Krieg hinter den Fronten
Der IS verübt großflächig Anschläge im Kurdengebiet und besetzt erneut Teile von Kobanê
Als die Kurdenmiliz YPG letzte Woche die Grenzstadt Tall Abyad einnahm und den Korridor zwischen den Kantonen Cizîrê und Kobanê schloss, da konnte keine kurdische Organisation befriedigende Antworten auf die Fragen liefern, wohin die IS-Kämpfer nach der Einnahme der Stadt verschwanden. Gestern dann tauchten IS-Kämpfer überraschend in Kobanê und im 30 Kilometer südlich davon gelegenen Dorf Berxbotan auf.
In Kobanê brachten sie in der Nähe der Grenze zur Türkei mehrere mit Sprengstoff bepackte Automobile zur Explosion und schossen anschließend auf Zivilisten, wobei mindestens 30 Menschen ums Leben gekommen und über 100 weitere verletzt worden sein. Angeblich beteiligte sich an den Anschlägen auch ein Selbstmordattentäter.
Der YPG war es gestern Nachmittag noch nicht gelungen, die Terroristen aus dem Stadtzentrum und dem Stadtteil Kaniya Kurda zu vertreiben. Auch Berxbotan, wo der IS mindestens 20 Menschen getötet haben soll, befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Hand der Dschihadisten. Ein Grund könnte sein, dass die Ortschaften von der YPG nur schlecht gesichert waren, weil viele Milizionäre bei der Eroberung und Sicherung Tall Abyads und Ain Issas gebraucht wurden.
Die Ereignisse deuten darauf hin, dass der Syrienkrieg ein "Multifrontenkrieg" mit "punktförmigen" Fronten und einem in der Zivilbevölkerung versteckten Gegner sein könnte, wie es ein TP-Forumsteilnehmer gestern formulierte. Kurdische Medien glauben allerdings, dass die IS-Kämpfer aus der Türkei gekommen seien.
Der Gouverneur der türkischen Provinz Şanlıurfa meint dagegen, die Terroristen seien als arabische Hilfstruppen der Kurden verkleidet über die von ihnen gehaltene Stadt Dscharabulus eingedrungen. Bei dieser Erklärung bleibt jedoch offen, wie die Salafisten die mit Sprengstoff beladenen Fahrzeuge über den Euphrat transportierten. Alle Brücken in der Umgebung sind nämlich zerstört.
Die kurdischen Quellen berichten zudem, dass sich einzelne IS-Terroristen wieder hinter die türkische Grenze zurückzogen. Dort sollen sie im Dorf Etmanek türkische Kurden angegriffen und ein zwölfjähriges Kind getötet haben. Kurden aus Syrien werde dagegen auch dann die Einreise in die Türkei verweigert, wenn sie verletzt seien.
Weiter östlich sollen die Kalifatstruppen zwei Westviertel der an der Südgrenze des Kurdenkantons Cizîre gelegene Provinzhauptstadt Hasakah erobert haben, deren Rest teilweise von Regierungstruppen und teilweise von der kurdischen YPG kontrolliert wird. Auch hier soll der Angriff mit einem Selbstmordanaschlag begonnen haben. Erobert die Terrorgruppe die Stadt vollständig, dann drohen zehntausenden assyrischen Christen Sklaverei oder Enthauptung.
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