Kommt Puigdemont nach Landshut?
Der aus der Haft entlassene katalanische Regionalregierungschef muss vorerst in Deutschland bleiben
Seit heute Nachmittag kurz vor 14 Uhr ist der am 25. März festgenommene abgesetzte katalanische Regionalregierungschef Carles Puigdemont wieder frei. Die Justizvollzugsanstalt Neumünster entließ ihn, weil der Erste Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts gestern zwar einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Auslieferungshaft genehmigte, aber gleichzeitig Haftverschonung unter Auflagen anordnete (vgl. Puigdemont: Schlappe für Madrid).
Zudem stellte er klar, dass der Auslieferungshaftbefehl nicht bezüglich des Vorwurfs der "Rebellion" genehmigt wurde, die die Staatsanwaltschaft mit dem "Hochverrat" im deutschen Strafgesetzbuch gleichsetzen wollte. Der Senat, so heißt es dazu, sei zur Überzeugung gelangt, "dass sich hinsichtlich des Vorwurfs der 'Rebellion' die Auslieferung als von vornherein unzulässig erweist", weil der von einem spanischen Richter konstruierte Tatbestand einer bloßen "Gewaltgefahrschaffung" durch Nichtabsage des Referendums, nicht der verfassungsorganbeugenden Gewalt entspricht, die der deutsche Hochverratsparagraf als Tatbestandsmerkmal fordert.
Will die spanische Justiz eine Auslieferung wegen Untreue?
Als möglich erachtet das OLG eine Auslieferung wegen Untreue, wozu es Puigdemonts deutschen Strafverteidigern nach "der spanischen Justiz noch ein weiteres Mal Gelegenheit [gab], den […] Vorwurf zu belegen". Dabei geht es um etwa eineinhalb Millionen Euro an Kosten für das Unabhängigkeitsreferendum. Wegen des Spezialitätsgrundsatzes in Artikel 27 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten (RbEuHb) dürfte Puigdemonts dann aber lediglich dafür bestraft werden.
Ob spanische Gerichte die daraus resultierende Ungleichbehandlung von Angeklagten tatsächlich wollen, ist fraglich, weshalb es der Jurist und Fachblogger Oliver García für gut möglich hält, dass die dortige Justiz den europäischen Haftbefehl lieber erneut außer Kraft setzt, wie sie das nach entsprechenden Signalen aus Belgien bereits am 5. Dezember machte (vgl. Puigdemont-Auslieferung: Nicht so einfach, wie die ARD meint).
ERC und Junts per Catalunya
Zu den Auflagen für Puigdemonts Haftverschonung gehören neben einer heute Mittag hinterlegten Kaution in Höhe von 75.000 Euro auch eine wöchentliche Meldeauflage bei der Polizei in Neumünster und das Verbot, das deutsche Bundesgebiet ohne behördliche Erlaubnis zu verlassen. Nun wird spekuliert, ob er an der Generalversammlung der europäischen Separatisten- und Autonomistenparteien teilnimmt, die am 13. und 14. April im niederbayerischen Landshut stattfindet. Vorher stand einer Teilnahme dort unter anderem die Gefahr einer Festnahme in Deutschland entgegen.
Ob Puigdemont jetzt dort auftritt, hängt nicht nur von dessen Plänen ab, sondern auch vom Verhältnis der verschiedenen katalanischen Parteien, die für eine Unabhängigkeit eintreten: Puigdemonts Partit Demòcrata Europeu Català (PdeCAT) hat sich auf europäischer Ebene nämlich der liberalen ALDE-Fraktion zugesellt, und nicht der Autonomistenfraktion EFA, der die Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) angehört. Die war zwar Bestandteil von Puigdemonts ehemaligem Wahlbündnis Junts pel Sí, aber nicht mehr vom Nachfolger Junts per Catalunya. Die Festnahme des abgesetzten Regionalregierungschefs führte jedoch zu einer erneuten Annäherung von ERC und Junts per Catalunya und zu einer Wiederaufnahme des Vorhabens, ihn trotz juristischer Hindernisse erneut zu wählen (vgl. Puigdemont soll nun doch wieder Präsident werden).
Spanische Regierung "akzeptiert" Entscheidung
Für die spanische Regierung, die die Festnahme Puigdemonts als "gute Nachricht" bewertet hatte, die "zeige, dass die Institutionen funktionierten", verlautbarte Justizminister Rafael Catalá gestern: "Einige Justizentscheidungen gefallen uns besser, andere weniger", akzeptieren müsse man sie aber trotzdem. Gerüchte, dass das Eingreifen der deutschen Behörden am 25. März im Zusammenhang mit dem Kauf von 50 Eurofighter-Kampfflugzeugen durch Spanien stehen könnten, werden bestritten.
Die spanische Justiz hat währenddessen den am 28. Oktober abgesetzten katalanischen Polizeichef Josep Lluís Trapero, zwei weitere Führungskräfte seiner Mossos d'Esquadra und einen Beamten des katalanischen Innenministeriums wegen "Aufruhrs" angeklagt, auf den in Spanien bis zu 15 Jahre Haft stehen. Ähnlich wie der gegen Puigdemont erhobene Vorwurf der "Gewaltgefahrschaffung" durch Nichtabsage eines Referendums bezieht sich diese Anklage eher auf eine Passivität als auf ein aktives Handeln: Trapero und die anderen Angeklagten sollen ihre Polizisten beim Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober im Rahmen einer "wohlüberlegten, perfekt koordinierten Strategie" zu zaghaft eingesetzt haben.