Kommunikation mit Tischen und Wänden

Internationales Forscherteam sucht nach neuen Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine

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Der Traum von einer mehr oder weniger vollkommenen Symbiose zwischen der vermeintlichen Krone der Schöpfung und ihren technischen Errungenschaften ist nicht so alt wie die Menschheit selbst, aber doch ein prägendes Element modernen Denkens und Forschens. Auf der Suche nach möglichen Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine wurden in den vergangenen Jahren beträchtliche Fortschritte erzielt, auch wenn von einer Revolutionierung potenzieller Anwendungsbereiche bislang noch nicht ernsthaft die Rede sein kann.

Gleichwohl steht die Entwicklung eines funktionalen Cyber-Alphabets mittlerweile auf der Agenda vieler Spezialwissenschaften, die in zahlreichen Projektpartnerschaften nicht nur im Bereich Grundlagenforschung, sondern auch an der technischen Umsetzung arbeiten.

Das renommierte Institut für Maschinenwesen der Technischen Universität Clausthal hat sich mit der Universität von Wales, dem Zentrum für Technologietransfer in Ingenieurwissenschaften in Genf, der Universität Genua, dem Institut LOA in Paris, der Universität Birmingham und dem Polytechnikum in Mailand zusammengetan, um Computer in die Geheimnisse menschlicher Berührungen und Geräusche einzuweihen. Das von der Europäischen Union geförderte Forschungsvorhaben wird in Clausthal von Instituts-Direktor Peter Dietz geleitet, der die bisherigen Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Mensch und Maschine als mangelhaft empfindet:

Jeder geht zwar heute wie selbstverständlich mit der Tastatur eines Computers um, aber diese Kommunikationsschnittstellen haben eine ganze Reihe von Nachteilen - wir müssen in der Nähe des Computers sein und den Geräten fehlt es an Robustheit, einen verschütteten Kaffee mögen sie nicht. Das aber schränkt den Anwendungsbereich ziemlich ein. Und Spracherkennungssoftware oder die Systeme, die mit Bilderkennung arbeiten, sind oft nur beschränkt einsetzbar.

Peter Dietz

Das Projekt "Tai-Chi" (Tangible Acoustic Interfaces for Computer Human Interactions) will solche Defizite durch die Entwicklung einer digitalen Kommunikationsschnittstelle beheben. Sie basiert auf jener akustischen Welle, die bei jeder Interaktion mit einem physischen Objekt erzeugt wird. Das Wellenmuster, das je nach Art der Berührung eine andere Form annimmt, soll visualisiert und charakterisiert werden, damit Computer es präzise identifizieren können.

Akustische Sensoren werden zwar bereits in militärischen und zivilen Bereichen eingesetzt, doch das Forscherteam hat sich vorgenommen, räumliche, technische und ökonomische Grenzen in einem Ausmaß zu überwinden, das (noch) im Bereich Sciencefiction angesiedelt ist. Der Geophysiker Carsten Düsing, der in Clausthal am "Tai-Chi"-Projekt arbeitet, erläutert gegenüber Telepolis:

Wir werden innerhalb der nächsten drei Jahre Materialien untersuchen, die Geometrien von Körpern erforschen und eine entsprechende akustische Holografie entwickeln, die langfristig bei jedem beliebigen dreidimensionalen Körper funktionieren soll. Die Kollegen in Birmingham arbeiten an einem Verfahren, das Computer in die Lage versetzt, auf ein Fingerschnipsen zu reagieren, die Signalquelle zu erkennen und deren Kommandos zu deuten.

Düsing glaubt, dass es möglich sein wird, die Anwendungsmöglichkeiten akustischer Sensoren, die im kommerziellen Bereich noch auf ebene Glasflächen und kleine Räume beschränkt sind, entscheidend zu erweitern. In absehbarer Zeit sollen Zimmerwände, Fußböden, Tischplatten oder Fenster in 3D Touch Screens verwandelt werden können. "Es wird ohne weiteres möglich sein, Lagerhallen mit diesem System zu verwalten oder in einem Restaurant sein Essen zu bestellen", meint Carsten Düsing: "Wir legen großen Wert darauf, dass Tai-Chi kein wissenschaftliches Projekt wird, dass wie so manches andere einfach im Sande verläuft. Deshalb werden unsere Forschungsergebnisse direkt nach ihrem Abschluss industriell verwertbar sein."

Nach dem Willen von Projektleiter Dietz soll davon schließlich auch der Normalbürger profitieren: "Unser Ziel ist, diese Technologie für jedermann erschwinglich zu machen. Wenn wir das geschafft haben, sind nahezu unbegrenzte Anwendungen vorstellbar." Die Wissenschaftler rechnen damit, dass die Preise für die von ihnen entwickelten Schnittstellen durch eine Massenproduktion drastisch sinken. Wenn das gelingt, wären die Fördergelder der Europäischen Union in Höhe von gut zwei Millionen Euro zweifellos ergebnisorientiert angelegt.

Ob der Mensch auf die schöne neue Welt, wenn sie denn kommt, ausreichend vorbereitet ist, Missbräuche verhindert und Sicherheitslücken erfolgreich geschlossen werden können, steht dann wieder auf einem anderen Blatt.