Kohleausstieg hinausschieben?

Gelände der künftigen Fabrik von Tesla in Grünheide. Bild: © Ralf Roletschek/CC BY-SA 1.0 FI

Energie- und Klimawochenschau: Von notleidenden Milliardären, außerirdischen Koalitionen, überraschten Politikern und wundergläubigen Kandidaten

Der sogenannte Bürgerrat Klima hat am gestrigen Dienstag sein Abschluss-Gutachten vorgelegt. Der Rat besteht aus 160 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern, die in den vergangenen Monaten mit Fachleuten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Organisationen der Zivilgesellschaft diskutiert haben, wie die Klimaziele der Pariser Übereinkunft von 2015 umgesetzt werden könnten. Schirmherr des Rates war der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler.

Zu den Empfehlungen des Bürgerrates gehört unter anderem der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energieträger, damit diese schon 2035 100 Prozent des Stroms liefern können. Zwei Prozent der Landesfläche sollten für Wind- und Solarenergie zur Verfügung stehen, wobei auch an Wasserflächen und die kombinierte Nutzung mit der Landwirtschaft gedacht wurde.

Für Dächer müsse es eine Solarpflicht geben, die EEG-Umlage gesenkt und diese auch von den energieintensiven Industrien gezahlt werden. Außerdem wird eine frühe Bügerbeteiligung beim Ausbau sowie eine Förderung von Bürgerenergieprojekten verlangt.

Im Handlungsfeld Mobilität werden unter anderem Tempolimits auf den Autobahnen, den Landstraßen sowie den Innenstädten gefordert. Der öffentliche Personennahverkehr ÖPNV müsse unverzüglich ausgebaut, optimiert und verbilligt werden. Ebenso müssten der Bahnfern-, der Güterverkehr und die Radinfrastruktur ausgebaut sowie E-Autos gefördert werden.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Bundesverband Erneuerbare Energien einen schnelleren Ausbau von Sonne, Wind & Co. Die im Erneuerbare-Energien-Gesetz definierten Ausbau Korridore müssten "deutlich angehoben werden", zumal die beiden Verbände von einem bis 2030 auf 740 Terawattstunden (TWh, Milliarden Kilowattstunden) anwachsenden Strombedarf ausgehen. 2019 waren es knapp 500 TWh.

Letzteres ist unter Fachleuten relativ unstrittig, denn künftig wird mehr Strom für Elektrofahrzeuge aber auch für das Heizen mit Wärmepumpen benötigt. Auch die geplante Wasserstoffproduktion per Elektrolyse wird viel elektrische Energie benötigen.

Ansonsten wird in der gemeinsamen Erklärung von der nächsten Bundesregierung eine Ausbildungsoffensive gefordert und einige Vorschläge gemacht, wie der Strompreis gesenkt werden könnte. Konkrete Ausbauziele für die Erneuerbaren werden nicht genannt, und auch der Widerspruch zum Weiterbetrieb schwerfälliger Braunkohlekraftwerke bis weit in die 2030er-Jahre hinein blieb ausgeklammert.

Notleidende Milliardäre

Man muss halt seine Prioritäten setzen, und die liegen beim DGB immer noch beim Schutz der großen Konzerne. Der Bundesregierung geht es da nicht anders.

Wie unter anderem der Sender RBB berichtet, beabsichtigt das Bundeswirtschaftsministerium die von Tesla in Grünheide bei Berlin geplante Batteriefabrik mit 1,1 Milliarden Euro zu fördern.

Die Fabrik ist Teil einer bereits im Bau befindlichen Komplexes, in dem Tesla-Chef Elon Musk demnächst Elektro-SUV für den europäischen Markt herstellen will. Eine abschließende Genehmigung hat er allerdings noch nicht.

Musk ist laut Forbes mit 151 Milliarden US-Dollar Vermögen der zweitreichste Mann der Welt, also dringend auf die Unterstützung aus Steuergeldern für seinen noch nicht ganz legalisierten Bau angewiesen.

Nur mal so zum Vergleich: Um für die unter der Corona-Pandemie besonders leidenden Kinder und Jugendlichen zu unterstützen, hatte die Bundesregierung über ein Jahr Zeit gelassen, um Mittel für Sozial- und Förderprogramme locker zu machen.

Ganze zwei Milliarden Euro war ihr das wert, und ausreichend Luftfilter gibt es auch im September 2021 noch nicht, während die Inzidenz bei Kindern vielerorts bereits bei über 200 liegt. (Spitzenreiter ist derzeit Leverkusen mit 855.)

Außerirdische Koalitionen

Über den Auftakt der Proteste gegen die Internationale Automobil Ausstellung in München (IAA) hat Telepolis bereits berichtet: "Wir machen die IAA zum Desaster": Automesse ruft Protest auf den Plan. Am gestrigen Dienstag gab es auf den Autobahnen um die bayerische Landeshauptstadt herum eine ganze Reihe von Blockaden. Für Donnerstag und Freitag ist in München eine Art Gegenkongress geplant, am Samstag wird es eine Demonstration eines Bündnis von Umwelt- und Klimaschützern geben.

Für die Meteorologen hat am 1. September der Herbst begonnen, auch wenn es in Mitteleuropa wieder ein bisschen freundlicher wurde. Für die zurückliegenden drei Sommermonate stellt der Deutsche Wetterdienst fest, dass es der seit zehn Jahren regenreichste Sommer war, wobei sich die Niederschläge aber sehr ungleichmäßig verteilt haben.

Im Durchschnitt lagen sie 30 Prozent über dem Mittelwert der Jahre 1960 bis 1989, aber regional traten sie zum Teil geballt auf und hatten am Nordrand der Eifel, im Rheinland und am Alpenrand zum Teil katastrophale Folgen. Über 180 Menschen starben durch die Hochwasser im Westen der Republik.

Das hatte natürlich auch mit mangelndem Katastrophenschutz sowie mit örtlichen Gegebenheiten zu tun, wie etwa mit der nicht ausreichend abgesicherten RWE-Kiesgrube in Erftstadt bei Bonn. Die höchste Niederschlags-Tagessumme gab es nämlich nicht dort, sondern im uckermärkischen Ludwigsburg am 30. Juni mit 198,7 Liter pro Quadratmeter. Das daran nördlich angrenzende Vorpommern gehörte hingegen mit dem Thüringischen Becken und der Region im Windschatten des Harzes zu den weiter zu trockenen Gebieten Deutschlands.

Doch dort, in Sachsen-Anhalt wähnt man sich offenbar auf einem anderen Planeten. Auf dem fanden im Juni Wahlen statt, und nun verhandeln CDU, FDP und SPD über einen Koalitionsvertrag. In einem von der SPD ins Netz gestellten Entwurf heißt es allen Ernstes, dass man gegebenenfalls auf eine "Anpassung" des Kohleausstiegs, also auf eine Fristverlängerung hinwirken will.