Konflikt um den Internationalen Strafgerichtshof

Die US-Regierung sucht weiterhin von möglichst vielen Staaten eine Immunitätsgarantie zu erhalten, als Druckmittel dient auch die Militärhilfe

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Im Konflikt um den Internationalen Strafgerichtshof droht über 30 Staaten der Entzug von Militärhilfe, wenn sie nicht nach dem 2002 in Kraft getretenen American Service Members' Protection Act Amerikanern Schutz vor einer etwaigen Anklage garantieren (US-Bürger und Alliierte sollen auch mit Gewalt vor dem Zugriff des Internationalen Gerichtshofs geschützt werden). Allerdings will die US-Regierung Ausnahmen bei strategisch wichtigen Partnern machen. Insgesamt erhalten 134 Länder Militärhilfe von den USA.

Schwierig wird es vor allem für osteuropäische Länder, die der Nato und der EU beitreten wollen. Rumänien war eines der ersten Länder, die der US-Regierung zugesagt hatten, nicht mit dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) zur Verfolgung von Kriegsverbrechen und Völkermord zusammen zu arbeiten. Doch Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Slowenien und die Slowakische Republik, die ebenfalls nächstes Jahr der Nato beitreten wollen, haben sich auf Druck der EU für die Geltung des Strafgerichtshofs entschieden. Allerdings wurde den USA am 12. Juni auch von der UN ein weiteres Jahr Immunität zugestanden, um friedenssichernde Maßnahmen nicht zu gefährden (US-Regierung droht der EU wegen des Internationalen Strafgerichtshofs). UN-Generalsekretär Kofi Annan kritisierte allerdings das Verlangen der US-Regierung, Frankreich, Deutschland und Syrien enthielten sich diplomatisch ihrer Stimme bei der Entscheidung des Sicherheitsrates.

Die USA haben nicht nur dem Statut von Rom nicht ratifiziert, sondern sie haben auch die kaum verpflichtende Unterschrift, die Bill Clinton noch geleistet hatte, zurückgezogen. Seitdem das Statut am 1. Juli des letzten Jahres in Kraft getreten ist (Startschuss für den Internationalen Strafgerichtshof), sind insgesamt 90 Staaten dem ICC beigetreten. Die US-Regierung hat mit mehr oder weniger Druck versucht, mit möglichst vielen Staaten eine Vereinbarung zu treffen, Amerikaner vor dem ICC zu schützen. Wie der Sprecher des US-Außenministeriums Richard Boucher gestern mitteilte, ist dies für die US-Regierung auch weiterhin ein wichtiger Punkt in den Beziehungen mit anderen Staaten. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen im Rahmen des American Servicemembers' Protection Act. Ausgenommen sind alle Nato-Staaten und wichtige militärische Partner wie Israel, Ägypten, Australien, Neuseeland, Südkorea, Japan, Jordanien, Argentinien, Bahrain und die Philippinen.

Gestern ist der Termin zur Unterzeichnung der Vereinbarung des entsprechenden Artikel 98 abgelaufen. Über 50 Staaten haben bereits eine solche Vereinbarung mit den USA getroffen, manche wollen dies aber noch nicht veröffentlicht sehen. Bei 35 Staaten, die dies bislang nicht getan haben, werden noch offene Gelder eingefroren und möglicherweise Millionen an Dollar für das nächste Jahr an Militärhilfe nicht gebilligt. Dabei gibt es für die US-Regierung allerdings einige heikle Probleme. Beispielsweise dürfte es schwer fallen, Litauen jede Hilfe zu versagen, obgleich es eines der wenigen Länder ist, die durch ihre Beteiligung an Truppen im Irak für einen internationalen Anstrich der Besatzung sorgen. Ein anderes Beispiel ist Kroatien, das unter Druck steht, mutmaßliche Kriegsverbrecher an den Strafgerichts in Den Haag auszuliefern, aber nun just Amerikanern garantieren soll, diese bei entsprechenden Anklagen vor der Verfolgung zu schützen. Jordanien ist das einzige Land im Nahen Osten, das dem ICC beigetreten ist, aber es hat auch keine Artikel-98-Vereinbarung mit den USA getroffen.

Boucher machte aber deutlich, dass die US-Regierung hier flexibel sein kann. Man werde bei der Umsetzung des Gesetzes, das im übrigen auch dem Präsidenten die Option gewährt, mit Gewalt Amerikaner oder Angehörige von alliierten Staaten zu befreien, die vom ICC in Haft genommen wurden, flexibel sein. Dabei würden die bilateralen Interessen mit der Sicherheit für Amerikaner vor "politisch motivierten Anklagen vor dem ICC" abgewogen werden. Bei dem Konflikt geht es nicht nur um die Durchsetzung oder Unterminierung des internationalen Rechts für schwere Verbrechen (Der Internationale Strafgerichtshof nimmt seine Arbeit auf), sondern auch um einen Kampf zwischen der EU und den USA um die Geltung von Werten.