Kommentar: 40 Jahre später
Seite 2: "War on Terror" brachte Teheran den Durchbruch
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Der "War on Terror", der vom Westen ab 2001 in die Region getragen wurde, hatte der Islamischen Republik mit der Ausschaltung des nationalarabischen Baath-Regimes im Irak sowie der radikalsunnitischen Taliban in Afghanistan, den geopolitischen Durchbruch verschafft.
Irans Einfluss ist dadurch am wachsen. Im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten ist Iran geradezu eine Insel der Stabilität in dieser unruhigen Region. Es ist eine Nation mit gewaltigem Potenzial, das bisher aber nicht ausgeschöpft wird. Mit natürlichen Grenzen, einem stabilen Staatsaufbau und einer starken Armee.
Die Darstellung in westlichen und saudisch-wahhabitischen Medien als eine gefährliche und kriegerische Nation entspricht weder den historischen Tatsachen - den letzten Angriffskrieg verübte Iran im 19. Jahrhundert - noch den verteidigungspolitischen Realitäten.
Bis jetzt hat der Westen keine Antwort auf die Islamische Republik Iran gefunden. Im Gegenteil. Die einseitige Unterstützung Saudi-Arabiens, flankiert von der weltweiten Verbreitung der saudischen Variante des Islams - wie z.B. Salafismus - hat dem Westen selbst massiv geschadet und gefährdet die Sicherheit der Welt.
Donald Trump, der diesbezüglich seine Wahlversprechen bricht, führt diese fatale Politik fort. Änderungen sind mittelfristig nicht zu erwarten. Änderungen werden nur durch die iranische Bevölkerung herbeigeführt, die inzwischen zu der säkularsten der Region gehört, ihrer Regierung größtenteils überdrüssig ist, aber patriotisch gesonnen bleibt. Wie schnell ein festgefügtes Regime gestürzt werden kann, wurde dort vor 40 Jahren bewiesen. Zur Stunde gleicht die islamische Republik Iran einem Koloss auf tönernen Füßen.
Östlich des Irans stellt sich die Ausgangslage wie folgt dar:
Wir befinden uns im Jahr 17 des "War on Terror" - und die afghanischen Taliban - seit 2001 von den USA als Kriegsgegner Nr.1 analysiert - wurden bisher nicht besiegt, aber dafür jetzt als Verhandlungspartner akzeptiert, ohne dass die "demokratische" Regierung in Kabul zu diesen Verhandlungen eingeladen wurde.
Diesbezüglich sei die Frage erlaubt: Was für ein Scheitern eines global angelegten, strategischen Entwurfes offenbart sich dort, was für ein Versanden, was für ein moralischer Ausverkauf auf dem Rücken von Millionen Opfern dieses "Kriegs gegen den Terror"? Immerhin faselt man im politischen Berlin nicht mehr davon, dass "unsere Freiheit" am Hindukusch verteidigt wird - und Washington gesteht ein, was schon seit Zeiten Alexanders des Großen bekannt ist: Afghanistan zu erobern ist leicht - es zu beherrschen ist unmöglich.
USA verhandelten in den Neunzigern mit Taliban
Die USA standen schon in den 1990er Jahren im engen Kontakt mit den Taliban. Zu jener Zeit - die Taliban waren damals weder gemäßigter noch umgänglicher als heute - verhandelten beide Seiten intensiv, als der Iran sich fast im Kriegszustand mit den radikalsunnitischen "Gotteskriegern" befand. Damals - und hier wird die Story hochaktuell - ging es um den Bau einer Pipeline in Afghanistan.
Einmal mehr zitiere ich an dieser Stelle den ehemaligen CIA-Agent Robert Baer. Er schreibt dazu in seinem lesenswerten Buch Die Saudi-Connection:
Das State Departement verschloss nicht nur die Augen vor der radikal-islamischen Außenpolitik, die Saudi-Arabien betrieb - gelegentlich leistete es dieser Politik sogar noch Vorschub. Es wusste, dass der Plan der Saudis, Erdgas- und Erdöl-Pipelines von Zentralasien bis nach Pakistan quer durch Afghanistan hindurch zu führen, den Taliban dabei helfen würde, an der Macht zu bleiben - und auf diese Weise zugleich dafür zu sorgen, dass Osama Bin Laden ein sicheres Schlupfloch behielt. Trotzdem ermunterte es sogar noch die amerikanische Gesellschaft United Oil of California (UNOCAL), sich daran zu beteiligen.
Soweit Robert Baer über seine Erfahrungen in den 1990er Jahren. Was danach geschah, ab 2001, ist ja bekannt.
Die Taliban lehnen Gespräche mit der afghanischen Regierung von Präsident Aschraf Ghani kategorisch ab, da sie diese für eine Marionette der USA halten. In Washington scheint man diese Einschätzung zu teilen, weshalb man die eigene Marionetten-Regierung bei den Verhandlungen umgeht.
Der Afghanistan-Experte Emran Feroz schreibt dazu in der österreichischen Tageszeitung Die Presse:
Kabuls politische Elite ist nervös. Während Washington seit geraumer Zeit mit den aufständischen Taliban im Golfemirat Katar einen Friedensdeal aushandelt, fühlt sich die Kabuler Regierung übergangen. Der Mann der Stunde ist nicht etwa Afghanistans Präsident Aschraf Ghani, sondern US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad, der selbst afghanische Wurzeln hat und die amerikanische Politik am Hindukusch seit fast vier Jahrzehnten beeinflusst. Nach den jüngsten Gesprächen, die immerhin ganze sechs Tage andauerten, könnte ein Abzug der internationalen Truppen - die Hauptforderung der Taliban - bald zur Realität werden.
Laut Beobachtern würden die Taliban durch einen Abzug der ca. 14.000 US-Soldaten ihr Herrschaftsgebiet weiter ausdehnen.
Es bleibt zu hoffen, dass nach 40 Jahren Krieg in Afghanistan Frieden einkehrt - wie heißt es doch: die Hoffnung stirbt zuletzt.
Afghanistan war immer das Opfer seiner geopolitischen Lage. Für die USA ist das Versacken am Hindukusch (wie auch die Möglichkeit eines Truppenabzuges) ein böses Omen. Es war im Jahr 1989, als die letzten Truppen der Roten Armee aus Afghanistan abzogen und die Grenze nach Sowjetisch-Tadschikistan überquerten. Noch im gleichen Jahr fiel die Mauer in Berlin, stürzten die realsozialistischen Regime von Ost-Berlin bis Bukarest. Nur zwei Jahre später lag das rote Imperium, welches von der Ostsee bis zum Pazifik reichte, vom Polarkreis hin zu den heißen Steppen Zentralasiens, in Trümmern. Die UdSSR wurde Geschichte. In Washington sollte man diesbezüglich nicht vergessen, dass man auch gerade deshalb Afghanistan den "Friedhof der Imperien" nennt.
Was die bevorstehen Wahlen im Lande angeht, so sind diese gefährdet. Informierte Kreise gehen davon aus, dass die Taliban und die USA eine Übergangsregierung installieren werden, welche die Interessen den beiden Verhandlungspartner widerspiegelt.
40 Jahre später wird dieses Jahr von den Ereignissen des Jahres 1979 beeinflusst bleiben.
2019 werden wir also weiter Zeugen jener beschleunigten historischen Entwicklungen sein, die ein Kennzeichen unserer Epoche sind. Es ist daher von dringender Notwendigkeit, dass bei der Betrachtung und Beurteilung globaler Prozesse eine historische Perspektive wieder die Oberhand gewinnt.