Kolumbien: Warum Olaf Scholz nun wohl auf "Blutkohle" verzichten muss
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- Kolumbien, Kohle und Kanzler Scholz
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Der Wahlsieg des Linken Gustavo Petro in dem südamerikanischen Land stellt die Bundesregierung vor neue Herausforderungen. Energieimporte auf der Kippe.
Die Wahl des Linken Gustavo Petro in Kolumbien am Sonntag wird Auswirkungen über die Grenzen des südamerikanischen Landes hinaus haben. Auch die Bundesregierung muss sich auf Diskussionen mit der neuen Führung in Bogotá einstellen. Eine zügellose Ausbeutung der kolumbianischen Steinkohle, wie sie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Empörung seiner bündnisgrünen Koalitionspartner unlängst angekündigt hat, ist wohl nicht mehr möglich.
In der Stichwahl am Sonntag hatte sich der ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá, Gustavo Petro, mit 50,4 Prozent der Stimmen gegen den Rechtspopulisten Rodolfo Hernández durchgesetzt. Damit bleibt der Bundesregierung immerhin eine Unannehmlichkeit erspart: Hernández hatte sich in einem Radiointerview im Jahr 2016 als "Bewunderer" von Adolf Hitler geoutet und später nur halbherzig distanziert.
Anders als der Multimillionär und Bauunternehmer Hernández, der kaum Unterstützung etablierter Parteien hatte, stehen hinter Petro und seiner Vizepräsidentin Francia Márquez politische Gruppierungen und soziale Bewegungen. "Wir schreiben die Geschichte für Kolumbien, für Lateinamerika und die Welt neu", sagte Petro am Sonntag vor seinen Anhängern. Mit seiner Regierung komme, "ein echter Wandel".
Dass ein Linker Kolumbien regiert, war bis vor wenigen Jahren noch undenkbar. Regierung und Verwaltung sind traditionell von der Oberschicht kontrolliert. Die Machthaber unterdrückten über Jahrzehnte hinweg progressive Kräfte und soziale Bewegungen gewaltsam und erweckten nach außen den Anschein, das an natürlichen Ressourcen reiche Land sei konservativ geprägt.
Tatsächlich kämpfte die Oberschicht stets gegen starke soziale Bewegungen, die sich gegen die massive Ungleichheit der postkolonialen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zur Wehr setze. Die Guerillabewegungen, die seit den 1960er-Jahren entstanden, sind ein Resultat dieser Entwicklung.
Insofern bietet die Wahl Gustavo Petro die Möglichkeit eines Neuanfangs: Der 62-Jährige gehörte in seiner Jugend selbst eine bewaffneten Gruppierung an, verbüßte dafür eine zweijährige Gefängnisstrafe und wurde später parteipolitisch aktiv.
Frieden mit Guerilla und Oligarchie
Die kolumbianische Nationale Befreiungsarmee (ELN) ließ am Tag nach Petros Wahlsieg ihre Bereitschaft erkennen, die Friedensgespräche wieder aufzunehmen. Erste konkrete Schritte sollen nach der Amtsübernahme durch den Wahlsieger am 7. August in Angriff genommen werden.
Zunächst wird Petro aber bei den übrigen knapp 50 Prozent, die ihn nicht gewählt haben, Vertrauen schaffen müssen. Bis zu seinem Sieg wurde er oft auf seine Vergangenheit in der Guerilla reduziert. Nun entdecken Medien im Land und auf internationaler Ebene, dass er, wie eine deutsche Nachrichtenagentur schrieb, auch "Volkswirt, ehemaliger Abgeordneter und Diplomat" ist.
Daran knüpfte der Wahlsieger in seiner Rede an: "Ich sage frei heraus: Wir werden den Kapitalismus entwickeln. Nicht weil wir ihn lieben, sondern weil wir erstmal die vormodernen Strukturen überwinden müssen, den Feudalismus, die neue Sklaverei."
Seine Regierung werde sich drei Hauptthemen widmen: dem Frieden, soziale Gerechtigkeit und Umweltgerechtigkeit. Er wolle zudem regionale Dialoge mit dem Ziel fördern, "die Reformen umzusetzen, die Kolumbien braucht, um in Frieden zusammenleben zu können".
Für diesen Weg spricht auch, dass mit Francia Márquez erstmals eine Afrokolumbianerin Vizepräsidentin ist. Márquez war lange Jahre im Menschenrechts- und Umweltbewegungen aktiv und erhielt dafür Todesdrohungen.
Nach Ansicht des Linken-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko markiert der Sieg des Duos Petro-Márquez "eine zivile Zeitenwende für Kolumbien und die Region". Trotz verschiedener Zwischenfälle und Unregelmäßigkeiten seien die schnelle Anerkennung der Wahl positiv zu bewerten, so Hunko, der die erste Wahlrunde als Beobachter begleitet hatte: "Die hohe Präsenz internationaler Wahlbeobachter hat sicher dazu beigetragen", so Hunko weiter: "Die Aufgaben für die neue Präsidentschaft sind immens und sollten international unterstützt werden."