Kommt die Pizza-Connection an die Macht?

Seite 2: Schäubles Schweigen

Aber was tut sich wirklich innerhalb der Partei? Eine Partei - und mehr als alle anderen die Union - ist ein politischer Großverband. Sie ist nicht nur die Masse ihrer Mitglieder, sie ist vielmehr ein geheimnisvoller Organismus, mit vielen verschiedenen Teilen, mit Organen und Extremitäten.

Auch Politik ist arbeitsteilig organisiert. Daher gibt es sehr unterschiedliche Funktionsebenen, sehr unterschiedliche Arten von Engagement, von Aufgaben und von Parteitätigkeiten. Es gibt Menschen, die für die Arbeit im Hintergrund zuständig sind, andere für Logistik, für Strategie, es gibt Büroarbeiter und Basis Arbeiter.

Vor diesem Hintergrund findet die Meinungsbildung der Delegierten statt. Vor diesem Hintergrund sind auch alle öffentlichen Bekenntnisse, Bewertungen und Meinungsäußerungen zu verstehen. Hier hat sich in den letzten Wochen einiges Bemerkenswerte getan. Die eine Beobachtung ist das laute Schweigen Wolfgang Schäubles. Der Bundestagspräsident ist durch sein Amt zu einer gewissen Neutralität verpflichtet, doch Schäuble hat im vergangenen Jahr bewiesen, dass er sich auch in diesem Amt nicht den Mund verbieten lässt und dass er, wenn er es für richtig hält, entweder direkt oder zumindest indirekt sehr deutlich macht, was ihm wichtig ist.

Umso auffälliger ist, dass er diesmal nichts sagt. Vor zwei Jahren, als die Entscheidung zwischen AKK, Merz und Spahn fiel, hatte er sehr deutlich und früh genug öffentlich gemacht, dass er für Merz eintritt. Diesmal nicht. Liegt dies nur daran, dass ja sowieso alle wissen, auf welcher Seite Schäubles Sympathien liegen?

Oder ist es vielmehr so, dass diese Sympathien sich neu verteilt haben? Dass Schäuble nicht mehr auf Merz setzt und die Zukunft der Union woanders verortet? Die einzige vernehmbare Äußerung Schäubles zu Sache war jene, dass auch einer aus der CSU Kanzlerkandidat werden könne. Also pro Söder. Eine Kanzlerkandidatur Söders wäre mit einem CDU-Vorsitzenden Merz am unwahrscheinlichsten.

Linnemanns Zwischentöne

Ähnlich überraschend war ein Interview, das Carsten Linnemann, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU/CSU, ein klarer Merz-Parteigänger ("Friedrich, wir brauchen Dich!"), gerade auf Phoenix gegeben hat. Zu Jens Spahn, der lange auf die Mittelstandunion zählen konnte, sagt Linnemann reserviert: "Ich unterstütze ihn auch." Er werde "eine wichtige Rolle" spielen. Von einer Kanzlerkandidatur redet Linnemann dezidiert nicht.

Ein Vorsitzender müsse Klarheit in der Sprache haben. "Wir müssen als Volkspartei für die Zukunft stehen und nicht für die Vergangenheit, für das was wir schon gesehen haben. Und er muss vereinen können. Es gibt einen Tag nach dem 16. Januar. Und an diesem Tag ist es unglaublich wichtig, dass die Union als Ganzes zusammenhält."

Dies entspricht genau der Argumentationslinie Norbert Röttgens.

Auch aus den Zwischentönen zu Sachfragen könnte man heraushören, dass Linnemann Röttgen unterstützt. Wie dieser betont er die Notwendigkeit einer Föderalismus-Reform. Linnemann redet auch von einer deutschlandweiten Lernplattform und für eine bundeseinheitliche Bildungsreform. Themen von Röttgen.

Ein steinerner Gast und ein Hauch der alten Bonner Republik

Und dann ist da noch Markus Söder. Söder ist der steinerne Gast ist diesem Dreikampf. Was will Söder? Welchen Vorsitzenden wünscht er sich? Diese Frage muss gestellt werden.

Wenn man unterstellt, dass Söder tatsächlich gerne der kommende Kanzlerkandidat und dann Kanzler einer schwarz-grünen Koalition wäre, welcher CDU-Vorsitzende würde ihm dann am meisten passen? Auch hier lautet die Antwort: Norbert Röttgen. Der ist flexibel und am ehesten derjenige, der eigene Ambitionen bezüglich der Kanzlerkandidatur ebenso zurückstellen würde wie in einer nachfolgenden gemeinsamen Regierung.

Trotzdem stehen die Chancen für Söder schlecht. Am Ende wird die CDU pragmatisch entscheiden und versuchen, weiterhin die Mitte der Gesellschaft zu erreichen und zu bedienen. Eine Positionierung der Union in der Mitte würde neben der FDP auch SPD und Grüne als potenzielle Bündnispartner - und Bündnispartner braucht die CDU, wenn sie im Bund regieren will - erreichbar halten. Strategisch liegt es daher nicht im Interesse der Union, sich zu weit nach rechts auszudehnen und damit die Mitte preiszugeben.

Programmatisch wird die CDU nicht darum herumkommen, den Begriff des "Konservativen" bald neu zu definieren: nicht als Rechtsaußen-Begriff, sondern im Sinne von wertkonservativ und abgesetzt vom "Rechten", Rechtsextremen - als In-Begriff einer "bürgerlichen", demokratischen Rechten. Diesen müsste sie dann im eigenen Interesse mit dem Begriff des Liberalen - nicht des Neoliberalen - versöhnen. Sie müsste die Mitte definieren als fortschrittsoffen, wirtschaftsoffen und wertkonservativ. Um Schwarz-Grün wird die Union daher genauso wenig herumkommen wie die Grünen.

Röttgen wie Laschet haben schon früh mit Grünen Gespräche geführt. Zuzeiten, als es noch undenkbar war, waren beide in der Bonner "Pizza-Connection".

So dürfte am Samstag endlich diese schwarzgrüne Verbindung in der CDU ans Ruder kommen. Was auch in jedem Fall ans Ruder kommt, ist NRW, ist ein Hauch von Adenauer-CDU, ein Hauch der alten Bonner Republik.