Kommt die Rundfunkgebühr für E-Mail?

"GEZ-Pflicht für Internet-Nutzung": Ein Unsinn, der alle Jahre wieder auf den Tisch kommt

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ARD und ZDF wollen nun mit Hilfe der Politik das Internet für sich kassieren, nachdem sie bei Radio und Fernsehen mit der Einführung des Privaten Rundfunks vor 20 Jahren ihr Monopol verloren haben

Schon 1996, als ich bei einem Mobilfunkprovider mit der Entwicklung von SMS- und "Mobile Office"-Lösungen beschäftigt war, drohte man, mir das gerade erst genehmigte und zum Versenden der Kurzmitteilungen über die Zugänge der Funknetzbetreiber notwendige Modem wieder abzunehmen. Der Grund: In den nächsten Monaten würde ein neues Gesetz kommen, mit dem auf Modems zukünftig von der GEZ Fernsehgebühren fällig würden und eine so hohe monatliche Ausgabe sei das Unternehmen bei allem guten Willen nicht bereit, in das Projekt zu investieren.

Es wurde damals dann doch nicht ernst mit der Gebührenpflicht für Computer mit Online-Zugänge; ich durfte das Modem behalten und weiter SMS verschicken. Daraus entstand schließlich einer der ersten SMS-Server, über den neben Logistik-Anwendungen auch Compuserve-User SMS verschicken konnten und über den FC-Bayern-Fans von den neuesten Toren oder Torheiten ihres Vereins auf dem Handy informiert wurden. Auch wenn das an Ernsthaftigkeit und Notwendigkeit zugegeben nicht weit über dem Niveau des deutschen Fernsehens lag, so hatte es doch mit Radio oder Fernsehen nichts zu tun; es wäre über ein Modem mit maximal 28.800 Bit/s auch gar nicht möglich gewesen. Mein Chef hätte mir zudem was gehustet, wenn ich in der Arbeitszeit ferngesehen hätte

Seit 10 Jahren gieren ARD und ZDF nach Online-Gebühren für Modem und Internet

Eine Online-Verbindung ist geeignet zum Fernsteuern von Maschinen: Ein Server kann heruntergefahren, eine Nachtspeicherheizung eingeschaltet werden. Mit Radio oder Fernsehen hat dies nichts zu tun. Wozu sollte man Radio oder Fernseher auch ferngesteuert einschalten – etwa um den Hamster zuhause in den Genuss der Tagesschau kommen zu lassen, während man noch unerwartet mit Überstunden im Büro sitzt?

Eine Online-Verbindung ist auch geeignet, um Mails zu verschicken oder zu chatten. Ist das Rundfunk? Gibt es auf Briefe und Telefonate in Zukunft folglich auch eine GEZ-Pflicht? Ist für geschäftliche Anrufe dann die Fernsehgebühr, für private dagegen nur die niedrigere Radiogebühr fällig? Und welche Strafe wird wohl fällig, wenn die GEZ den Briefträger dabei erwischt, wie er einem GEZ-Nichtzahler einen Brief zustellt (womöglich die Anmeldeaufforderung von der GEZ für den Briefkasten)? Und wie hoch ist schließlich wohl die Strafe auf "Schwarzmailen"?

Ist die Briefpost und das Telefon zukünftig auch GEZ-pflichtig?

Mit einer Online-Verbindung kann man auch Telepolis lesen. Telepolis ist kein Radio und auch kein Fernsehen. Und wenn es das wäre, bekäme der Heise-Verlag dann etwa Geld aus dem Gebührentopf von ARD und ZDF? Oder würden auch Zeitungen und Zeitschriften gebührenpflichtig?

Alles völlig absurde und fiktive Fragen? Alles reine Spinnerei und Übertreibung? Leider nicht. Die Drohung, Rundfunkgebühr auf onlinefähige Computer zu kassieren, kommt mit jeder Gebührenrunde mit der Regelmäßigkeit und Lästigkeit einer Erkältung zurück. Zuletzt kam sie 2001 von der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis auf den Tisch, weil ARD und ZDF ja auch im Internet vertreten seien – obwohl sie niemand darum gebeten hat. So kann man mit einem Internetanschluss auf diese Art nun auch Radio hören oder fernsehen und nur weil dies nun möglich ist, wird daraus gleich eine Gebührenpflicht für alle abgeleitet. Dabei ließen sich die Internetangebote der Sender technisch ohne weiteres auf Gebührenzahler beschränken.

Internet ist nicht zum Fernsehen da

Klar, man kann viel tun, ob das Werkzeug dazu passt oder nicht. Man kann auch mit einem Bagger ein Sixpack Bier vom Aldi holen, aber deshalb ist ein Bagger noch kein typisches Brauereifahrzeug und wirklich sinnvoll ist es auch nicht: Im Gegensatz zum Radio und Fernsehen über Funk fällt im Internet für jeden Hörer eine neue Stream-Verbindung an. Damit kann Webradio oder gar Web-TV stets nur ein Nischen-, aber niemals ein Massenmedium werden – die Kapazitäten, um jedem Gebührenzahler eine Fernsehverbindung übers Internet zu bieten, wären enorm. Am 11. September 2001 waren schon reine Textseiten im Web kaum mehr erreichbar, von Fotos ganz zu schweigen. Audio oder Video? Undenkbar! Wer will bitte ein Radio, das ins Stottern und Spucken kommt, wenn zu viele Nachbarn denselben Sender hören wollen wie man selbst?

Im Gegenteil, wer online geht, will eben gerade nicht fernsehen. Mit dieser Argumentation, dass man inzwischen auch über das Internet Radio hören könne, könnten ARD und ZDF auch eine Zeitung herausbringen, morgens verteilen lassen und für jeden Briefkasten Rundfunkgebühren verlangen lassen. Oder in den Rundfunkhäusern einen Praktikanten mit 500 Telefonen und einem Radio in einen Raum setzen: Wer anruft, bekommt das aktuelle Programm vorgespielt und schwupps wäre der Besitz eines Telefonanschlusses GEZ-pflichtig.

So einfach geht das also? Ja, es ist wieder einmal soweit und die AFP meldet:

Bei ihrem Vorschlag für die Erhöhung der Rundfunkgebühren auf 17,01 Euro hat die Fernsehkommission der Bundesländer auch eine Gebührenpflicht für Computer mit Internet-Zugang vorgeschlagen. Diese […] soll ab dem 1. Januar 2007 eingeführt werden […].

AFP/Yahoo: Rundfunkgebühr für PCs mit Internet empfohlen

Dass eine Fernsehgebühr für jeden einzelnen PC in Firmen zu Proteststürmen der Unternehmen führen würde, wurde 2001 bereits dem damaligen ARD-Vorsitzenden Fritz Pleitgen klar, der sich über den von Heide Simonis als Stellvertreterin geführten Vorstoß zunächst gefreut hatte und er erwog deshalb, genauso wie beim jetzigen Vorschlag, in Firmen nur noch einmalig abzurechnen. Gut für große Unternehmen, die mit einer TV-Gebühr neben den Computern dann auch Hunderte von Radios und Fernsehern auf einen Schlag abdecken können, schlecht für den Freiberufler, der gar kein Radio im Büro stehen hat, aber halt den Computer.

Komische Sache: Die Internet-GEZ ist für die Sender eigentlich ein Minusgeschäft

Kurz darauf wurde die Idee der Internet-GEZ von Herrn Pleitgen jedoch unerwartet und urplötzlich wieder verworfen: Mit nur noch einem anzumeldenden Gerät pro Firma wäre das Ganze finanziell nach hinten losgegangen und hätte statt der erhoffen Mehr- vielmehr Mindereinnahmen gebracht.

Warum man es bei dieser weisen Erkenntnis nun nicht belässt und so im Forum des Heise-Newstickers größere Tumulte auslöst als bei der netzweit bejubelten Inhaftierung eines Münchner Anwaltes?

Vermutlich deshalb, weil ARD, ZDF und Politiker auch weiterhin nicht akzeptieren wollen, dass das Internet zunächst einmal ein Telekommunikations- und kein Broadcastmedium ist: Ebenso, wie ich mich mit Herrn Pleitgen sinnloserweise um für mich persönlich bestimmte E-Mails streiten musste, obwohl diese für ihn nun wirklich nicht den geringsten Gebrauchswert hatten, ebenso wie er per Gericht das Hobby Amateurfunk im Widerspruch zu internationaler Vereinbarungen als ebenso kommerzielle Konkurrenz zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk deklarieren läßt und sogar Handys und Schnurlostelefone als kommerzielle Funk-Konkurrenz zu seinem Unternehmen ansieht, hat man offensichtlich auch nun bei der Internet-Rundfunkgebühr Gedankengänge wie:

"Also wenn wir Ihnen schon erlauben, zukünftig die Geburtstagsgrüße Ihres Patenkinds als E-Mail mit Ihrem Computer selbst zu empfangen und uns da heraushalten, statt dass Sie weiter brav unsere Wunschsendung hören und unsere Quote heben – und obwohl wir eigentlich alles, was im Internet abläuft, als unsere dritte Programmsäule und unser ureigenes Geschäft betrachten – ja dann wollen wir halt wenigstens an dieser Mail mit verdienen..."

Internet ist Telekommunikation und nicht Rundfunk

Doch es bliebe eben eine reine Machtdemonstration – ein Einnahmeplus für die Sender wäre es nur in unglücklichen Einzelfällen, in der Gesamtheit ist es dagegen finanziell ein Reinfall. Einfacher wäre es da schon, zukünftig pro Haushalt eine pauschale Rundfunksteuer einzuziehen. Das würde auch die Jobs der GEZ-Mitarbeiter sichern: Statt nach unter dem Sofa versteckten nicht angemeldeten Fernsehern und Radios zu suchen (Vorsicht, Feind hört mit!), bliebe ihnen ja immer noch, in detektivischen Recherchen zu klären ob Lebenspartner, Kinder und Pinguine (Herr oder Frau Tux sollen Fernsehgebühren zahlen) wirklich zum Haushalt gehören oder nur Gebühren sparen wollen und nur zum Besuch des GEZ-Kontrolleurs gemeinsam antreten.. Ja, eigentlich wäre es konsequenter, gleich für jeden Einwohner Deutschlands, vom Säugling bis zum Greis, eine Rundfunksteuer (wahlweise moderner "Kulturflatrate" zu nennen) zu erheben, egal, ob Radio, Fernseher oder Computer überhaupt vorhanden sind. Dann würden zukünftig auch nur noch Bettler, Hausierer und Zeugen Jehovas unerwartet vor der Tür stehen...