Kohleausstieg und Koalitions-Arithmetik

Garzweiler. Bild: Ekem/CC BY-SA 3.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von CO2-Preisen, Grabenkämpfen und Höhenflügen und einem Außenminister, der von Klima redet, aber Machtpolitik meint

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Die CDU hat mit ihrer Vorstands-Klausur zu Wochenbeginn zweierlei deutlich gemacht. Zum einen verschärfen sich auch in ihren Reihen die Widersprüche in der Klimapolitik. Zum anderen ist mit ihr die von den streikenden Schülern geforderte CO2-Steuer nicht zu machen. Lieber singt man das hohe Lied der Marktwirtschaft und preist den Emissionshandel.

Nun ist dieser ohnehin eher dysfunktional, da zu viele Zertifikate ausgegeben wurden und der Preis entsprechend jahrelang im Keller war. Mit derzeit um die 25 Euro ist er immer noch zu niedrig, um die gewünschte Lenkungswirkung zu erzielen.

Außerdem weisen Modellrechnungen, die Umweltökonomen am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) durchgeführt haben, darauf hin, dass durch den Emissionshandel der Effekt des Kohleausstiegs in Deutschland von Kraftwerken in anderen Ländern zunichte gemacht werden könnte. Zusätzliche Maßnahmen wie ein Mindestpreis für die Emissionsrechte oder das Löschen von Zertifikaten sei notwendig.

Dass ein Industrieland mit hohem Kohleverbrauch wie Deutschland den Ausstieg aus der Kohle beschließt, ist ein starkes Signal - jetzt aber brauchen wir wirksame politische Werkzeuge, damit die nun anstehende Umsetzung des Beschlusses der Kohlekommission auch tatsächlich die klimaschädlichen CO2-Emissionen senkt.

Michael Pahle, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

Die Autoren haben in ihrer im kostenpflichtigen Journal Energiewirtschaftliche Tagesfragen veröffentlichten Studie unter anderem auch berücksichtigt, dass die Nachfrage nach Strom durch den Umstieg auf den Elektro-PKW und den Einsatz im Wärmesektor steigt. Die meisten Szenarien der Bundesregierung gehen immer noch von rückläufigem Bedarf aus.

Vor allem machen sie aber zwei Effekte aus, denen mit den vorgeschlagenen Maßnahmen entgegengewirkt werden soll. Zum einen würde durch das Abschalten von Kohlekraftwerken das Angebot sinken und der Preis steigen. (Das ist natürlich auch vom Ausbau der erneuerbaren Energieträger abhängig. Zu den diesbezüglichen Annahmen steht in der Presseerklärung allerdings nichts und die Studie ist hinter einer Bezahlschranke.)

Wenn aber das Stromangebot sinkt, steigt der Preis und die verbleibenden Kohlekraftwerke in anderen Ländern könnten häufiger kostendeckend arbeiten, mehr Strom verkaufen und mehr CO2 produzieren.

Zum anderen würde bei den gegenwärtigen, von den EU-Regierungen ausgehandelten Zertifikatsmengen deren Angebot erheblich durch den deutschen Kohleausstieg steigen und deren Preis in der Folge sinken. Das wiederum würde den CO2-Ausstoß der verbleibenden Kraftwerke und anderer Industriebetriebe verbilligen und bedeutete weniger Anreiz, Emissionen zu vermeiden.

Mindestpreis und Zertifikatmenge müssen allerdings mit den anderen EU-Ländern verhandelt werden. In den vergangenen Jahren hat sich die Bundesregierung, wenn es im Ministerrat entsprechende Diskussionen gab, im Interesse hiesiger Betreiber von Kohlekraftwerken gerne hinter dem hartnäckigen Widerstand Polens und einiger weniger andere Länder versteckt. Auf jeden Fall gibt es keinen Grund für die Annahme, dass ähnliche Verhandlungen künftig einfacher werden sollten.

Einfacher, eleganter und im nationalen Alleingang machbar, wäre hingegen die von den Schülern geforderte CO2-Steuer, die zugleich auch einen größeren, wenn nicht gar den ganzen Bereich der CO2-Emissionen abdecken würde. Außerdem könnte die Bundesregierung darauf verzichten, ihren Anteil der Zertifikate zu versteigern, was allerdings aufgrund bestehender Verträge problematisch sein könnte.

Zwei Lager in der CDU?

Wie dem auch sei, im derzeitigen Bundestag fehlt es offenbar an Mehrheiten für derlei Konzepte. Während im Augenblick die Erscheinungen des fortgeschrittenen Zerfalls der SPD mehr öffentliche Aufmerksamkeit bekommen, keimt auch in der CDU der Spaltpilz. Im Vorfeld der CDU-Klausur hieß es im Spiegel, in der CDU-Fraktion gebe es massiven Widerstand gegen die Strukturhilfen für die Braunkohlereviere. Einige Unionsabgeordnete merken vor allem kritisch an - was durchaus nachvollziehbar erscheint, dass das Geld "mit der Gießkanne" verteilt werden solle.

Sicherlich wäre es sinnvoller, es direkt in die günstigste Stromversorgung zu stecken. Das käme einem Förderprogramm für das örtliche Elektrohandwerk gleich, denn aufgrund der gesunkenen Preise für Solaranlagen findet inzwischen ein erheblicher Teil der Wertschöpfung bei der kaum industrialisierbaren Installation statt.

Die Frage ist allerdings, inwiefern das Gießkannen-Argument nicht einfach vorgeschoben ist. Manchem Unionsabgeordneten scheint einfach der Kohleausstieg als solcher nicht zu passen. Andererseits forderte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther laut Focus seine Partei auf, den Klimaschutz wieder zu "einem echten Herzensanliegen" zu machen.

Schließlich sei dieser "ureigenstes Anliegen" der CDU. Augenzeugen, die das Magazin zitiert, sprechen davon, dass dem Nordlicht bei der Vorstandsklausur deswegen der Kragen geplatzt sei. Auch sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Armin Laschet, daheim nicht gerade als Braunkohlegegner bekannt, verteidigte den Kohleausstieg.