Krankenhaus Kunduz: US-Militär begeht keine Kriegsverbrechen

Seite 2: Das Militär ist zum Töten da

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Bei der fast einstündigen Bombardierung des Krankenhauses waren am 3. Oktober vergangenen Jahres 42 Menschen getötet worden. 24 Patienten und 14 Mitarbeiter sowie vier "betreuende Angehörige" verbrannten oder wurden von den Geschossen in Teile zerrissen. 27 weitere Mitarbeiter wurden teils schwer verletzt, so wie Sabiullah Chan. Dem 25-jährigen Pfleger wurden beide Hände und ein Auge entrissen: "Ich will wissen, warum die amerikanische Regierung uns bombardiert hat, was wir falsch gemacht haben", sagt er.

Der Hauptgang des Krankenhauses nach dem Angriff. Bild: MSF

Eine AC-130U hatte 211 Geschosse äußerst präzise ausschließlich auf das Hauptgebäude des Krankenhauses gefeuert. Patienten verbrannten in ihren Betten bei lebendigem Leibe, Mitarbeiter wurden enthauptet und zahlreiche Gliedmaßen wurden abgetrennt. Die philippinische Chirurgin Dr. Evangeline Cua schildert auf den Seiten von MSF die Nacht des Angriffs :

Wir liefen kopflos umher wie zwei aufgescheuchte Hühner in der Dunkelheit - mein Kollege, der mir bei einer Operation assistiert hatte, und ich. Das Pflegepersonal, das einen Moment zuvor noch bei uns gewesen war, war aus dem Gebäude gestürzt, in eine Salve von Schüssen aus der Luft hinein. Ich hustete, vom herumfliegendem Staub halb erstickt. In meinem Mund, hinter der chirurgischen Maske, fühlte es sich an, als hätte man mich gezwungen, Sand zu essen. Ich hörte meinen Atem rasseln. Rauschschwaden kamen aus einem nahe gelegenen Raum, und wir konnten kaum noch sehen, wo wir waren.

Am anderen Ende des Gebäudes züngelten Flammen auf dem Dach. Sie tanzten, leuchteten im Dunkeln und griffen nach den Ästen der Bäume. Die Intensivstation brannte. Lediglich das unaufhörliche Brummen, das zu hören war, wies darauf hin, dass draußen noch irgendetwas war. Ein Flugzeug? Ein Luftangriff? Warum das Krankenhaus? Warum wir? Dann, ohne Vorwarnung, erschütterte eine weitere gewaltige, ohrenbetäubende Explosion das Gebäude. Die Decke krachte auf uns herab und die letzten verbliebenen Lichter erloschen, sodass wir nun von totaler Finsternis umgeben waren. Ich schrie vor Angst, als ich von Baudrähten aus der herabstürzenden Decke am Boden festgenagelt wurde. Das ist das Letzte, woran ich mich erinnere.

Evangeline Cua

MSF hatte die Koordinaten des Krankenhauses allen Kriegsparteien mitgeteilt. Während des Angriffes wurde das US-Militär mehrmals kontaktiert, dennoch wurde der Angriff über 30 Minuten fortgeführt. Angeblich sei der Einsatz des Kampfflugzeuges eine Stunde verfrüht nötig gewesen, um US- und afghanische Bodentruppen zu unterstützen, so dass die Liste mit den schützenswerten Gebäuden nicht in das interne Informationssystem hochgeladen werden konnte.

Auch diese Rechtfertigung erscheint äußerst unglaubwürdig, da Special-Forces-Bodentruppen immer mit Luftunterstützung operieren ("Close Air Support"). Vielmehr ist anzunehmen, dass die AC-130 eben diese Unterstützungseinheit war, weshalb sie auch innerhalb weniger Minuten vor Ort sein konnte.

Unglücklicherweise hatte die Crew nun auch noch vergessen eine Karte der Gegend mit an Bord zu nehmen, so dass die Orientierung erschwert war, wie die Air Force Times zu berichten weiß. Die Crew der AC-130 konnte auch keine international anerkannten Symbole wie das rote Kreuz oder den roten Halbmond am Gebäude ausmachen. Was die Crew allerdings dachte, was wohl das Symbol von MSF auf zwei großen Fahnen, die auf dem Dach ausgebreitet waren, bedeuten sollte, klärt der Bericht hingegen nicht.

Für MSF bleiben auch nach dem "Ermittlungsbericht" zahlreiche weitere Fragen offen. Nicht zuletzt die Frage nach den Verantwortlichen oder wie künftig solche Angriffe vermieden werden sollen. Zentral bleibt jedoch auch weiterhin die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung des Bombardements durch die Internationale humanitäre Ermittlungskommission. Die mediale wie politische Unterstützung dieser Forderung ist kaum zu vernehmen.

Auch Bundespräsident Gauck, der schon mal im Kampf für die Menschenrechte zu den Waffen greifen lassen will (Kriege, Kriegsverbrechen und Propaganda), schweigt, wenn es um die Verbrechen der Freunde geht. Ob USA, NATO oder gegenwärtig die Türkei, Menschenrechtsverbrechen finden nicht statt. Genau das ist die Verlogenheit des Westens, der den Islamisten und Nationalisten, den Feinden der Demokratie, in die Hände spielt, beziehungsweise den Westen und sein Militär als das desavouiert, was er zu bekämpfen behauptet.