Kommentar: Etabliertes Fernsehen vs. das digitale Bukett
Seite 2: Problemfall "Mediatheken"
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- Problemfall "Mediatheken"
- Der Gegenpol: das Monopol
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Durch Streams laufender Programme sind Fernsehen und Internet von Ersterem her bereits ununterscheidbar geworden. Während die Medienhäuser auf öffentlich-rechtlicher Seite relativ restriktiv Archive wieder löschen müssen und nur einen Teil ihrer Produktion variabel abrufbar stellen, pflastern die Privaten Auszüge ihrer Inhalte mit Werbung zu (wie auch sonst).
Bei einem kürzlichen Relaunch der ARD-Mediathek verschwand etwa die Möglichkeit, sich alle neuesten Inhalte mit Vorschaubild anzeigen zu lassen - die einzige Übersicht dieser schnellen Art. Stattdessen wurden Kacheln immer größer und Rubriken starrer. Die Entwickler halten es vermutlich für "Nutzerführung". Hier wird immer noch vom gestrengen Redakteur her gedacht, nicht vom savvy oder auch eher sleazy Nutzer.
Dass diese Sender es in ihrer heutigen Form überleben, ist eigentlich unmöglich. Entweder, sie ändern sich deutlich schneller oder sie schwinden signifikant weiter. Tendenz: Letzteres, aus naheliegenden Gründen der Trägheit etablierter Strukturen und einer Behäbigkeit des Betriebs, der bei staatlich erhobenen Gebühren für sein Arbeitspensum noch reichlich tafelt.
Pluralität ist Fetisch-Begriff, die Realität überfordert
Da sind die hehren Ideale, Wunschträume von der "Demokratisierung der Medien", der Befriedung der Menschheit, der Einheit in Vielfalt, denen gerade die Journalisten ohne Grenzen huldigen. Das Internet hat eine Reihe ganz anderer Gesichter. Denn neben dem Abbau bezahlter journalistischer Tätigkeit stoßen bei akademisch geprägten Medien-Eliten derzeit am meisten sog. "Rechtstendenzen" auf Widerspruch. Das Schwinden jedweder Hemmschwellen vor Webcams & Co. wird seltener verhandelt als alles, was mit Begriffen wie "Nazi" oder der erfolgreichsten Partei des Spektrums, der AfD, assoziiert ist.
Dies gehört zum Feld all dessen, was in Gegenreaktion zu vorhandenen oder auch nur vermeintlichen Ureigenheiten 1933-45 in Deutschland als die Haupt-Agenda aller etablierten Medien heute auftritt. Es wird wohl den meisten sichtbar Beteiligten als eine Weltbesserung vorgespiegelt.
Vielleicht ist das große Gefecht gegen den sog. "Rechtspopulismus" auch eine Ablenkung von einer kulturellen Transformation, die mittlerweile milliardenfach täglich vor sich geht. Sie schert sich nicht um Medien-Traditionen und oft auch nicht politische Korrektheit. Sie kann wohl als relativ geschichtsvergessen und sehr gegenwarts- und ich-fixiert bezeichnet werden. (Ich-fixiert sind jedoch als Vorbilder nicht zuletzt die etablierten Medien-Ikonen, was man nicht vergessen sollte. Die 15-Minuten-Berühmtheit hat dabei heute weltweite Dimensionen und bisher nicht ganz absehbare Folgen.)
Das in etablierten Medien kaum abgebildete Gesamtphänomen sammelt sich an erster Stelle auf YouTube, in anderer Konfiguration und Auswahl per "Freundschaften" und ebf. Abonnements auf Facebook. Es ist der ultimative Push von neuem Content, buchstäblich sekündlich. Die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen begrüßen über Tage oder gar Wochen mit denselben Vorschaubildern und träger Aktualisierung. Auf den großen Plattformen ist es meist nur ein Klick auf den "Aktualisieren"-Button des Broswers, um eine neue Auswahl dem Nutzer meist unbekannter neuer und alter Uploads und Beiträge auszugeben.
Hier auch nur eine sinnvolle Aufzählung zu machen, ist fast unmöglich und bildet sich auf den "Medienseiten" großer "Zeitungen" kaum je ab: Das Internet ist, gebündelt auf wenigen Plattformen, übervoll mit allen denkbaren Spezialthemen. Jede bekannte Themen-Rubrik des Politischen, Wirtschaftlichen und Kulturellen ist ebenso vertreten wie die wenige Dutzend bis Hunderte Male abgerufenen Fachvorträge an Universitäten oder Tutorials für Hobbies jeder Art in Schrift, Bild und Ton, die zumal englischsprachig aber auch schon ihre (nur beinahe hidden) Champions haben, die dementsprechend über Ländergrenzen hinweg senden.
Bei unterschiedlichster Qualität besticht dies schon durch die freie Wählbarkeit, die teils gute Machart durchaus belohnt und die in der Spezialisierung kaum zu überbieten ist. Es wird in großen Medienhäusern vorerst keine Spezial-Rubriken für Audio-Mixing oder schrulligste Denkansätze, für privateste Einblicke und äußerst ungehobelte Äußerungen geben.
Und merke: Der Tag hat nach wie vor nur 24 Stunden. Selbst, wenn manche digitale Sendungen mit erhöhter Geschwindigkeit geschaut werden, um Zeit zu sparen - jedes neue Angebot, das im Übrigen auf Jahre weiter Konkurrenz für alles andere macht, nimmt Nutzungsdauer von vorhandenen Angeboten hinweg. - Fragen werden deshalb immer dringlicher, warum für das eine Gebühren erhoben werden, während das andere im Übermaß gratis erhältlich ist und das konventionell Durchfinanzierte (ÖR/privat) tendenziell immer weniger Nutzer für sich gewinnt. (Dazu gleich nochmal abschließend.)
Was an das Internet gewöhnten Zuschauern bei der zeitweiligen Rückkehr in die Programm-Übersichten der (bei den Älteren noch) Etablierten deutlich auffällt, ist, dass sie sich der Begrenzung ihrer eigenen Perspektiven wenig bewusst zu sein scheinen. Für sie gibt es einen scheinbar definierbaren Begriff von "Qualitätsmedien". Bei berechtigten Fragen nach inhaltlichen und formalen Standards läuft es im Netz leider darauf hinaus, dass Selbstbestimmung durch Bildung ermöglicht wird, bei fehlender Bildung eher ein weiterer Absturz vorprogrammiert ist. Wer nicht beurteilen kann, fällt auf den erstbesten Schrott herein.
Es gäbe viel dazu zu sagen, ob dieser Schrott als eher harmlos oder auch stärker gefährdend zu bewerten ist. So normativ über Inhalte zu sprechen, hat sich die linksliberale Intelligenzja jedoch nach 1945 strikt verbeten. Vielleicht rächt sich das. Ob Vorteile überwiegen, lässt sich eben schwierig quantifizieren. Nun entscheidet kein "Fernsehrat" mit Parteienproporz mehr, und die "Medienaufsicht" (lol) ist schon rein zeitlich einfach aus der Zeit gefallen.