Kongo: Nkunda auf dem Vormarsch

Die UN-Truppen fanden nach eigenen Angaben kein wirksames Mittel gegen die Guerrillataktik des Tutsi-Warlords

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Im Osten des Kongo marschieren Truppen des international als Kriegsverbrecher gesuchten Warlords Laurent Nkunda auf die an der Grenze zu Ruanda gelegene Provinzhauptstadt Goma zu. Sowohl Regierungs- als auch UN-Truppen befanden sich am Dienstag auf dem Rückzug. Gleichzeitig versuchten zehntausende von Zivilisten mit ihren Habseligkeiten den erwarteten Folgen der Einnahme der Stadt durch die Truppen des Warlords zu entfliehen. In Kibati richtet das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR deshalb ein Lager ein.

Weder mehrere Friedensabkommen noch die Wahlen 2006 konnten den seit den 1990er Jahren mit wechselnder Intensität ausgetragenen Konflikt in den Kivu-Provinzen langfristig eindämmen. Den Regierungstruppen gelang es nicht, die Milizen zu entwaffnen und den Bürgerkrieg zu beenden. Stattdessen führten sie im April 2006 sogar die Liste der Menschenrechtsverletzungen an, welche die dort stationierten UN-Truppen untersuchen sollten.

Eine wichtige Ursache des andauernden Konflikts liegt in einem durch Flüchtlinge aus Ruanda importieren Bürgerkrieg zwischen Tutsi-Hirten und Hutu-Bauern, die zwar die gleiche Sprache sprechen, sich aber verschiedener Abstammung wähnen. Der Tutsi und ausgebildete Psychologe Nkunda verstand es jahrelang recht geschickt, die internationale Empörung über den Mitte der 1990er in Ruanda verübten Völkermord zu nutzen. Beständig malte er eine angebliche Wiederholung dieser Vorgänge an den bereits länger im Kongo ansässigen Banyamulenge-Tutsi an die Wand und begründete so seine Feldzüge.

Näher besehen erwiesen sich Nkundas Behauptungen allerdings als Übertreibungen. Stattdessen drangen zunehmend Berichte von Gräueln nach Außen, die er und seine Truppe verübten. Im Januar hatte der Tutsi-Warlord ein Waffenstillstandsabkommen mit der Regierung unterzeichnet, es aber mit der Begründung zerrissen, dass diese nicht genug gegen die Hutu-Milizen unternehmen würde. Am 28. August begann er eine Offensive. Seitdem flohen 200.000 Menschen aus dem Kriegsgebiet.

Am Montag versuchten UN-Soldaten die Nkunda-Armee mit Hubschraubern von der Einnahme der nördlich von Goma gelegenen Stadt Kibumba abzuhalten. Darüber, inwieweit sich diese und andere Städte wie Rutshuru, Rubare und Kiwanja bereits in den Händen der Rebellen befinden, gab es unterschiedliche Angaben. Der UN-Provinzkommandeur, ein Äthiopier namens Hiroute Guebre Selassie, erklärte die Erfolglosigkeit seiner Truppe damit, dass er in dem bergigen, unerschlossenen und dicht bewaldeten Gelände kein wirksames Mittel gegen die Guerrillataktik Nkundus gefunden hätte. Ob die vom UN-Gesandten Alan Doss geforderte Erhöhung der Truppenstärke die Lage entscheidend verbessern könnte, ist deshalb fraglich.

Verkehrssprachen im Kongo

Der Kongo, ehemals Privatbesitz des belgischen Königs, ist der flächenmäßig zwölftgrößte Staat der Erde und birgt beträchtliche Vorkommen an Gold, Diamanten und anderen begehrten Bodenschätzen wie Coltan, Germanium und Beryllium.

Die hauptsächlich genutzten Sprachen teilen das Land, in dem mehr als 200 verschiedene Volksgruppen leben, in vier Areale, die einen Ost-West-Gegensatz begünstigen: Im Osten und in der ehemaligen Kupferprovinz Katanga ist die Verkehrssprache ebenso wie in Kenia oder Tansania Kiswahili. Im Norden und Westen nimmt dagegen das vom langjährige Diktator Joseph-Désiré Mobutu geförderte Lingala diese Rolle ein, das von etwa 2 Millionen Menschen als Mutter- und von weiteren 8 Millionen als Verkehrssprache genutzt wird. Das im Südwesten des Landes gesprochene Kikongo wird zunehmend von Lingala verdrängt. Besser behauptet sich Tshiluba, das zwischen 6 und 7 Millionen Menschen nutzen.