Krieg gegen den IS ohne Einschränkungen
Das Weiße Haus will vom Kongress weitgehend freie Hand für eine Genehmigung zum Einsatz militärischer Gewalt - zeitlich, geografisch und auch für den Einsatz von Bodentruppen
Noch führt das Weiße Haus den Krieg gegen den "Islamischen Staat" im Irak und in Syrien auf der Grundlage der Kriegsermächtigung (Authorization for Use of Military Force - AUMF) aus dem Jahr 2001. Weil der IS zwar einmal al-Qaida angehörte, sich aber davon getrennt hatte, musste man in Washington zur formalrechtlichen Begründung die Angriffe damit legitimieren, dass sie sich auch auf eine vorwiegend wohl fiktive al-Qaida-Zelle in Syrien richten. Man hätte die Angriffe auch auf al-Nusra richten können, die brauchte man aber als Gegengewicht zum IS, daher wurde die Gruppe Khorosan geschaffen, deren Mitglieder angeblich aus Afghanistan über den Iran nach Syrien gelangte, um von dort aus unmittelbar bevorstehende Terroranschläge gegen die USA zu planen. Es war also Gefahr in Verzug durch al-Qaida, die AUMF ließ sich auf Syrien erweitern. Eine Genehmigung des Kongresses war durch diese Konstruktion vor den Midterm-Wahlen nicht notwendig. Groß hinterfragt wurde die fadenscheinige Legitimation in den USA und hierzulande nicht (Ukrainischer Außenminister: "Wir sind die Menschen des Friedens").
Nach den Anschlägen von 9/11 hatte der Kongress dem Präsidenten als obersten Befehlshaber die weitreichende Genehmigung erteilt, alle notwendigen militärische Maßnahmen überall auf der Welt gegen al-Qaida und Alliierte zu ergreifen (Repräsentantenhaus und Senat ermächtigen Präsident Bush zum Krieg). US-Präsident Obama hat sich bislang davor gedrückt, die Kriegsermächtigung von 2001 zu beenden, auch wenn er dies in einer Rede 2013 ankündigte. Auch im Kongress war man bislang wenig motiviert, über eine neue Kriegsermächtigung zu verhandeln, zumal die Republikaner erst ab Januar die Mehrheit in beiden Häusern haben werden. Allerdings scheint man es weiter im Weißen Haus nicht eilig zu haben, eine AUMF für den Krieg gegen den IS zu erhalten.
Allerdings hat der demokratische Senator Robert Menendez von New Jersey, der Vorsitzende des für eine AUMF zuständigen Ausschusses für Außenpolitik, mit wenigen anderen Abgeordneten einen Entwurf für eine AUMF gegen den IS eingebracht. In dieser wäre dem Präsidenten der Einsatz von Bodentruppen verwehrt, wenn nicht US-Soldaten oder Bürger unmittelbar vom IS bedroht sind, es sich um begrenzte Einsätze gegen IS-Führer oder um Missionen etwa zur Aufklärung oder zur Beratung handelt, die nicht in einen Einsatz von US-Bodentruppen münden. Der Entwurf sieht eine zeitliche Begrenzung von 3 Jahren vor. Das Weiße Haus muss einen umfassenden Bericht über die Operation vorlegen, der deren geografische Ausdehnung festlegt und die Gegner definiert. Zwei weitere Gesetzesvorschläge für eine AUMF sehen mit 18 (Adam Schiff vom Repräsentanhaus) bzw. 12 Monaten (Senator Rand Paul und Tim Kaine vom Repräsentantenhaus) noch kürzere Fristen vor. US-Präsident Obama hatte allerdings erklärt, der Krieg werde vermutlich über Jahre gehen, was nahelegt, dass er sich nicht nur eine zeitliche Begrenzung gewinnen lassen könnte.
Außenminister Kerry erklärte vor dem Ausschuss für Außenpolitik am Dienstag, dass dem Kampf gegen den IS keine Begrenzungen auferlegt werden dürfen. So soll weder das geografische festgelegt noch der Einsatz von Bodentruppen ausgeschlossen werden. Der Ausschuss wird heute vermutlich über die AUMF von Menendez diskutieren, der erklärte, dass die von ihm vorgeschlagenen Begrenzungen kein Zeichen der Schwäche darstellen. Kerry erklärte, er erwarte ein "klares Mandat und Flexibilität", und räumte ein, dass begrenzt und bezogen auf die Bedrohung sein soll. Der Krieg werde Jahre dauern, sagte auch er, auch wenn man schon erste Erfolge sehen würde. Vor allem, wenn Luftangriffe zusammen mit dem Einsatz von irakischen oder kurdischen Bodentruppen erfolgten, sei IS vernichtet worden. Im Irak habe sich die "politische Arena" durch Abkommen zwischen den Kurden und Bagdad gewandelt, die irakische Regierung habe auch die Beziehungen mit den Nachbarländern Saudi-Arabien, der Türkei und den Vereinten Arabischen Emiraten verbessert. Den Iran erwähnte er in seinen schriftlichen Ausführungen nicht.
Der IS sei eine Bedrohung der amerikanischen Sicherheit und Interessen, er zerstöre die Stabilität der Region und habe ein Flüchtlingskrise ausgelöst. Es sei eine "moralische Pflicht" ihn zu bekämpfen, weil er sich sonst immer weiter ausbreiten werde. Es sei nicht angedacht, den Kampf in anderen Ländern als dem Irak und Syrien zu führen, aber die AUMF dürfe die Operation geografisch nicht begrenzen, wie dies auch bei al-Qaida der Fall war, weil dies dem IS zeigen würde, wo sie sicher sein können: "Es wäre schrecklich, diesen Typen die Botschaft zu schicken: 'Ihr habt hier einen sicheren Hafen und hier habt dort einen sicheren Hafen.'"
Und auch bei Bodentruppen fordert Kerry eine offene Tür. Obama habe zwar versichert, dass keine US-Bodentruppen eingesetzt werden, aber man sollte dem Oberbefehlshaber oder den Kommandeuren nicht präventiv die Hände binden, auf Situationen reagieren zu können, die sich nicht vorhersehen lassen. Kerry erklärte, man sei mit der Begrenzung auf 3 Jahre, wie von Menendez vorgeschlagen, wenn es Möglichkeiten gebe, die Frist zu verlängern.
Auffällig ist, dass das Weiße Haus keinen eigenen Gesetzesvorschlag vorgelegt hat. Das dürfte bedeuten, dass man keine allzu großen Kompromisse schließen wird, weil man der Meinung ist, dass im Prinzip die beiden vorliegenden AUMF, die gegen al-Qaida und die Kriegsermächtigung vor dem Irak-Krieg 2002, eine ausreichende Legitimation darstellen. Gut möglich, dass das Weiße Haus erst einmal den Krieg ohne ausdrückliche Genehmigung des Kongresses weiterführt. Allerdings verlangt das Weiße Haus für das Pentagon-Budget 2015 zusätzliche 5,6 Milliarden US-Dollar für den Kampf gegen IS, weil die Kosten höher als der vorgesehene Rahmen für Auslandseinsätze steigen. Nach Angaben des Pentagon wurden seit August bis Ende November mehr als 900 Millionen US-Dollar ausgegeben, 8,1 Millionen am Tag.
Für manche Kongressmitglieder ist der jetzt schon monatelang geführte Krieg gegen den IS ohne Bewilligung durch den Kongress nicht autorisiert, so der demokratische Abgeordnete Tim Kaine, eine neue Kriegsgenehmigung sei also dafür dringend notwendig. Kerry will vor allem keine Kriegserklärung, die es nur gegen Staaten wie Afghanistan oder dem Irak geben könne. Man ziehe gegen den IS nicht in einen Krieg wie gegen Afghanistan, argumentierte er. Allerdings kontrollierten die Taliban auch nicht ganz Afghanistan, eine Armee wie die irakische besaßen sie nicht, und ihre "Regierung" war durchaus der Herrschaft vergleichbar, die der IS ausübt.
Der republikanische Senator Rand Paul pocht auf eine Kongressbewilligung, nach der Verfassung würde die Verantwortung beim Kongress liegen. Zudem tritt er, wie er vor dem Ausschuss gegenüber Kerry deutlich machte, für klare Begrenzungen ein: "Diejenigen von uns, die keinen weiteren Irak wollen, sind sehr darauf bedacht, dies zu begrenzen." Vorher hatte er ein Szenario angeführt, nach dem die US-Streitkräfte im Kampf gegen den IS und seine Alliierten auch Ziele in Algerien, Libyen, Saudi-Arabien oder im Jemen engreifen dürfen. In all diesen Ländern haben Islamisten einen Treueschwur gegenüber dem IS abgelegt und sich ihm angeschlossen. Wenn es keine geografische Begrenzung gebe, können Angriffe auf der ganzen Welt ausgeführt werden. Dafür könne er nicht stimmen.