Kontroversen über das Phänomen "Spaziergänge"
Seite 2: Die Klammer einer Querfront
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Auf jeden Fall führte die Pandemie zu einer Art Querfront, die Rechte und Rechtsextreme, manche Linke, Grüne und Liberale, Technikkritiker und auf Natur Setzende, Verteidiger der Bürgerrechte bis hin zu Vertretern abstruser Ideen vereinte, die beispielsweise leugnen, dass es überhaupt Viren gibt.
Versuche, die entstandene Szene zu trennen, sind gescheitert, es entwickelte sich eine subversive Bewegung, die sich gegen die Herrschaft der Mehrheitsgesellschaft auflehnt, an genaueren Differenzierungen nicht mehr interessiert ist, vorgibt, die Verfassung und die Freiheit zu verteidigen, auch mit Beteiligung von rechten Gruppen, die an Demokratie und Rechtstaat eigentlich nicht interessiert sind, aber am Ausnahmezustand.
Die Klammer dürfte mittlerweile sein, dass man sich als Avantgarde sieht, als aufgeklärte Minderheit, die nicht mitläuft, sondern das Leben und die Unmittelbarkeit verteidigt. Man ist anarchistisch, missachtet die Distanzregeln, das Tragen von Masken, tanzt auf dem Vulkan, der aber eigentlich nicht existiere.
Die Lager haben sich jedenfalls verfestigt. Je autoritärer Maßnahmen verhängt und abweichende Positionen diskriminiert wurden, desto enger wurde die Querfront. Schon mit der Flüchtlingskrise, bei der alle Parteien mit Ausnahme der AfD zusammenrückten, wurden Rechte und Nationalisten paradoxerweise zu Subversiven, die bislang eher auf der Seite der Linken und Anarchisten angesiedelt waren.
Ablehnung von Veränderung
Das Kennzeichnende ist, dass es eigentlich keine Vision oder Utopie mehr gibt, sondern nur eine Ablehnung von Veränderung und gleichzeitig eine neue Lust am Abenteuer. Man meldet eben keine Veranstaltungen mehr an, sondern macht Spaziergänge und trickst die staatliche Ordnungsmacht aus. Das macht Spaß, auch wenn einige Mitläufer auf Gewalt setzen.
Wichtiger ist jedoch, dass sich Strategien entwickelt haben, wie man die Staatsmacht austricksen und ins Leere laufen lassen kann. Das war schon immer ein Faktor der Subversion gegen die Macht, die durch Spaß und Unordnung herausgefordert wird. Jetzt gehen auf den in sozialen Netzwerken verabredeten Spaziergängen Alt und Jung und Linke und Rechte mit und suchen den Ausnahmezustand mit einer Revolutionsromantik.
Die Polizei ist überfordert, überreagiert und stärkt den Protest. Das Abenteuer der vermeintlichen Subversion im Spiel mit der Ordnungsmacht ist interessanter als das Leben in Vorsicht mit immer neuen Virenvarianten.
Dieser Text erschien auch auf unserer Partnerseite krass & konkret.