König Donald und die Schwarzkasse der Meister

Seite 3: In welcher Dunkelheit stirbt die Demokratie?

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Unterdessen spitzt sich die große Bühnenschau, die sich König Donald mit der Gilde der Herolde und Lautsprecher liefert, immer weiter zu. Zuerst sperrte er "New York Times", "CNN" und andere von den Pressegesprächen aus, dann sagte er seine Teilnahme am jährlichen "White House Correspondents' Association Dinner" einfach ab. Letzteres scheint nachvollziehbar, denn bei diesem Dinner machen sich üblicherweise Hofnarren über den König lustig und dieser schlägt mit Witzen über die Herolde zurück - und diese Show läuft seit Donalds Amtsantritt ja schon ununterbrochen live über alle Lautsprecher- und Zwitscherkanäle.

Der dünnhäutige Donald ist über jeden Pups sofort beleidigt und die Herolde gebärden sich kaum besser und empören sich über jeden Furz bis zum Äußersten. Statt dieses alberne Geplänkel fortzuführen und sich gegenseitig "Fake News" vorzuwerfen, würde der Chronist für dieses "Dinner" daher vorschlagen, die Rede eines Doyens der Herolde und Lautsprecher, des großen John Swinton, zu verlesen. Zu seinen Ehren veranstaltete die Gilde 1880 im New Yorker Presseclub ein Bankett, bei dem viel von "Unabhängikeit" und "Freiheit" die Rede war, bis der Geehrte selbst das Wort ergriff:

So etwas gibt es bis zum heutigen Tage nicht in der Weltgeschichte, auch nicht in Amerika: eine unabhängige Presse. Sie wissen das, und ich weiß das. Es gibt hier nicht einen unter Ihnen, der es wagt, seine ehrliche Meinung zu schreiben. Und wenn er es täte, wüsste er vorher bereits, dass sie niemals im Druck erschiene. Ich werde wöchentlich dafür bezahlt, dass ich meine ehrliche Meinung aus dem Blatt, mit dem ich verbunden bin, heraushalte. Andere von Ihnen erhalten ähnliche Bezahlung für ähnliche Dinge, und wenn Sie so verrückt wären, Ihre ehrliche Meinung zu schreiben, würden Sie umgehend auf der Straße landen, um sich einen neuen Job zu suchen. Wenn ich mir erlaubte, meine ehrliche Meinung in einer der Papierausgaben erscheinen zu lassen, dann würde ich binnen 24 Stunden meine Beschäftigung verlieren.

Das Geschäft der Journalisten ist, die Wahrheit zu zerstören, schlankweg zu lügen, die Wahrheit zu pervertieren, sie zu morden, zu Füßen des Mammons zu legen und sein Land und die menschliche Rasse zu verkaufen zum Zweck des täglichen Broterwerbs. Sie wissen das, und ich weiß das, also was soll das verrückte Lobreden auf eine freie Presse? Wir sind Werkzeuge und Vasallen von reichen Männern hinter der Szene. Wir sind Marionetten. Sie ziehen die Strippen, und wir tanzen an den Strippen. Unsere Talente, unsere Möglichkeiten und unsere Leben stehen allesamt im Eigentum anderer Männer. Wir sind intellektuelle Prostituierte.

John Swindon

Als der Schriftsteller Upton Sinclair, der Swintons Rede zitiert, für sein Enthüllungsbuch über die Monopole, Methoden und Manipulationen der Presse ("The Brass Check: A Study of American Journalism") 1919 keinen Verleger fand, brachte er es im Selbstverlag heraus. Es wurde von den Zeitungen nicht rezensiert, die New York Times weigerte sich sogar, Anzeigen für das Buch aufzunehmen. Hundert Jahre später, im Zeitalter der "Zeitungskrise", wäre man, was bezahlte Anzeigen betrifft, wohl weniger zimperlich, hören will man es dort aber immer noch nicht. Dass erst ein verrückter König kommen musste, der Fake-News-Attacken zwitschert, um dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen, entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Gar nicht komisch, sondern ernst scheinen es indessen die Meister der Intelligence zu meinen, die weiterhin das haarsträubende Märchen befeuern, dass König Donald eine Marionette des ultrabösen Wladimirs sei. Sie folgen damit einem eingespielten Drehbuch, mit dem schon in den 1950er Jahren, der so genannten "McCarthy Ära", operiert wurde, als man "Kommunisten" unter jedem Bett halluzinierte.

Hat irgendeiner aus Donalds Hofstaat mit irgendeinem Iwan vor der Wahl möglichweise mal einen Kaffee getrunken? Wenn ja, wäre ja wohl klar, dass die Wahlen manipuliert wurden, wo ja auch schon General Flynn mit dem Botschafter des Ultrabösen telefoniert hat ... das Königreich ist in Gefahr!

Dass die Gilde der Herolde sich nicht entblödet, diese Erzählung seit Wochen immer wieder aufzuwärmen, statt einem Stück Fleisch an diesem Knochen stets nur lauwarme Fake News zu servieren, scheint ihr bis dato nicht peinlich zu werden. Auch ihren transatlantischen Partnern, den hofeigenen Herolden der Königin Angela, wurden noch keine neuen Textbausteine geliefert, und sie köcheln weiter an der gar schröcklichen Geschichte, dass der aggressive Ultraböse auch hierzulande die Macht übernehmen will - und zieht als Zeugen keinen Iwan, sondern einen "Igor" aus dem ZDF-Fake News-Köcher.

Die "Washington Post" unterdessen kam nicht in den Genuss der Aussperrung, weil sie zu dem letzten "Briefing" keinen Reporter geschickt hatte. Weil sich die WaPo als Erstschlagwaffe bei der Flynn-Beseitigung einspannen ließ, wäre ihm aber wohl auch die Tür gewiesen worden. Dafür machte das Blatt mit einer Innovation auf sich aufmerksam, einem neuen Slogan, den man als "starkes Anti-Donald-Statement" verstanden wissen will: "Democracy Dies in Darkness".

Ausgedacht hat sich das neue Motto der Oligarch Jeff, den alle nur "Amazon" nannten, und dem nicht nur die "Washington Post" gehörte, sondern der auch groß im Geschäft mit den Meistern der Intelligence war: Er verwaltete ihre riesigen Datenspeicher, die "Cloud" genannt wurden.

Ob es eine von König Donald und seinem "Darth Vader" Steve Bannon verursachte Dunkelheit sein würde, die der Demokratie Sterbehilfe liefern würde, oder die von den unsichtbaren Meistern mit ihren "liberalen" Sprachrohren simulierte Pseudo-Transparenz, das war fortan im exzeptionalistischen Königreich eine große Frage.