Knockout für Pazifisten?
Die "Natur des Menschen" wird gegen Kritiker der Militärpolitik ins Feld geführt
Werbende Botschaften für die Beteiligung der Bundesrepublik an Waffengängen out of area liegen derzeit im Trend - bei der politischen Prominenz und den meisten Medien jedenfalls. Die Akzeptanz dafür beim Publikum hält sich immer noch sehr in Grenzen. Da werden diskursive Verstärker benötigt, denn friedensbewegte "Altlasten" sind zu entsorgen. In der F.A.Z., die sich seit längerem einer solchen Aufräumarbeit eifrig annimmt, publizierte nun zu diesem Zwecke das Redaktionsmitglied Christian Geyer einen Beitrag "Pazifismus - ein Abgesang", rechtzeitig zu einem Erinnerungstermin, dem 1.September.
Geyer stellt erleichtert fest, dass von einer kriegsgegnerischen Bewegung hierzulande derzeit nichts zu bemerken sei. "Pazifismus, einst ein Straßenfüller", sei offenbar "zu einem Ideologem von vorgestern" geworden, zumindest "mucke er nicht auf", und ehemalige Verkünder der Devise "Frieden schaffen ohne Waffen" hätten sich in zaghafte Befürworter von Waffenlieferungen und militärischen Hilfeleistungen verwandelt. Derartigen Halbherzigkeiten will Geyer ein Ende machen. Sein schlagkräftig gemeinter (freilich ernährungswissenschaftlich nicht gerade versierter) Vergleich: "Es ist mit dem Pazifismus wie mit dem Vegetarismus. Ein bisschen geht nicht." Ein pazifistisches Politikmuster sei "nur rein oder gar nicht zu haben."
Da ist man denn doch überrascht: Der F.A.Z.-Redakteur hat ganz entschlossen seine zweifellos vorhandene Kenntnis des Lateinischen für einen Moment unterdrückt und zugleich darauf verzichtet, die Geschichte pazifistischer Bewegungen zur Kenntnis zu nehmen.
"Pacem facere" - das bedeutet nicht, ein Wunder sofortiger weltweiter Gewaltlosigkeit herbeizubitten. Sondern: Sich zu engagieren gegen gesellschaftliche Verhältnisse, die zum kriegerischen Umgang mit internationalen Konflikten treiben, für Politikmuster und -Verfahren einzutreten, die "militärische Lösungen" verhindern. Der historische Pazifismus, in seinen unterschiedlichen Ausformungen und bei all seinen Unvollkommenheiten, hat genau dies versucht, so zum Beispiel in seinem Aufbegehren gegen den Militarismus vor dem Ersten Weltkrieg, in seiner Auseinandersetzung mit der Rüstungspolitik der Zwischenkriegszeit, in seinem Protest gegen einen Krieg wie den in Vietnam, in seinem Widerstand gegen die Anheizungen des Kalten Krieges.
Diese auf Frieden hin drängenden Bewegungen haben zum Teil Wirkung gezeigt, zu anderen Teilen blieben sie ohne Erfolg - die Weltlage heute ist alles andere als zivil, und Friedensbewegungen fällt es zur Zeit schwer, sich auf die "neue Unübersichtlichkeit" des kriegerischen Geschehens einzustellen. Deshalb den Pazifismus für "vorgestrig" zu erklären, hat etwas Zynisches.
Es sei denn, man hält politisch organisierte Menschenschlachthäuser für eine auch in Zukunft geltende "Normalität", den Krieg für eine anthropologisch angelegte Konstante auch kommender Geschichte. Sind "Waffengänge", wie es uns gerade der Militärexperte Klaus Naumann nahegelegt hat, "in der Natur des Menschen" begründet (Gehören Kriege zur Natur der Menschen?)? Dann allerdings wäre Pazifismus widernatürlich.
In der deutschen Vergangenheit gab es Ideologen, Politiker und Parteien, die ihm genau das als Stigma zuschrieben. Es folgte die staatliche Ausgrenzung, Verfolgung und Vertreibung der Pazifisten.