem Temperaturanstieg von 4 Grad Celsius. Doch Studienautor Masselot hält dies für "unrealistisch". Eine Risikoreduktion um 50 Prozent wäre zwar machbar, würde die steigende Sterblichkeit aber nicht aufhalten können.
Forscher fordern entschlossenes Handeln
Die Wissenschaftler mahnen daher zu entschlossenem Handeln. "Wir müssen Maßnahmen zur Eindämmung ergreifen", fordert Mark Nieuwenhuijsen vom Barcelona Institute for Global Health. Vor allem Städte mit viel Autoverkehr sollten die Emissionen senken, indem sie den öffentlichen Nahverkehr ausbauen und die Autonutzung einschränken.