Klimawandel leugnen, Klimaforschung zusammenkürzen

Rekordwärme im Februar in den rot markierten Regionen. Bild: NOAA

Die Energie- und Klimawochenschau: Von ungeachteten Kinderrechten, einem Teufelskreislauf am Amazonas und den Leiharbeitern von Fukushima

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Der Chef der US-Umweltbehörde EPA Scott Pruitt hat sich jüngst in einem Fernsehinterview eindeutiger als Klimawandelleugner geoutet als in der Anhörung vor seiner Vereidigung. Gegenüber dem Sender CNBC äußerte Pruitt, dass er den durch Menschen verursachten Ausstoß von Kohlendioxid nicht als Hauptverursacher des Klimawandels ansehe. Damit widerspricht Pruitt den Aussagen seiner eigenen Behörde, auf deren Internetpräsenz es (noch) heißt:

Im Verlauf des letzten Jahrhunderts wurden durch menschliche Aktivitäten große Mengen von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in die Atmosphäre freigesetzt. Die Mehrheit der Treibhausgase stammen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, um Energie zu produzieren, wenn auch Abholzung von Wäldern, Industrieprozesse und einige Landwirtschaftspraktiken ebenfalls Gase in die Atmosphäre emittieren.

Epas.gov

In einer im Januar von der Luft- und Raumfahrtbehörde NASA und sowie der Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA veröffentlichten Studie werden ebenfalls die menschengemachten CO2-Emissionen für einen Temperaturanstieg von 1,1 Grad Celsius seit Ende des 19. Jahrhunderts verantwortlich gemacht.

Die NOAA hat gerade erst mitgeteilt, dass der Februar 2017 in den USA der zweitwärmste seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen und der Winter der sechstwärmste gewesen sei. Beigetragen hat die NOAA auch zu einer Studie unter Leitung der chinesischen Akademie der Wissenschaften, die zeigt, wie schnell sich die Ozeane durch den Kohlendioxidanteil in der Atmosphäre bis in große Tiefen erwärmen. Sie liefert permanent Datenmaterial, dass den menschengemachten Klimawandel untermauert und auch dessen Ausmaß immer genauer bestimmen kann.

Bild: Cheng et al., 2017

Vielleicht ist gerade deswegen nicht nur die Zukunft der EPA mit einem Klimawandelleugner an ihrer Spitze gefährdet, sondern auch die Wetter- und Ozeanbehörde, die wiederum dem Handelsministerium untersteht. Wie die Washington Post am 3. März berichtet, plant die Trump-Administration, das Budget der staatlichen Forschungsinstitution um 17 Prozent zu kürzen. Einzelne Bereiche wären stärker betroffen als andere, etwa das Büro für Ozean- und Atmosphärenforschung sowie die Abteilung, die die Satellitendaten liefert. Damit wird der künftigen Klimaforschung die Grundlage entzogen. Von Einschnitten betroffen wäre laut den geleakten Kürzungsplänen auch die sehr praktisch orientierte Forschung zum Küstenschutz.

UN fordert Klimaschutz im Sinne der Kinderrechte

Während in den USA ein massiver Rollback in der Klimapolitik im Gange ist, mahnten die Vereinten Nationen bei einem Treffen in Genf letzte Woche an, dass Kinderrechte in der globalen Klimaschutzpolitik nicht genügend Beachtung fänden.

"Der Klimawandel bedroht nicht nur Leben und körperliche Gesundheit von Kindern, sondern stellt darüber hinaus auch eine Bedrohung für deren Identitäten, Kulturen, Lebensgrundlagen und ihr Beziehung zur natürlichen Umwelt dar", sagte Peggy Hicks vom Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte.

Schon jetzt leiden Millionen Kinder an den Folgen und Risiken des Klimawandels. 500 Millionen Kinder leben in Gebieten mit Überflutungsrisiko, 160 Millionen sind von schweren Dürren betroffen. Die Klimafolgen führen oft zu Ernteausfällen und damit Mangelernährung und auch Krankheiten wie Malaria und Durchfälle werden durch den Klimawandel begünstigt, häufige Todesursachen bei Kindern unter fünf Jahren.

Die USA versuchen derweil, schnell die "Klimaklage" von 21 Kindern und Jugendlichen abzuweisen. Die Kinder und Jugendlichen argumentieren, dass die US-amerikanische Regierung mit ihrer Untätigkeit in Bezug auf den Klimawandel ihre Grundrechte verletze. Jeffrey H. Wood, der von Donald Trump vorübergehend im Justizministerium zur Verfolgung von Umweltverbrechen eingesetzt wurde, fordert vom zuständigen Bundesgericht in Oregon, die Klage abzuweisen, um einen langwierigen, kostspieligen und Unruhe stiftenden Rechtsstreit zu vermeiden.

Wood gab an, das von den Klägern geforderte Beweismaterial wäre zu umfangreich. Gefordert werden unter anderem historische Dokumente wie die Kommunikation zwischen Regierung und fossiler Industrie, aus der hervorgehen könnte, inwieweit Ölfirmen Einfluss auf die Regierungspolitik genommen haben. Jeffrey H. Wood war selbst zuletzt als Lobbyist der Southern Company, eines großen Kohleverstromers, tätig.

Rückkopplungseffekte beim Verlust des Amazonas-Regenwaldes

Das Phänomen, dass der Verlust von Regenwaldfläche auch zu einem Rückgang der Niederschläge in der Amazonasregion führt, wird schon länger diskutiert. Das ist einfach erklärt: Die Vegetation verdunstet große Mengen an Wasser, die noch über dem Wald selbst wieder als Regen niedergehen.

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat nun untersucht, inwiefern die Abholzung und Trockenzeiten durch den Klimawandel zusammenwirken und wie Waldverlust durch Trockenheit zu noch mehr Waldverlust führen kann.

"Wir wissen bereits, dass einerseits geringerer Niederschlag die Gefahr des Waldsterbens erhöht. Andererseits kann der Waldverlust auch regionale Trockenheit verstärken. Mehr Dürren können also zu weniger Waldbedeckung führen, was wiederum zu mehr Dürren führen kann und so weiter. (…) Unsere Studie zeigt das Risiko eines sich selbst verstärkenden Waldverlustes, der noch zusätzlich zu dem Waldverlust entsteht, der direkt durch weniger Regen ausgelöst wird", erklärt Leit-Autorin Delphine Clara Zemp.

Beziffern lässt sich der Rückkopplungseffekt aber nur schwer. Wenn sich die Niederschlagsmenge über dem Amazonasgebiet halbieren würde, würden zusätzlich zu direkten Waldverlusten mindestens zehn Prozent des Waldes durch die Rückkopplung verloren gehen. Es könnte aber auch bis zu 38 Prozent des Waldes treffen, da noch immer nicht alle Wechselwirkungen zwischen Vegetation und Atmosphäre verstanden seien. Zwar werde der Amazonas-Regenwald bis zum Ende des Jahrhunderts nicht vollständig verschwinden, große Teile seien aber gefährdet, so der Ko-Autor Carl Schleussner. Bliebe der größtmögliche Artenreichtum erhalten, könne das dazu beitragen, die Trockenheitsverluste zu mildern, da artenreiche Wälder widerstandsfähiger sind.

"Wegwerfarbeiter" in Fukushima

Sechs Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima, bei der es in drei von sechs Reaktoren zu einer Kernschmelze kam, ist das Ausmaß der Verstrahlung noch immer nicht ganz klar. Erkundungsroboter hatten in den Reaktoren extrem hohe Strahlenbelastungen gemessen und kamen nur schlecht voran (Pannenserie in Fukushima).

Die ehemaligen Bewohner der Region werden mittlerweile von der Regierung zur Rückkehr gedrängt, um die weitere Zahlung von Entschädigungen zu vermeiden. Doch die Strahlenbelastung ist noch immer zu hoch, meint Sebastian Pflugbeil, Vorsitzender der Gesellschaft für Strahlenschutz. Mit einer Strahlenbelastung von bis zu 20 Millisievert im Jahr werde die Bevölkerung der Höchstdosis ausgesetzt, die auch für im Atomkraftwerk Beschäftigte gelte.

Zum Jahrestag von Fukushima stellte Pflugbeil zusammen mit dem japanischen Journalisten Tomohiki Suzuki dessen kürzlich auf Deutsch erschienenes Buch "Inside Fukushima" vor. Suzuki hatte sich kurz nach der Katastrophe als Leiharbeiter in Fukushima verdingt und so einen Einblick in die Arbeitsbedingungen vor Ort bekommen. Dem investigativen Journalisten ging es vor allem darum die Rolle der Yakuza - der Organisationen organisierter Kriminalität - aufzudecken. Die Yakuza verfügt seit je her über ein großes Potenzial, Tagelöhner zu mobilisieren, was sie auch nach der Katastrophe von Fukushima tat.

"Eine Hälfte der Firmen hat aus Angst aufgehört, in Fukushima zu arbeiten, die andere Hälfte hat sich über das Riesengeschäft gefreut", sagte Suzuki bei der Buchvorstellung in Berlin. Da niemand so recht wusste, was in den Reaktoren geschehen war und die Strahlenbelastung sehr hoch war, wurden zunächst sogenannte "Wegwerfarbeiter" eingesetzt, deren Leben bewusst aufs Spiel gesetzt wurde.

Suzuki lernte verschiedene Tricks kennen, die Strahlenhöchstdosis zu umgehen, indem das Dosimeter möglichst weit entfernt von der Strahlenquelle getragen oder die Hälfte der Zeit im Pausenraum gelassen wurde. Die Leiharbeiter selbst beteiligten sich an den Tricks, um besser zu verdienen oder schneller wieder arbeiten zu können. Die Auftragspyramide in der japanischen Atomindustrie bestünde aus bis zu acht Ebenen, wobei von dem Geld, das die oberste Ebene für einen Auftrag ausgibt, immer ein Teil hängen bliebe.

Sebastian Pflugbeil machte deutlich, dass die Leiharbeit in radioaktiven Anlagen nicht allein ein japanisches Problem sei, sondern auch in Europa für einfache Arbeiten in AKW häufig Personen ohne Festanstellung eingesetzt würden. Deren tatsächliche Strahlenbelastung sei in Deutschland nur schwer zu überwachen, denn Strahlenpässe würden je Bundesland ausgestellt. So ist es theoretisch möglich, sich nacheinander in mehreren Bundesländern der maximalen Strahlendosis auszusetzen. Die Leiharbeiter hätten es zudem schwerer, durch Strahlung ausgelöste Krankheiten als Berufskrankheit anerkannt zu bekommen.