Kontroverse um Cannabis-Risiken: Noch Forschungsbedarf bei Ursache und Wirkung

Demnächst in legalen Anbauvereinigungen: Cannabis-Pflanzen. Foto: Pixabay Licence.

Studien weisen auf Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen hin. Muss die Droge deshalb der Auslöser sein? Was ändert die Legalisierung für Jugendliche?

Kaum hat der Bundestag einer kontrollierten Freigabe von Cannabis für Erwachsene in Deutschland zugestimmt, hagelt es Kritik. Erklärtes Ziel der Ampel-Parteien war es unter anderem, Verbraucher- und Gesundheitsschutz für Konsumenten zu gewährleisten.

Gelegenheitskiffer werden aber womöglich weiterhin ihren "Stoff" auf dem Schwarzmarkt kaufen, wenn ihnen das "Hobby" nicht wichtig genug ist, um Mitglied einer nichtkommerziellen Anbauvereinigung mit behördlicher Erlaubnis zu werden.

Denn diese Vereinigungen dürfen Cannabis nur an Mitglieder weitergeben. Lediglich Samen für den Anbau zu Hause oder Stecklinge dürfen auch an volljährige Nicht-Mitglieder weitergegeben werden.

Cannabis bedingt legal: Jubeln Dealer über dieses Gesetz?

Ein Kommentator der Frankfurter Rundschau ist sicher: "Dieses Cannabis-Gesetz lässt Dealer jubeln" – sie würden sich "über das Mehr an Cannabis auf dem Markt und die fehlende strafrechtliche Verfolgung" freuen. Denn bis zu 25 Gramm in der Tasche und bis zu 50 Gramm zu Hause sind nun legal. Die Entkriminalisierung sei zwar überfällig, aber schlecht gemacht.

Die Kalkulation von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), den Schwarzmarkt mit diesem Gesetz um zwei Drittel zu verkleinern, erscheint daher tatsächlich fragwürdig, wenn der legale Bezug von Cannabis nicht unkomplizierter wird. Im Koalitionsvertrag war deshalb noch die Abgabe in lizenzierten Geschäften in Aussicht gestellt worden.

Der kritische Jugendrichter Andreas Müller hat das neue Gesetz als Schritt in die richtige Richtung begrüßt und vor Angstmacherei gewarnt – auch aus seiner Sicht fehlt aber ein Gesamtkonzept.

Aufklärung: Wissen Cannabis-Interessierte genug über Risiken?

Befürchtet wird unter anderem, dass die Angebote der Aufklärungs-, Beratungs- und Präventionsarbeit – auch und gerade für Jugendliche – noch nicht ausreichen. Eine "Offensive für Prävention und Gesundheitsschutz" mahnt etwa die sächsische Linken-Politikerin Juliane Nagel an. Auch in anderen Bundesländern scheint eine bedarfsgerechte Finanzierung der Suchtberatungsstellen nicht sicher.

Möglicherweise muss aber ein längerfristiges Gesundheitsrisiko auch noch genauer erforscht werden. Befürworter der Legalisierung haben zu Recht angemerkt, dass erwiesen schädliche Wirkungen von Alkohol bisher in Deutschland nicht zu seiner Illegalisierung geführt haben – und in diesem Zusammenhang auch auf den blühenden Schwarzmarkt während der Prohibition in den USA hingewiesen.

Dass langanhaltender Alkoholkonsum zu Organschäden – vor allem an der Leber – und im Extremfall auch zu Hirnschäden führen kann, ist hinreichend erforscht. Entsprechende Zellschäden können biochemisch klar auf Alkohol zurückgeführt werden. Fest steht auch, dass Cannabis keine vergleichbar starke körperliche Abhängigkeit erzeugt wie etwa Alkohol. Die Rede ist häufiger von psychischer Abhängigkeit.

Cannabis und Psyche: Forschungsbedarf bei Ursache und Wirkung

Ein Zusammenhang zwischen Cannabis-Konsum und psychischen Erkrankungen ist dagegen weniger erforscht – zwar gibt es Studien, die klar auf einen Zusammenhang zwischen Cannabis-Abhängigkeit und Depressionen sowie bipolaren Störungen hinweisen.

Allerdings ist unklar, was Ursache und Wirkung ist – anders ausgedrückt: ob der Cannabis-Konsum diese Störungen auslöst beziehungsweise verstärkt, oder ob er eher ein Versuch der "Selbstmedikation" von Betroffenen ist.

Auch gelten Menschen, die an einer bipolaren Störung leiden, in der manischen Phase als besonders risiko- und experimentierfreudig, was auch dazu führen kann, dass sie häufiger als der Durchschnitt der Bevölkerung bislang illegale Substanzen ausprobieren.

Verdacht: Cannabis als Auslöser für lebensgefährliche Störungen

Denkbar ist laut einer dänischen Studie von Forschenden der Universität Aarhus von 2023 auch eine wechselseitige Beziehung zwischen Cannabis-Konsum und psychischen Erkrankungen.

Sollte sich aber erhärten lassen, dass Depressionen oder bipolare Störungen durch Cannabis ausgelöst werden können, wäre das eine erhebliche Gesundheitsgefahr, denn beides sind lebensgefährliche Erkrankungen, die das Suizidrisiko deutlich erhöhen.

Erhöhte Gefahr bei Cannabis-Konsum im Kinder- und Jugendalter

Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sind Jugendliche durch den Konsum von Cannabis deutlich gefährdeter als Erwachsene.

Nach Schätzungen von Kinder- und Jugendärzten haben Menschen, die im Kinder- und Teenageralter Cannabis probieren, ein drei- bis fünfmal erhöhtes Risiko, später Angststörungen, Psychosen und Depressionen zu entwickeln – allerdings werden solche Störungen oft erst nach Jahren diagnostiziert.

Das erklärt auch die Ungenauigkeit der Schätzung, denn es bleibt wohl in einigen Fällen unklar, ob die Erkrankung vor oder nach dem ersten Cannabis-Konsum ihren Anfang genommen hat.

Cannabis-Erwerb für Minderjährige nach wie vor illegal

Minderjährige dürfen Cannabis nach wie vor nicht besitzen oder konsumieren, auch sie dürften sich, wenn sie dazu entschlossen sind, weiter auf dem Schwarzmarkt bedienen.

Befürworter einer weitreichenderen Legalisierung von Cannabis haben damit argumentiert, dass mit lizenzierten Fachgeschäften der Schwarzmarkt tatsächlich schrumpfen werde, weil dann Volljährige nur ihren Ausweis vorlegen müssten, um Cannabis zu erwerben, was auf dem Schwarzmarkt nicht üblich ist.

Andere befürchten, dass sich die Verfügbarkeit automatisch auch für Jugendliche erhöhen wird, wenn Erwachsene unkomplizierter an den "Stoff" kommen. So warnte zum Beispiel der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte während der Legalisierungsdebatte davor, dass Cannabis vermehrt von Erwachsenen an Kinder und Jugendliche durchgereicht werden könnte.